# taz.de -- Neue Regeln für die Jagd: Gänseballern im Weltnaturerbe | |
> Niedersachsens neue Jagdschutzverordnung erlaubt die Jagd auf Gänse im | |
> Naturschutzgebiet. Naturschützer und Jäger sind sich einig, dass das | |
> Unfug ist. | |
Bild: Beute gemacht: Niedersachsen Jäger wollen jagen und zwar auch in Natursc… | |
LEER taz | Er hatte es versprochen! Auf einem Treffen mit Naturschützern | |
hatte der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) | |
versprochen, sich für ein grundsätzliches Jagdverbot in den | |
Vogelschutzgebieten und im Weltnaturerbe Nationalpark Wattenmeer an der | |
niedersächsischen Küste einzusetzen, wo Graugänse und Kanadagänse in | |
eingeschränkten Zeitzonen gejagt werden durften. Die neue | |
Jagdschutzverordnung des Ministers aber sagt: Es darf weiter geschossen | |
werden – auch in streng geschützten Regionen. | |
Diese sogenannte Intervalljagd ist neu in der Verordnung verankert worden. | |
Demnach dürfen bis zum 30. November jedes Jahres in zweiwöchigem Rhythmus | |
in wechselnden Teilgebieten der Vogelschutzgebiete Graugans und Kanadagans | |
geschossen werden. Außerhalb von Schutzgebieten ist die Jagd auf Wildgänse | |
bis zum 15. Januar ohnehin erlaubt. Naturschützer und Jäger sind sich einig | |
– wenn auch aus verschiedenen Gründen: Die Intervalljagd ist Unfug. | |
„Das ist doch völlig wahnsinnig“, erregt sich Johann Beuke, | |
stellvertretender Vorsitzender des ökologischen Jagdvereins (ÖJV). „Als | |
normaler Mensch darfst du beispielsweise das Vogelschutzgebiet im Petkumer | |
Deichvorland bei Emden gar nicht betreten. Aber Jäger dürfen dort Gänse | |
abballern. Unglaublich.“ Eleganter formuliert Helmut Damann-Tamke, in der | |
CDU-Landtagsfraktion Fachsprecher für Landwirtschaft und Vorsitzender der | |
niedersächsischen Landesjägerschaft, seine Kritik an der neuen | |
Jagdschutzverordnung: „Wir müssen dort immer jagen, um die Bauern zu | |
entlasten.“ | |
Aktenkundige Ursache des Konfliktes zwischen Naturschützern, Politikern und | |
Jägern sind Wildgänse. Die folgen seit Jahrhunderten ihrem Zugtrieb auf | |
einer Route über Norddeutschland hinweg. Deswegen wurde die Küste auch als | |
Weltnaturerbe ausgezeichnet. In den Wintermonaten fressen sich die Zugvögel | |
aus arktischen Regionen im Wattenmeer und in den anliegenden Küstenregionen | |
Fettreserven für ihre anstrengende Reise an. Das Wattenmeer, die Ästuare | |
und die Küstenregion bieten ihnen dafür reichlich kalte Büffets. | |
## Allianz gegen Gänse | |
Heute locken auch zunehmend gut gedüngte Weiden die Gänse an, denn die | |
mögen fette, nährstoffreiche Weiden. Und darum mögen Bauern keine Gänse, | |
weil die Landwirte das Gras brauchen, um ihre im Stall gehaltenen | |
Hochleistungskühe für die stetig steigende Milchproduktion zu päppeln. „Die | |
Gänse sind unser Übel“, wird der FDP-Politiker und Bauer Arnold Veenema aus | |
dem Rheiderland nicht müde zu erklären. „Landwirte, Grundbesitzer, | |
Jagdpächter und Jäger haben sich zu einer Allianz zusammengeschlossen. | |
Gegen die hat Minister Meyer keine Chance“, sagt Beuke. Die Jagd bringt den | |
Bauern außerdem zusätzliches Geld, denn sie können ihre Flächen zum | |
Schießen verpachten. | |
Landwirtschaftsminister Meyer argumentiert so: „Durch die Intervalljagd | |
kommen die Gänse in Teilgebieten der Schutzgebiete zur Ruhe, das reduziert | |
den Abfraß auf Weideflächen.“ Biologe Helmut Krukenberg ist ausgewiesener | |
Gänseexperte und war an den Verhandlungen zwischen Bauern und Politikern | |
beteiligt. „Die Flächen für die Intervalljagd sind unklar begrenzt“, sagt | |
er. „Grundsätzlich führt jede Störung der Gänse zu Aufregung. Das heißt, | |
die Tiere fliegen auf und müssen an anderer Stelle noch mehr fressen.“ | |
## Tiere in Hektik | |
Krukenberg weist außerdem darauf hin, dass die Bauern in den betroffenen | |
Gebieten jedes Jahr bis zu sieben Millionen Euro Ausgleichszahlungen für | |
Gänsefressschäden bekommen. Sie sollen die Tiere zur Ruhe kommen lassen. | |
Mit Jagd oder auch Intervalljagd werden die Tiere weiter in Hektik | |
versetzt, so Krukenberg. | |
„Es gibt ein Gänsemonitoring. Aber die Aussagen über Fressschäden stammen | |
von Bauern. Wirklich kontrollieren kann man die Schäden nicht“, sagt Johann | |
Beuke vom ökologischen Jagdverein. Sicher gebe es Schäden. „Aber wo sollen | |
die Gänse denn äsen, wenn es an der Küste intensive Landwirtschaft gibt?“ | |
Der Schulterschluss zwischen Grundbesitzern, Jägern und Bauern mache das | |
Totschießen von Wildtieren zu einem gesellschaftlich akzeptierten Ereignis. | |
Gerd Ludwig Will, einziger Jäger innerhalb der SPD-Fraktion im Landtag, | |
möchte die Jagd befördern. Er hat eine Arbeitsgemeinschaft | |
sozialdemokratischer Jäger gegründet. Sein Argument: „Die | |
SPD-Landtagsfraktion erkennt nicht die Bedeutung der Jagd und der Jäger.“ | |
16 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Thomas Schumacher | |
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