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# taz.de -- Gemüse mit Schönheitsfehlern: Krumme Geschäfte
> Muss Gemüse perfekt sein? Nein, findet die Münchner Firma Etepetete. Sie
> vertreibt nicht marktkonformes Biogemüse in Ökokisten.
Bild: Dem Möhrenkuchen ist die Form der Rübe auf jeden Fall egal
Berlin taz | Krumme Gurken, Karotten mit drei Enden oder Zucchini
mit Hagelschaden – keine Produkte erster Klasse, aber die
Kundschaft steht drauf. Zumindest die von Etepetete, einem Münchner
Start-up, das mit dem Kampf gegen Lebensmittelverschwendung Geld
verdienen will. „Es geht uns stark um die Wertschätzung von nicht
perfektem Gemüse“, sagt Georg Lindermair, Mitgründer von
Etepetete. Seit fast einem Jahr verkauft die GmbH übers Internet
Biogemüse, das anderswo auf dem Feld liegen geblieben oder an Tiere
verfüttert worden wäre. Die Firma habe inzwischen 25 Mitarbeiter und einige
Tausend Kund*innen.
Zwischen 30 und 40 Prozent des Biogemüses würden nicht verkauft, weil
sie den Ansprüchen des Markts nicht entsprechen, schätzt Lindermair.
Das will er ändern. Seine 5-Kilo-Kiste kostet im Abo knapp 20 Euro und
ist damit kaum billiger als die Abos von „normalen“ Ökokisten. Anders
als andere Ketten – wie etwa die Bio Company –, die Obst und Gemüse
mit Schönheitsfehlern deutlich günstiger verkaufen, setzt Etepete
darauf, dass ihre Kundschaft die neue Idee schätzt – und das Gefühl,
durch die Rettung von Lebensmitteln etwas Gutes zu tun.
Wie viel Biogemüse nicht verkauft wird, weil es krumm oder beschädigt
ist, hängt stark vom jeweiligen Produkt und auch von den
Witterungsbedingungen ab. Beispielsweise Mangold sei generell eine
schwierige Kultur, sagt Lydia Hecht, Betriebsleiterin beim
Etepetete-Zulieferer Biogemüsebau Wiethaler aus dem
bayrischen Stallwang. „Wenn der Hase da das Herz herausfrisst, ist es
auch für Etepetete nichts mehr.“ Aber Chinakohl, der mal unter-, mal
übergewichtig sein könne, der lasse sich auf diesem Wege noch
verkaufen.
Wiethaler wäre letztes Jahr ohne Etepetete auf vier Tonnen
Biozucchini und sechs Tonnen schwarzem Biorettich sitzen geblieben,
sagt Hecht.
## Schwieriger Start
Die Anfangsphase sei für das Start-up nicht einfach gewesen, berichtet
Lindermair. „Wenn man sagt, wir sind drei junge Kerle, und die Firma heißt
Etepetete, dann muss man sich erst mal eine gewisse Ernsthaftigkeit
erarbeiten. Das hat ein wenig gedauert.“ Mit dem Abomodell habe das gar
nicht so viel zu tun, viel mehr mit Abläufen, die sich dann einspielten. Ab
dem Zeitpunkt, zu dem die Zuliefer*innen sahen, dass kontinuierlich Ware
abgenommen wurde, wuchs das Vertrauen in die Jungunternehmer.
Die Idee für ein Geschäft mit krummem Gemüse stand, nur ein eigenes Bild
wollte man sich noch machen. Also fuhr Lindermair, selbst
ausgebildeter Kaufmann, mit seinem alten Schulfreund und
Etepetete-Mitgründer Carsten Wille aufs Land. Als die beiden selbst
sahen, wie einige Tonnen Gemüse wegen äußerer Fehler nicht
vermarktungsfähig waren, wurde ihnen schnell klar: So falsch kann die
eigene Idee gar nicht sein. Letztlich hat die Zusammenarbeit mit
Eteptete für die Zulieferbetriebe auch wirtschaftlich Sinn: „Wir
bauen ja keine Zucchini an, um damit anschließend den Boden zu
düngen“, sagt Hecht vom Biogemüsebau Wiethaler.
## Von den Gemüsekisten lernen
Marc Schmitt-Weigand, Vorstand des Vereins Ökokiste, in dem sich rund 40
Anbieter zu einer Marke zusammengeschlossen haben, findet es
„prinzipiell total cool“ was der neue Wettbewerber Etepetete macht.
Es sei eine wichtige Sache, die die Jungunternehmer in die
Öffentlichkeit brächten. Die Frage ist für ihn aber, ob sich auf der
Idee Etepetetes ein dauerhaft tragfähiges Geschäftsmodell
aufbauen lässt. Denn letzten Endes müsse man genug Kund*innen finden,
die sich auch langfristig auf das nicht perfekte Gemüse einlassen.
Ein Problem könnte sein, dass die Kunden nicht genau bestimmen können,
wie viel sie von welchem Produkt geliefert bekommen. „Früher, vor etwa
20 bis 25 Jahren, ist die Ökokiste auch mal so gestartet.“ Inzwischen
habe man das Angebot angeglichen.
Die Leute wollen regionale Produkte, aber wenn sie im Winter
viermal hintereinander Kohl und Kartoffeln bekommen, wollen sie
nach einer Zeit auch wieder andere Sachen“, gibt Lindermair zu.
3 Jul 2016
## AUTOREN
Daniel Koßmann
## TAGS
Lebensmittelverschwendung
Gemüseanbau
Konsumverhalten
Einkaufszentrum
Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
Fairteiler
Konsum
Lebensmittel
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