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# taz.de -- Flüchten und fasten: Der etwas andere Ramadan
> Viele Geflüchtete in Berlin sind Muslime. Für sie und die Betreiber von
> Notunterkünften stellt der Fastenmonat eine Herausforderung dar.
Bild: Fastenbrechen in einer Berliner Notunterkunft.
Über 2.300 Menschen leben derzeit in den Notunterkünften für Geflüchtete in
den Tempelhofer Flughafen-Hangars – viele davon Muslime, von denen viele
derzeit fasten. Für Ahmed aus dem syrischen Deir ez-Zor ist dieser
Fastenmonat der erste Ramadan, den er in Deutschland verbringt. „Es fasten
viele von den Leuten hier“, erzählt der 22-Jährige. „Das Essen bekommen w…
zu den gesonderten Zeiten.“ Was ihm dennoch fehle, sei die „besondere
Stimmung“ des Fastenmonats.
Der 20-jährige Ashraf aus Damaskus, der seit sieben Monaten in Deutschland
lebt, hat bereits eine eigene Wohnung. In den Hangars besucht er seine
Cousins. Er sei Atheist und faste selbst nicht, sagt Ashraf: „Aber ich
glaube nicht, dass das mit dem Ramadan hier gut funktioniert. Ramadan ist
eine Zeit des guten und vielfältigen Essens. Hier gibt es nur das
Nötigste.“
Eigenes Essen dürfen die Flüchtlinge nicht in die Unterkünfte bringen,
klagt Ibrahim aus Aleppo. „Letztens habe ich versucht, Aprikosen
mitzunehmen. Die hat mir ein Security weggenommen“, erzählt der 21-Jährige.
Die für die Unterbringung und Versorgung Geflüchteter in Berlin zuständige
Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hatte Betreibern von
Notunterkünften für Geflüchtete schon vor Beginn des Ramadan zu einem
„speziellen Essensplan“ für die Fastentage geraten. Dazu gehöre das späte
Abendessen, das möglichst durch Suppe, Müsliriegel und Datteln ergänzt
werden solle, hatte Sprecherin Regina Kneiding der Presseagentur DPA
gesagt.
Viele halten sich offenbar an die Empfehlungen: Der Ramadan sei schließlich
„keine neue Erscheinung“, sagt Manfred Nowak vom Kreisverband AWO Mitte.
Die Arbeiterwohlfahrt betreibt in Berlin zwölf Unterkünfte, davon zwei
Notunterkünfte. Man stelle sich sowohl bei den Essenszeiten als auch bei
der Anwesenheit der SozialbetreuerInnen auf die fastenden BewohnerInnen
ein, so Nowak, „und das nicht erst seit diesem Jahr“. Alle Wünsche der
Geflüchteten könnten beim „zentralen Thema Essen“ aber nicht erfüllt
werden: „Schon aufgrund der finanziellen Gegebenheiten.“
Als eine der großen privaten Trägerinnen betreibt die Prisod GmbH
Notunterkünfte für Geflüchtete – etwa in der ehemaligen
Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau. Knapp 1.300 Menschen leben hier,
viele, aber nicht alle Muslime. Für die Fastenden unter jenen sei während
des Ramadan die Zeit der Essensausgabe bis 21.30 Uhr – etwa die Zeit des
Fastenbrechens – verlängert worden, sagt Susan Hermenau, Prisod-Sprecherin.
Die BewohnerInnen könnten sich dann „Abendessen und Frühstück für den
nächsten Tag auf einmal abholen“, so Hermenau. „Wir geben außerdem
Energieriegel, Joghurt und einmal wöchentlich Datteln aus“, mit denen
Muslime traditionell das Fasten am Abend beenden. Es werde auf „Schwache,
Alte, Kinder“ unter den Fastenden geachtet und in Zusammenarbeit mit
Moscheen versucht, eine Lösung zu finden, falls jemand zu sehr entkräftet
sei.
Der Betreiber Albatros, der die Notunterkunft in den Messenhallen führt,
hat für den Ramadan extra einen neuen Caterer beauftragt, „der arabisches
Essen liefert“, sagt Friedrich Kiesinger, Chef der gemeinnützigen GmbH. Um
das Abendessen während der Fastentage nicht nur wie üblich um 18 Uhr,
sondern auch um 21.30 Uhr ausgeben zu können, hat er zudem neues Personal
eingestellt. Ob die Senatsverwaltung für Gesundheit sich an den dadurch
entstehenden Mehrkosten beteiligen werde, sei noch nicht ganz klar, so
Kiesinger: „Aber es ist uns wichtig, unseren BewohnerInnen zu zeigen, dass
wir sie auch in ihren religiösen Bedürfnissen würdigen.“
## Zu erschöpft zum Fasten
Zakhel aus Afghanistan, der ebenfalls in den Tempelhofer Hangars lebt,
freut sich darüber, dass die Unterkünfte Rücksicht auf die Fastenden
nehmen: „Es gibt aber viele andere Probleme. Meine Frau ist im achten Monat
schwanger und die Versorgung in der Unterkunft ist nicht gut genug“,
relativiert er. Es seien viele der Geflüchteten „zu erschöpft und zu
schwach“ zum Fasten, sagt Mohamed, der aus Homs stammt: „Die schaffen das
nicht.“ Die Versorgung funktioniere zwar, bestätigt er: „Aber hier zu
fasten ist nicht schön.“ Viele zögen deshalb das abendliche Fastenbrechen,
das viele Moscheen kostenlos anbieten, dem Essen in den Unterkünften vor,
berichtet ein ehrenamtlich in den Tempelhofer Hangars tätiger
Deutschlehrer. Hangarbewohner Ahmed wundert das nicht: „Das ist ja auch
kein schöner Ort für den Ramadan hier.“
13 Jun 2016
## AUTOREN
Volkan Agar
Alke Wierth
## TAGS
Ramadan
Flüchtlinge
Ramadan
Flüchtlinge
Schwerpunkt Türkei
Muslime
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