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# taz.de -- Prozess gegen Gina-Lisa Lohfink: Aussage gegen Aussage
> Die Verteidigung stellt einen Befangenheitsantrag, Zeugen werden
> vernommen. Worüber genau verhandelt wird, wird allerdings immer unklarer.
Bild: Gina-Lisa Lohfink vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten am Montagmorgen
Berlin taz | Als Gina-Lisa Lohfink am Montagmorgen das Gerichtsgebäude
betritt, stehen Mitarbeiterinnen der Justiz neugierig an der Treppe und
begutachten ihren Körper, der vom Blitzlicht erfasst wird. „Boah, ist die
dünn, voll viel Botox.“ Egal was heute noch passiert, all das ist nicht gut
gelaufen. Für niemanden. Für zwei Männer, die jetzt immer die Vergewaltiger
von Gina-Lisa Lohfink sein werden, für die Frau, die jetzt immer als
öffentlichkeitssüchtige Lügnerin dastehen wird. Oder eben als Opfer einer
Vergewaltigung mit Tausenden Zuschauern.
Deswegen die ganzen Kameras, die Proteste von Feministinnen vor der Tür. Es
wird eine Debatte darüber geführt, wann eine Vergewaltigung beginnt, ob man
einer Frau glauben kann, die beruflich ein Objekt ist. Nur leider wird es
auch heute darauf keine Antwort geben.
„Du bist nicht allein!“, rufen Frauen vor dem Verhandlungssaal der
Angeklagten zu. „Ich bin froh, dass die Politik nun aufgewacht ist und mir
helfen will. Vorher kannten die mich wahrscheinlich gar nicht“, sagt
Gina-Lisa Lohfink in die Mikrofone und meint die Ankündigung des
Justizministers, die Koalition habe sich nun auf eine Verschärfung des
Sexualstrafrechts geeinigt.
## Vorwürfe gegen Gerichtssprecherin
Die Verhandlung beginnt angemessen aufregend mit einem Befangenheitsantrag
der Verteidigung gegen Richterin Antje Ebner. Außerdem wird der
Gerichtssprecherin Lisa Jani vorgeworfen, sie habe nicht nur Details aus
der Verhandlung an die Presse weitergegeben, sondern auch Vermutungen
ausgesprochen, die Störer, die Lohfink beim letzten Verhandlungstermin als
Hure beschimpft hatten, könnten inszeniert gewesen sein.
Nicht mal darüber, worum es in diesem Verfahren eigentlich geht, sind sich
beide Seiten einig: Die Verteidigung behauptet im Vorfeld, man verhandle,
ob ihre Mandantin fälschlicherweise ausgesagt hat, dass ihr K.-o.-Tropfen
zugeführt wurden. Die Staatsanwaltschaft sagt, es gehe darum, ob Lohfink
fälschlicherweise eine Vergewaltigung angezeigt hat. In der Verhandlung
geht es dann hauptsächlich darum, wie die Videos entstanden sind.
Eine Meinung hat im Zuschauerraum jeder. Vor dem Saal röhrt ein Mann, dass
das Video ein geiler Porno sei, eine Frau mit einem Scherentattoo sagt in
eine der vielen Kameras: „Ihr könnt uns nicht benutzen wie ein
Kleenextuch.“
Es gibt ein Amateurporno mit Gina-Lisa von 2008. Die taz schrieb damals,
dass es Lohfink beruflichen Erfolg beschert habe. Lohfinks Anwälte
schrieben dagegen eine Abmahnung, man habe das Video gegen ihren Willen
veröffentlicht. Was man weiß: Es war das Video, das ihren Ruf zerstörte.
Und man weiß, dass es bei den zweiten Videos von 2012 anders war, weil
Menschen, die es sahen, eine Vergewaltigung anzeigen wollten.
Die Sprecherin des Gerichts sagt, sie habe sich das Video angesehen. Sie
sagt, es sei abstoßend, wie Lohfink darin als Sexobjekt benutzt werde.
