| # taz.de -- Wirkung elektromagnetischer Felder: Handystrahlen unter Krebsverdac… | |
| > Welches Gesundheitsrisiko bergen Handys? Zwei Studien über die Wirkung | |
| > von elektromagnetischer Strahlung heizen den Streit wieder an. | |
| Bild: Diese Variante des Telefonierens ist auf jeden Fall gefährlich | |
| Seit Jahren schon wird auch unter Wissenschaftlern heftig darüber | |
| gestritten, ob die elektromagnetischen Strahlen von Handys Krebs auslösen | |
| können. Zwei neue Studien feuern diesen Streit derzeit wieder an: Eine | |
| [1][Tierversuchsstudie in den USA] gibt Hinweise, dass die Strahlung | |
| Tumoren auslösen können. Die andere Studie, eine [2][epidemiologische | |
| Untersuchung aus Australien], hingegen gibt Entwarnung: Die Auswertung des | |
| australischen Krebsregisters ergab keinen Anstieg bei Hirntumordiagnosen | |
| durch vermehrte Handynutzung. | |
| Die 25 Millionen US-Dollar teure Tierversuchsstudie war von der | |
| US-Regierung in Auftrag gegeben worden. Forscher des [3][National | |
| Toxicology Program (NTP)] hatten mehr als 2.500 Ratten und Mäuse mit | |
| Mikrowellen der beiden gängigen Übertragungstechnologien, GSM und CDMA, | |
| bestrahlt. 10 Minuten Bestrahlung, 10 Minuten Pause, mit diesen Intervallen | |
| wurden die Ratten bis zu einem Alter von zwei Jahren täglich je neun | |
| Stunden elektromagnetischen Feldern mit einer Frequenz von 900 Megahertz | |
| ausgesetzt. | |
| Bei der Mäusen betrug die Frequenz 1.900 Megahertz. Variiert wurde auch die | |
| Stärke der Bestrahlung: 1,5, 3 und 6 Watt pro Kilogramm Körpergewicht. Die | |
| Magnetfeldstärken waren damit fast durchweg höher als bei den auf den Markt | |
| befindlichen Handys. Eine Besonderheit war auch, dass bei den Tieren der | |
| ganze Körper bestrahlt wurde. Beim Telefonieren ist vor allem der Kopf | |
| betroffen. | |
| Die vorläufige Auswertung der Versuche ergab, dass bei männlichen | |
| bestrahlten Ratten einige bösartige Tumoren im Hirn (Gliome) und | |
| Geschwülste am Herzen (Schwannome) entstanden sind. Für Michael Wyde und | |
| seinem Team ist dies „wahrscheinlich das Ergebnis der | |
| Ganzkörperbestrahlung“. Von den jeweils 90 bestrahlten männlichen Ratten in | |
| den sechs Testgruppen bekamen bis zu drei Tiere Hirntumoren und bis zu | |
| sechs Herzgeschwülste. Bei der unbestrahlten Kontrollgruppe waren keine | |
| Veränderungen feststellbar. Auch bei den weiblichen Ratten gab es keine | |
| erhöhte Tumorrate. | |
| Für das [4][Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)], das in Deutschland für den | |
| Gesundheitsschutz vor elektromagnetischen Feldern zuständig ist, sind die | |
| Ergebnisse in einer ersten Bewertung „überraschend und aus biologischer | |
| Sicht nicht plausibel“. Eine direkte Übertragung der Ergebnisse aus den | |
| Rattenversuchen auf den Menschen bestehe nicht, teilte das BfS der taz mit. | |
| „In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass die Parallelstudie an | |
| Mäusen kein erhöhtes Krebsrisiko ergab (die Daten sind allerdings noch | |
| nicht vollständig ausgewertet und liegen daher im Einzelnen noch nicht | |
| vor); das heißt“, so das BfS, „die derzeit vorliegenden Ergebnisse sind | |
| anscheinend nicht nur geschlechtsspezifisch, sondern auch artspezifisch.“ | |
| Eine Erklärung dafür gibt es nicht. | |
| ## Falsch-positive Befunde | |
| Auch [5][Michael Lauer, von den National Institutes of Health (NIH)] in den | |
| USA , kritisiert in einem Gutachten die Studien. So ist ein Ergebnis, dass | |
| die Überlebensrate bei den unbestrahlten Ratten zum Teil höher ist als bei | |
| den bestrahlten Tieren. Lauer vermutet, dass es da „einige falsch-positive | |
| Befunde“ gegeben habe, die die statistische Auswertung infrage stelle. | |
| Gegensätzlich zu den NPT-Versuchen sind die Ergebnisse der Langzeitstudie, | |
| die unter [6][Leitung von Simon Chapman an der University of Sydney] | |
| durchgeführt wurde. Die Forscher werteten Daten des australischen | |
| Krebsregisters aus, in dem alle Tumordiagnosen gespeichert werden müssen. | |
| Für die Zeit von 1982 bis 2012 sind dort 19.800 Hirndiagnosen bei Männern | |
| und 14.200 bei Frauen registriert. Die Forscher glichen die Tumorraten mit | |
| der Nutzung der Handys ab. Im Jahr 1987 gab es die ersten Handys, 2014 | |
| hatten 94 Prozent der Bevölkerung eins. Trotz dieser Wachstumsrate fanden | |
| die Forscher „keinen Anstieg bei der Gehirntumorhäufigkeit“. | |
| Ein Freispruch ist das noch nicht: „Da bei Hirntumoren mit sehr langen | |
| Latenzzeiten zu rechnen ist, reicht der Beobachtungszeitraum der genannten | |
| Studie noch nicht aus“, heißt es beim BfS: Allerdings werde „mit jedem | |
| Jahr, in dem die Krebshäufigkeit nicht steigt, das Restrisiko geringer.“ | |
| 10 Jun 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://biorxiv.org/content/early/2016/05/26/055699.full.pdf+html | |
| [2] http://www.cancerepidemiology.net/article/S1877-7821(16)30050-9/fulltext | |
| [3] http://ntp.niehs.nih.gov/results/areas/cellphones/index.html | |
| [4] http://www.bfs.de/DE/themen/emf/mobilfunk/mobilfunk_node.html | |
| [5] https://www.nih.gov/about-nih/what-we-do/nih-almanac/michael-lauer-md | |
| [6] http://sydney.edu.au/news-opinion/news/2016/05/06/no-increase-in-brain-canc… | |
| ## AUTOREN | |
| Wolfgang Löhr | |
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