# taz.de -- Ostdeutsche Braunkohle und Vattenfall: Stockholm genehmigt Verkauf | |
> Vattenfall darf die deutsche Braunkohlesparte an die tschechische EPH | |
> verkaufen. Greenpeace übt heftige Kritik an der Entscheidung. | |
Bild: Noch Vattenfall, bald EPH – der Tagebau Welzow | |
STOCKHOLM taz | Schwedens rot-grüne Regierung hat den Verkauf der deutschen | |
Braunkohlesparte des Staatskonzerns Vattenfall an die tschechische | |
„Energetický a průmyslový holding“ (EPH) genehmigt. Der Kauf der Braunko… | |
sei von Anfang an eine fehlerhafte Entscheidung gewesen, erklärte der | |
sozialdemokratische Wirtschaftsminister Michael Damberg. Sich nun von | |
dieser verlustbringenden Belastung wieder zu trennen, werde es Vattenfall | |
ermöglichen, sich auf seine Hauptaufgabe zu konzentrieren, nämlich „die | |
Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Energieproduktion voranzutreiben“. | |
Verpackt wurde der Beschluss in ein Paket mit der Initiative zu einer | |
„neuen Klimaanstrengung“: Konkret will Schweden im Rahmen des | |
EU-Emissionshandels bis 2040 jährlich Verschmutzungsrechte für 30 Millionen | |
Euro kaufen und annulieren. Laut der grünen Klimaministerin Isabella Lövin | |
hofft man, dass andere Länder diesem Beispiel folgen und damit der Preis | |
dieser Emissionszertifikate deutlich steigen werde. | |
Für die Bekanntgabe dieser laut taz-Informationen seit Wochen feststehenden | |
Entscheidung hatten Damberg und Lövin einen ungewöhnlichen Zeitpunkt | |
gewählt: Eine Pressekonferenz an einem Samstagvormittag, zu der ganz | |
kurzfristig erst zwei Stunden zuvor eingeladen worden war. Man wollte einen | |
Beschluss, auf den man selbst nicht stolz ist und der „ein Verrat an | |
künftigen Generationen“ bedeute, wohl bestmöglichst verstecken, | |
kommentierte Johan Sjöstedt, Vorsitzender der oppositionellen Linkspartei. | |
Grundsätzlich hatte sich die rot-grüne Regierung bereits im Herbst letzten | |
Jahres auf einen Verkauf geeinigt und darauf, dass der Käufer, den | |
Vattenfall präsentieren würde auch den Zuschlag erhalten sollte: Gleich wer | |
dieser sein würde und ohne Rücksicht auf die finanziellen Details und | |
klimapolitischen Auswirkungen. Den Beschluss, der in der Konsquenz bedeuten | |
könnte, dass in den kommenden Jahren über die deutsche | |
Braunkohleverstromung das 24-fache des jährlichen schwedischen | |
CO2-Ausstosses die Atmosphäre zusätzlich weiter aufheizen kann, wurde etwa | |
gleichzeitig getroffen, als Ministerpräsident Stefan Löfven eine | |
Regierungserklärung abgab, in der er betonte: „Schritt für Schritt steigern | |
wir die Ambitionen der Klimapolitik. Wir setzen uns an die Spitze der | |
Klimaarbeit. Das ist unser gemeinsames Zukunftsprojekt.“ | |
## Appelle ignoriert | |
Stockholm geriet wegen dieser Doppelzüngigkeit in den letzten Monaten | |
massiv in die internationale Kritik. Eine Reihe von Klimaforschern, | |
darunter Hans-Joachim Schellnhuber, Direktor des „Potsdam-Instituts für | |
Klimafolgenforschung“, hielten der schwedischen Regierung vor, der gedachte | |
Käufer plane eine Expansion der klimaschädlichen Kohleverstromung und ihn | |
zu akzeptieren untergrabe deshalb die Verpflichtungen, die Schweden in | |
Paris übernommen habe. Zuletzt hatten Felipe Calderón, Mexikos Ex-Präsident | |
und Vorsitzender der „Global Commission on the Economy and Climate“, der | |
ehemalige US-Vizepräsident Al Gore und Sharan Burrow, Vorsitzende des | |
weltgrössten Gewerkschafts-dachverbands ITUC an die rot-grüne Regierung | |
appelliert, den Braunkohleverkauf abzulehnen und zusammen mit Deutschland | |
zu einer sozial- und klimaverträglichen Abwicklung zu kommen. | |
Johan Rockström, Umweltprofessor und Klimaratgeber der schwedischen | |
Regierung hoffte vorab, „dass Schwedens Regierung und Reichstag diesen | |
Wahnsinn stoppen.“ Nach der Entscheidung am Samstag sprach er von einem | |
„düsteren Tag“ und einen „zynischen Beschluss“ der Regierung: Der neue | |
Eigentümer EPH sei „unseriös“, von der angekündigten Initiative zum | |
Emissionshandel befürchtet er „so gut wie keinen Effekt“. Annika Jacobson, | |
Chefin von Greenpeace-Schweden sprach von einem „totalen politischen | |
Fiasko“ und einem Beschluss, der „ein Bruch des Pariser Klimaabkommen sei | |
und dieses unterminieren könne“. | |
Stockholm stellt sich mit seinem Ja zum Vattenfall-Deal auch gegen die | |
Meinung einer Bevölkerungsmehrheit. 49 Prozent der sozialdemokratischen und | |
87 Prozent der Wähler der grünen „Miljöpartiet“ wollten, dass die Regier… | |
Nein zum Verkauf sagt. Auch bei den konservativ-liberalen Wählern gibt es | |
eine deutliche Mehrheit gegen die Verkaufspläne. Insgesamt ist nur eine | |
Minderheit von 27 Prozent der Schweden dafür, dass Vattenfall sich nun aus | |
der Verantwortung für das vor 15 Jahren erworbene deutsche | |
Braunkohlegeschäft stiehlt. | |
2 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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