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# taz.de -- Pikachu über „Pokémon Go“: „Die Botschaft ist Liebe!“
> Eine App verschafft den Pokémon ein Revival. Ihr größter Promi Pikachu
> freut sich darüber. Berichte über Diebstähle sieht er gelassen.
Bild: „Sie teilen für einige Momente den Horizont miteinander. Auf diesem Bo…
taz.am wochenende: Pikachu, Sie sind derzeit sehr gefragt. „Pokémon Go“
spielende Menschen laufen durch die Straßen, ein Handy vor dem Gesicht, und
suchen Sie und Ihre Freunde – Schiggy, Taubsi oder Traumato. Wie ist das,
nach Jahren zu merken: Die Leute lieben einen noch?
Pikachu: Es ist, als bekäme ich einen zweiten Lohn – für eine Anstellung,
die ich vor zwanzig Jahre hatte. Im Grunde habe ich damals schon alles
erreicht: Ich war auf dem Flugzeug einer japanischen Airline abgebildet. In
Tokio hat man mir Einkaufshäuser gewidmet.
Haben Sie das Rampenlicht vermisst?
Ganz und gar nicht! Ich liebe die Freiheit, das ist Kennern meines Werks
bekannt. Ich hasse es, eingesperrt zu sein, und Berühmtheit ist ein
goldener Käfig, aus dem es kein Entrinnen gibt – außer dem völligen
Rückzug. Aber es geht hier nicht um mein persönliches Wohl. Wissen Sie, es
gibt zwei Sorten von Wesen: die selbstbezogenen und die virtuellen, also
die tugendhaften – man denke nur an das Lateinische virtus, Tugend. Ich bin
nun einmal virtuell, und so kann ich mich der gesellschaftlichen Aufgabe,
die man nun an mich herangetragen hat, nicht verweigern.
Sie meinen Ihre Aufgabe als Gesundheitsbotschafter? Junge Leute entdecken
ja nun den Spaziergang für sich. Sie suchen Pokémons – zu Fuß.
Das ist ein hübscher Nebeneffekt, aber meine eigentliche Aufgabe ist
größer; sie besteht darin, die Menschen zusammenzubringen, auf den Straßen
und in den Parks, ihnen den Weg zueinander zu weisen. Liebe! Darin liegt
doch der Sinn unseres Seins. Es wäre tragisch, wenn ich die Gelegenheit
verstreichen ließe, ihr Botschafter sein.
Menschen starren, wenn sie Pokémon Go spielen, auf ihre Handy-Displays,
jeder für sich allein. Wie soll da denn Liebe entstehen?
Wenn zwei Menschen ohne Smartphones auf der Straße aneinander vorbeigehen,
verlieben sie sich prompt ineinander? Sie sind ja süß! Nein, nein, erst ein
geteilter Erfahrungs- und Erlebnishorizont sorgt doch dafür, dass
Individuen aufeinander aufmerksam werden. Das Sichtfeld des Handynutzers
mag, technisch gesehen, beschränkt sein. Aber die Begrenzung öffnet eine
Pforte zum Miteinander. Einer meiner Fans berichtete soeben, er sei von
einem anderen Fan angesprochen worden, als sie in einer abgeschiedenen Ecke
des Trottoirs gleichzeitig ein Wesen wie mich zu erhaschen suchten. Sie
teilten für einige Momente den Horizont miteinander. Auf diesem Boden kann
Liebe entstehen und gedeihen.
Man hört auch davon, dass „Pokémon Go“-Spieler in abgelegenen Gegenden
ausgeraubt werden. Die Gefahr, Kommerz und Habgier zu befördern, ist Ihnen
bewusst?
Ach, hier blasen die Medien doch Einzelfälle auf. Ein Mensch wurde
bestohlen. Einer! Einer brach sich das Bein, weil er nicht auf den Weg
achtete. Ein US-Soldat fing einen Pokémon an der Front in Mossul. Ein
Holocaust-Museum möchte nicht, dass Menschen dort spielen. Ich kenne all
diese Geschichten. Aber das sind doch …
… Menschen fangen Pokémons im Holocaust-Museum? Ernsthaft?
… das sind doch Randaspekte. Millionen Menschen in aller Welt lieben das
Spiel. Die Botschaft ist Liebe!
Zugegeben, uns erstaunt, dass Sie so offen reden. In der Öffentlichkeit
gaben Sie sich ja bislang zurückhaltend, meist sagten Sie wenig mehr als
„Pikachu“, Ihren Namen. Die Folge eines jugendlich-unsicheren Narzissmus?
Ich mag meinen Namen, und es gehörte seinerzeit zur Markenbildung, ihn
immer wieder zu sagen. Aber natürlich haben Sie einen Punkt, ganz uneitel
war das nicht. Im Nachhinein weiß ich, dass mich der Erfolg damals
verunsichert hat, in den schlimmsten Zeiten wuchs sich mein Erfolgshunger
förmlich zur Sucht aus. War ich anfangs einfach stolz darauf, erkannt zu
werden, wurde ich später sauer, wenn auf den Straßen nicht mehr regelmäßig
„Pikachu“ geflüstert wurde. Als mich das Gefühl packte, nur noch zu
existieren, wenn ich wahrgenommen wurde, wusste ich: Etwas muss sich
ändern.
Was haben Sie getan?
Der Ruhm hatte mich von innen ausgehöhlt, wie eine Mehlmotte. Ich begab
mich in Therapie; mehrere Jahre verbrachte ich in einer Anstalt, es war
eine harte Zeit, allerdings eine, aus der ich gestärkt hervorgegangen bin,
geheilt von den Flausen der ersten Karriere, und nun bin ich hier und
möchte den Menschen ein guter Diener sein.
Haben Sie keine Sorge, dass der neuerliche Ruhm Ihnen schaden könnte?
„Pokémon Go“ wird bei Google in diesen Tagen häufiger gesucht als „Sex�…
Sie sind größer als Porno, Pikachu!
Gute Frage. Berechtigte Frage. Aber versuchen Sie, diesen Umstand aus einem
anderen Blickwinkel zu sehen, stellen Sie den Pokémon auf den Kopf! Lautet
die Frage dann nicht eher: Wenn das Spiel größer ist als Porno – ist der
Porno dann noch, was er war? Wissen Sie, ich habe gelernt, alles in
Relation zu sehen. Wenn die „Pokémon Go“-App ausführlicher genutzt wird a…
WhatsApp, Instagram und Snapchat – liegt das dann an mir? Vielleicht liegt
es auch an der Schwäche der Konkurrenz. Diese Sichtweise erdet.
Sie sind gereift, Pikachu. Ein Wort noch zum Weltfrieden?
Seid lieb zueinander, Leute. Spielt Pokémon Go. Jetzt auch in den deutschen
App-Stores verfügbar. Aber lauft dabei nicht vor ein Auto.
17 Jul 2016
## AUTOREN
Klaus Raab
Annabelle Seubert
## TAGS
Pokémon Go
Liebe
Pokemon
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