Aber darum geht es hier gar nicht. Das ist nicht mal strafbar.
## Zeuge verstrickt sich in Widersprüche
Die beiden ehemals Beschuldigten haben sich zu den Vorwürfen der
Vergewaltigung nie geäußert. Sebastian C. verweigert die Aussage. Der
andere, Pardis F., sagt als Zeuge aus, man teilt sich die Anwaltskanzlei.
Am Anfang fällt ihm der Vorname des ehemals Mitangeklagten nicht ein, am
Ende der Aussage muss er zugeben, dass er öfter bei ihm in der Wohnung war
als zunächst angegeben.
Der 28-jährige Fußballer Pardis F. will zunächst nicht zugeben, ob er
selbst gefilmt hat. Er verstrickt sich immer wieder in Widersprüchlichen,
lächelt, wenn er bei einer Unwahrheit ertappt wird. Er sagt, er wolle nicht
Teil dieser Medieninszenierung sein. Er wolle mit diesem Milieu nichts zu
tun haben. Er spricht sanfter, leiser als auf dem Gang mit seinem Anwalt.
Dementiert allerdings fast alle Aussagen von Lohfink. Die Richterin hat
kaum Nachfragen. „Dann bin ich runter von ihr“, beschreibt er einmal den
Ablauf. Ob ihm die Stimme gehöre, die auf dem Video hörbar sei, die sage:
„Fick die alte Schlampe, Bruder“, will die Verteidigung wissen. „Nein“,
sagt F.
Er beteuert, dass er das Opfer hier sei. Seiner Karriere sei schwer
geschadet, weil er jetzt überall als Pornodarsteller gelte. Dann gibt er
an, die Videos selbst an ein paar Freunde geschickt zu haben. „Sie hat
bekommen, was sie wollte, sie war in der Presse.“ Lohfink schüttelt den
Kopf, weint, fummelt an ihrer Handtasche. Ihre Verteidiger sind aggressiv.
Einer deutet an, dass es Prostituierte gebe, die aussagen könnten, dass der
Zeuge und der andere Mann aus den Videos nicht das erste Mal gemeinsamen
Sex in seiner Wohnung gehabt hätten, und streicht mit dem Zeigefinger den
Bildschirm seines Laptops sauber. Der Zeuge dementiert.
„Frau Lohfink, brauchen Sie ein Taschentuch?“, fragt die Richterin. „Dank…
wir haben vorgesorgt“, sagt die Verteidigung.
## Es geht nur noch um die Videos
Mittagspause. Nun ist Lohfinks ehemalige Managerin als Zeugin geladen. Sie
erzählt die Geschichte, wie sich Lohfink und die beiden ehemals
Beschuldigten kennengelernt haben, ganz anders. Ausführlicher. Sinnvoller.
Aber es steht Aussage gegen Aussage. Alle reden weniger darüber, ob es eine
Vergewaltigung war, ob Gina-Lisa wirklich eine falsche Anschuldigung
gemacht hat oder wirklich Opfer einer Straftat geworden ist oder das
zumindest glaubt. Vielmehr wird über die Entstehung der Videos gesprochen
und wie sie in Umlauf gekommen sind.
Die Gerichtssprecherin Lisa Jani sagt, es werde an diesem Tag mit
Sicherheit kein Urteil mehr geben. Erst müsse das Schöffengericht über den
Befangenheitsantrag entscheiden. Die Verteidigung verlässt bei
Redaktionsschluss den Gerichtssaal ohne offizielle Entlassung, weil die
Richterin die Öffentlichkeit bei der Sichtung der Videos nicht ausschließen
will.
Die Justizmitarbeiter stehen am Rand. Lohfink habe das ja nur gesagt, damit
alle über sie schreiben, sagt eine Frau.
Urteile sind längst gesprochen.
27 Jun 2016
## AUTOREN
Laura Ewert
## TAGS
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Feminismus
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Sexualstrafrecht
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