# taz.de -- Kommentar Doping-Sperre für Russland: Unglaubwürdige Saubermänner | |
> Der Ausschluss russischer Sportler mag richtig sein, aber wird hier nicht | |
> mit zweierlei Maß gemessen? Anderswo ist die Dopingbekämpfung ähnlich | |
> lächerlich. | |
Bild: Der russische Geher Sergey Kirdyapkin während des 50-Kilometer-Wettbewer… | |
Wie es aussieht, werden russische Leichtathleten nicht antreten dürfen bei | |
den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro. Der Internationale | |
Leichtathletik-Verband IAAF hat am Freitagabend die Sperre des russischen | |
Verbandes verlängert. Es ist ein Paukenschlag in der Arena des Sports, ein | |
Präzedenzfall ist es freilich nicht, denn bereits im Herbst des vergangenen | |
Jahres wurde der bulgarische Gewichtheberverband von den Spielen | |
ausgeschlossen, nachdem elf Heber aus dem Balkanstaat innerhalb kurzer Zeit | |
positiv auf Dopingmittel getestet worden waren. | |
Dass die Suspendierung der Russen jetzt ungleich mehr Aufmerksamkeit | |
erregt, hat mit dem Anspruch der Russen zu tun, am großen Rad der | |
Geopolitik zu drehen. Sie haben den Sport wiederentdeckt als ein Mittel der | |
strategischen Auseinandersetzung und entsprechende Maßnahmen ergriffen, | |
damit die Botschafter im Trainingsanzug als Sieger nach Russland | |
zurückkehren. Doping gehörte dazu, aber auch dreiste Versuche der | |
Vertuschung, wie sie wohl im Dopingkontrolllabor bei den Winterspielen 2014 | |
in Sotschi stattgefunden haben. Während über letzteren Coup des | |
Geheimdienstes FSB ein abtrünniger Funktionär berichtete, sind Dutzende | |
Dopingfälle in den vergangenen Jahren belegt, ebenso wie Vergehen von | |
verantwortlichen Leichtathletiktrainern und Funktionären. | |
Journalisten aus dem Westen und später auch die Welt-Antidopingagentur | |
Wada, deren Sitz in Kanada ist, haben nachgewiesen, dass es im großen Reich | |
des Wladimir Putin und seines Sportministers Witali Mutko zumindest in der | |
Leichtathletik so etwas wie Staatsdoping gibt: ein System der gesteuerten | |
Planung und Durchführung des Betrugs. So etwas hat es zuletzt in den | |
Staaten des Ostblocks vor 1989 gegeben. | |
An diese unheilvolle Zeit scheint der russische Sport anzuknüpfen, dennoch | |
ist der Ausschluss der Leichtathleten problematisch, weil er saubere | |
Athleten – ja, auch die mag es in Russland geben – in Geiselhaft nimmt. Sie | |
müssen büßen für die Maßlosigkeit und Skrupellosigkeit anderer. Das | |
Sportrecht, das mitunter ein sehr grobschlächtiges Recht ist, lässt so | |
etwas zu. Es lässt auch zu, dass der Sportler im Fall eines Dopingbefundes | |
seine Unschuld beweisen muss. Es herrscht die Umkehr der Beweislast. Im | |
Strafrecht wäre so etwas nicht möglich. | |
Russische Leichtathleten werden nun kollektiv bestraft. Zur Anwendung kommt | |
keine wirklich liberale Rechtsnorm. Hier wird pauschal geurteilt. Aber der | |
russische Verband hat es sich selbst zuzuschreiben. Wenn man sich allein | |
die Sparte der russischen Geher anschaut, dann darf man den | |
Dopingmissbrauch für eine fest verwurzelte Tradition im russischen | |
Ausdauersport halten. Es wurde getrickst und die Öffentlichkeit für dumm | |
verkauft – nicht nur die des Westens. Auch die Russen sollten sich betrogen | |
fühlen, doch an der Moskwa blühen derzeit fast nur Verschwörungstheorien. | |
Der Ausschluss der russischen Leichtathleten mag notwendig sein, er wirkt | |
aber nur dann glaubwürdig, wenn ihm andere Schritte folgen. In vielen | |
Ländern, genannt seien nur Kenia oder Jamaika, ist das Niveau der | |
Dopingbekämpfung lächerlich. Athleten dutzender Staaten erscheinen gar | |
nicht erst auf dem Radar der Fahnder, andere wissen mit Knowhow und Chuzpe | |
den Kontrollen zu entgehen. Wenn sich jetzt die Leute der IAAF und der Wada | |
als Saubermänner feiern lassen, die die bösen Triebe des Sports ausmerzen, | |
dann sollte man genau hinschauen, ob sie bei anderen Verbänden und Nationen | |
mit gleicher Elle messen. | |
18 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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