# taz.de -- Jahrestag Abschuss von Flug MH17: Sein schwerster Fall | |
> Vor zwei Jahren wurde Flug MH17 über der Ukraine abgeschossen. Der | |
> Privatermittler Josef Resch sagt, er wisse, wer die Hintergründe | |
> vertusche. | |
Bild: Was vom Flug MH17 übrigblieb | |
Das ist eine Geschichte über das Reden und über das Schweigen. Es ist die | |
Geschichte eines Profis der Diskretion, den es nun mit Macht in die | |
Öffentlichkeit drängt – weil er etwas Entscheidendes zu wissen glaubt über | |
eines der monströsesten Kriegsverbrechen unserer Zeit. | |
Josef „Sepp“ Resch, 67 Jahre, ist „Deutschlands bekanntester | |
Privatermittler“ (Stern), gelernter Koch, ein kräftiger, großer, jovial | |
auftretender Mann mit erstaunlich kleinen und gepflegten Händen. Resch ist | |
Eigentümer der Firma Wifka in Bad Schwartau bei Lübeck, einer | |
Inkasso-Firma. | |
Er selbst spricht von „Kapitaldienstleistungen: verschwundenes Geld für die | |
rechtmäßigen Besitzer zurückholen“. Ein lukratives Geschäft, mit 20 Proze… | |
Provision auf das zurückgebrachte Schwarzgeld. Zu den Methoden seiner Firma | |
sagt Josef Resch, Gewalt werde nicht angewendet, aber man komme auch nicht | |
mit dem Blumenstrauß. Er hat Spaß an solchen Formulierungen. | |
Im Februar dieses Jahres erschien das autobiografische Buch „Gefahr ist | |
mein Beruf“, in dem Resch dem Hamburger Journalisten Holger Schöttelndreier | |
sein Leben erzählt. Um eine Manuskriptseite aus Josef Reschs Erzählungen zu | |
filtern, habe er Tage gebraucht, sagt Schöttelndreier. „Ich war ja gewohnt, | |
nichts zu sagen“, sagt Josef Resch, als wir uns im April dieses Jahres in | |
einem Lübecker Hotel treffen. | |
## Vom Spitzel zum Detektiv | |
Im Buch wird anschaulich beschrieben, wie der in harten Verhältnissen auf | |
einer Almhütte über dem Tegernsee aufgewachsene Josef Resch zum Ermittler | |
wurde. Als Nachtclubteilhaber in München zieht er für die Polizei fingierte | |
Drogendeals durch: „Ein dreckiger Job“, sagt Josef Resch. | |
Resch ist nicht der erste Privatdetektiv, der seine Karriere als | |
Polizeispitzel beginnt. Schon der Urvater der Branche, der Franzose | |
Francois-Eugen Vidocq (1775–1857), war nach kriminellen Anfängen zum | |
Premiuminformanten der Pariser Polizei aufgestiegen, bevor er 1827 die | |
weltweit erste private Detektivagentur gründete. Vidocq etablierte damit | |
eine Dienstleistung, der globaler Erfolg beschieden sein sollte – in der | |
realen wie in der Welt der populären Mythen. | |
Im deutschen Sprachraum allerdings gibt es keine Entsprechung zu Klassikern | |
wie Sherlock Holmes, Hercule Poirot, Philip Marlowe oder – Micky Maus. „Die | |
Figur ist bei uns schwierig: Die deutsche Autoritätsfixierung hat viel mehr | |
auf eine wohlwollende Polizei gesetzt“, erklärt der Experte für | |
Kriminalliteratur Thomas Wörtche. | |
## Ab an die Ostsee | |
Vielleicht ist man in Deutschland aber auch schlicht realistischer: Denn | |
der reale Privatermittler war nie der edle Ritter, der dort weiterwühlt, wo | |
die Polizei wegschaut. Seine Arbeit funktioniert im Gegenteil in enger | |
Absprache. „Gegen den Staat, die Presse und das Finanzamt gewinnst du | |
nicht“, sagt Josef Resch. | |
Die Ordnungskräfte helfen denn auch ihrem Mitarbeiter Resch: Nach Warnungen | |
Münchner Ermittlerkreise vor Racheanschlägen aus der Drogenszene setzt | |
V-Mann Resch seine Tätigkeit an der weit genug entfernten Ostsee fort. Als | |
es auch dort zu ungemütlich wird, zieht er 1995 nach Italien. Im Dezember | |
2000 kehrt Resch dann an die Ostsee zurück. Zur öffentlichen Figur wird er | |
erst im Jahr 2012. | |
In Travemünde setzt er sich vor eine Kamera, vor ihm 1,5 Millionen Euro in | |
bar. Diese Summe werde von seinen Auftraggebern als Belohnung in Aussicht | |
gestellt für die Person, „die Hinweise dazu gibt, Herrn Florian Homm | |
ausfindig zu machen“. Der schillernde Börsenspekulant Homm ist seit 2007 | |
auf der Flucht vor geprellten Anlegern und US-Behörden. [1][Das Video mit | |
Josef Resch steht am nächsten Tag bei Youtube]. Sein Gesicht ist verpixelt, | |
die Stimme leicht verzerrt. 30 Millionen Euro soll Resch bei Homm | |
eintreiben. | |
## Der Video-„Kopfgeldjäger“ | |
Doch bald wird Resch von den Anwälten seiner Auftraggeber zurückgepfiffen: | |
Ihre Mandanten seien von unbekannten Personen massiv bedroht worden. Josef | |
Resch hat die Provision verloren, aber einen Ruf gewonnen: Für die | |
Öffentlichkeit ist er jetzt der Video-„Kopfgeldjäger“. | |
Diese Methode gefällt nicht allen. Als Josef Resch am 17. September 2014 | |
auf der Webseite seiner Firma eine Belohnung von 30 Millionen Dollar | |
auslobt für Hinweise auf die Verantwortlichen für den Abschuss von Flug | |
