# taz.de -- Die Wahrheit: Öl und andere verrückte Sachen | |
> Der Alltag ist im Wandel. Die einfachsten Dinge an der Tankstelle oder in | |
> der Bank funktionieren nicht mehr so, wie sie es tun sollten. | |
Die Welt ist verrückt. Ich meine nicht Twitter oder sonstigen Schmonzes, | |
sondern den Wandel im Alltag. Das kleine Ungeheuerliche. Ich fuhr mit | |
meinem etwas älteren Motorrad, das länger gestanden hatte, zur Tanke. Mein | |
Tankschloss klemmte. Nur mit Mühe bekam ich den Deckel auf. Der musste | |
geschmiert werden. Ich ging hinein zum „Tankwart“. Tankwart ist ein | |
Lehrberuf mit dreijähriger dualer Ausbildung. Über der Tür stand jetzt aber | |
„Rewe Shop to go“. | |
Drinnen fragte ich den „Tankwart“, ob er mir mit Graphitöl oder Ähnlichem | |
fürs Schloss aushelfen könnte. Der Nerd an der Kasse sah sich plötzlich dem | |
Ernst einer Tankstelle gegenüber. Ich wollte nicht „Rewe to go“, sondern | |
„Schmieröl to open“. Seine Augen weiteten sich. Dann hatte er eine | |
Eingebung: „Da hinten haben wir was.“ Er wies auf ein fernes Regal. Hinter | |
dem „Rewe to go“ war ein kleines „For Cars to drive“. | |
Aber eine Flasche als Service für Kunden? Wenn man nur einen kleinen Hieb | |
braucht? Er schüttelte den Kopf. „Sie sind doch ’ne Tankstelle. Ein | |
Serviceposten für Fahrzeuge.“ – „Wir haben nur Benzin. Und Rewe to go.“ | |
Ergeben ging ich zum Regal und fand zwischen „Felgenreiniger SuperShine“ | |
und „Cockpit Spray“ nur Enteisungsspray – an einem heißen Tag im Juli. A… | |
kein Kriechöl. Dafür Dosensuppen! | |
Zwei Tage später war ich zu Besuch in meinem Heimatdorf. Ich ging dort mit | |
meiner Geldkarte zur Sparkasse. Die hat nur noch an zwei halben Tagen in | |
der Woche Schalterstunde. Heute war eine. War aber nicht nötig. Dort steht | |
ein Geldautomat. Ich bekam drei mal Hundert. Das wechselt einem keiner. Ich | |
ging hinein. War ja Schalterstunde. | |
Drei Hunderter in sechs Fünfziger tauschen? „Normal“, dachte ich. Der | |
Kollege sagt auch: „Kein Problem. Kann ich Ihre Bankkarte haben?“ – „Ge… | |
Er zog sie durch. Fünf mal. Ohne Ergebnis. Dann: „O, die ist nicht von | |
unserer Sparkasse.“ – „Ja, aber von der Kasseler Sparkasse. Ihr gehört d… | |
zusammen.“ – „Ja und nein. Sie müssten das gewechselte Geld aus dem | |
Automaten ziehen. Das geht nur, wenn Sie hier ein Konto haben.“ – „Ich ka… | |
hier bei euch nicht mal meine drei Hunderter gewechselt kriegen?“ Der | |
Filialleiter – wir kennen uns – kam: „Ja, ist leider so, Bernd.“ | |
Ich war leicht erregt: „Ich hab also Glück, dass ihr überhaupt noch | |
Öffnungszeiten habt, und dann kann ich trotzdem nicht mal Geld wechseln?“ | |
Der Filialleiter sagte: „Ganz ruhig, Bernd. Wir finden schon einen Weg!“ | |
Ich hörte ihn gar nicht mehr. Er ging zu einem Paar, das bereits Geld | |
gezogen hatte. „Kann ich mal eure Karte haben?“ Ohne Zögern sagten die: | |
„Klar!“ Dann zog er mir mit deren Karte mein Kleingeld. Wir drei staunten. | |
Ich flüsterte: „Geldwäsche!“ Sie nickten. Der Filialleiter zwinkerte: | |
„Keine Sorge. Erscheint nicht auf eurem Konto.“ | |
Mir war geholfen, aber ich dachte: „Wenn Banken kein Geld mehr wechseln und | |
Tankstellen Schlösser nicht mehr ,gängig' machen können, dann ist die Welt | |
verrückt!“ Und das sind ja nur die kleinen Sachen! | |
15 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernd Gieseking | |
## TAGS | |
Banken | |
Alltag | |
Finnland | |
Finnland | |
Urlaub | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Alle Passagiere kielholen! | |
Auf dem Rückweg von Finnland den ersten Deutschen seit Wochen an Bord eines | |
Fährschiffs zu begegnen, kann einen in die Reling beißen lassen. | |
Die Wahrheit: Herne in Finnland | |
Was den Deutschen ihre Chips, sind den Finnen ihre Erbsen. Anhand der | |
grünen Knabberei lässt sich einiges über die Nordlichter herausfinden. | |
Die Wahrheit: Heimweh nach Hannover | |
Endlich raus der Kakophonie der Großstadt und hinein in die Stille der | |
finnischen Wälder. Was für ein Traum! Wäre da nicht dieser Lärm. |