MH17 am 17. Juli 2014 über der Ostukraine, beklagt der Vorsitzende des | |
deutschen Detektivverbandes, Karl-Heinz Zönnchen, gegenüber dem | |
Handelsblatt „fehlende Zugangsvoraussetzungen für die Tätigkeit als | |
Privatermittler“. In der Tat kann sich in Deutschland jeder Privatermittler | |
nennen. | |
Ende November 2014 wird die Summe sogar um 17 Millionen Dollar erhöht, | |
diesmal für Hinweise, wer im Fall MH17 Beweise unterdrücke. Die | |
Auftraggeber kenne er nicht, sagt Resch, alles sei über einen Schweizer | |
Mittelsmann gelaufen. | |
Bislang hat Josef Resch wie sein Urvater Vidocq darauf geachtet, „nicht in | |
Ermittlertätigkeiten reinzutappen“. Durch MH17 wird er zum Gegenstand | |
staatlicher Aufmerksamkeit: nicht als Beschuldigter, sondern als Zeuge. | |
Resch sagt, er habe die politische Dimension des Ganzen „etwas | |
unterschätzt“. Aber als die Generalbundesanwaltschaft am 15. März 2016 | |
schwer bewaffnete Polizisten zur Durchsuchung seines Hauses in Bad | |
Schwartau anrücken lässt, um mögliche Beweise in den MH17-Ermittlungen | |
wegen eines Kriegsverbrechens sicherzustellen, da sagt er ihnen auch: | |
„Warum seid ihr nicht schon früher gekommen?“ | |
## Wie sehr wird gelogen? | |
In der Tat hat sich die Bundesanwaltschaft – der Durchsuchungsbeschluss | |
datiert auf den 18. Februar 2016 – eine Menge Zeit gelassen, nur um dann um | |
so einschüchternder aufzutreten. Denn schon im Juni 2015 hatte Josef Resch | |
gegenüber der Zeitschrift Capital zum Fall MH17 Klartext gesprochen: | |
„Unsere Auftraggeber haben die Informationen bekommen, die sie erhalten | |
wollten. Mein Auftrag ist damit erledigt.“ | |
In seinem Buch legte Resch noch einen drauf: Dort beschreibt er die | |
abenteuerliche Szene, wie er und zwei seiner Mitarbeiter das Gespräch in | |
seinem Privathaus zwischen dem entscheidenden Informanten und dem die | |
Auftraggeber vertretenden Mittelsmann heimlich belauschen: „In unseren | |
Ohren klang das sehr schlüssig und bestätigte unseren Verdacht. Alles | |
passte zusammen.“ | |
Seitdem, sagt Josef Resch, weiß er, wer die Aufklärung von MH17 | |
hintertreibt. Er spricht darüber, sagt aber nichts Konkretes. Sein Ziel | |
sei vor allem eines: Er selbst, seine Familie und seine Mitarbeiter seien | |
sicher, solange den Auftraggebern seiner MH17-Ermittlung klar sei, dass er | |
nichts sage. Andererseits ziehe ihn die Neugierde mit seinem Wissen in die | |
Öffentlichkeit. Er will wissen: Wie sehr wird gelogen? | |
Treibt der ehemalige V-Mann also ein Spiel mit ebendem Staat, mit dem er | |
früher kooperierte? Oder wird er gespielt? Ist der Grund für sein | |
Schlingern zwischen Reden und Schweigen banale Publicity? Oder will er die | |
Behörden auf Trab bringen zur Aufklärung einer menschlichen Tragödie, die | |
ihn aufwühlt? | |
## Die Polemik um MH17 | |
In jedem Fall ist er Teil im Kampf um die Diskurshoheit im Fall MH17. Seine | |
Einlassungen zum Bürgerkrieg in der Ukraine sind meinungsstark: „Der | |
menschenverachtende Abschuss von MH17 spielte der antirussischen Hetze | |
perfekt in die Karten.“ | |
An einer anderen Stelle hält Resch neutral fest: „Es gab“ – und gibt – | |
„keinen Beweis, weder für die eine noch für die andere Seite.“ Also weder | |
für die ukrainisch-westliche, die die Separatisten im Donbass mit | |
russischer Hilfe für den Abschuss verantwortlich macht, noch für die | |
separatistisch-russische Seite, die die Regierung in Kiew anklagt. | |
Fred Wanderbeke, der niederländische Chefermittler im Fall MH17, hat | |
kürzlich Ergebnisse über den Abschussort der tödlichen Bug-Rakete „nach dem | |
Sommer“ versprochen. Nach einem Treffen mit den Angehörigen der 298 Opfer | |
äußerten diese Vertrauen in die Behörden und Verständnis für die | |
Komplexität der Untersuchung. | |
Schon jetzt aber ist absehbar, dass mit dem Abschussort die Polemik um MH17 | |
nicht enden wird. Nicht zuletzt deswegen, weil zur Aufklärung Russland und | |
die USA alle relevanten Informationen auf den Tisch legen müssten: zwei | |
Mächte, die gerade gewaltig mit gegenseitigem Säbelrasseln beschäftigt sind | |
und die von Guantánamo bis Aleppo zeigen, dass die Menschenrechte für sie | |
nur eine variable Größe sind. | |
Eines wäre jedenfalls schade: Wenn das brodelnde MH17-Drama den Blick auf | |
Josef Reschs intensive Lebensgeschichte verstellen würde. Die nämlich | |
liefert eine Art Untergrundversion der BRD, von der man sonst nur aus | |
dritter Hand erfährt. | |
17 Jul 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=B_sHfqW6xds | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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