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# taz.de -- Dänische Serie „Die Erbschaft“: Die Beiläufigkeit von Katastr…
> Das Drama ist eine spannende Langzeit-Familientherapie ohne lästige
> Klischees. Die Häufung von Lügen und Geheimnissen entspricht der
> Realität.
Bild: Kuschlige Stimmung im Kreise der Lieben
Das Leben auf dem alten Gutshaus Grønnegaard in der Nähe Kopenhagens
gleicht einer dänischen Bilderbuch-Hippie-Idylle: Veronika, die Besitzerin,
gießt großformatige Kunstwerke, die weltweit ausgestellt werden. Ihr Exmann
Thomas kifft einen verrumpelten Wohnwagen auf dem Gelände voll und jammt
auf selbstgebauten Instrumenten. Veronikas Tochter Gro organisiert die
Ausstellungen ihrer Mutter und den Umbau von Grønnegaard in einen
Museumskomplex und trifft sich zum Weintrinken und Sexhaben mit ihrem
Liebhaber, einem verheirateten Galeristen. Veronikas Söhne Emil und
Frederik, die von einem anderen Vater stammen, leben in Thailand und in
Kopenhagen.
Als Veronika plötzlich bei der jungen Blumenhändlerin Signe auftaucht,
freut die sich über den Auftrag der Künstlerin und liefert gern ein paar
Sträuße. Doch mitten in der Nacht bekommt Signe einen Anruf – sie soll
sofort ins Gutshaus kommen. Dort trifft Signe auf die im Sterben liegende
Veronika, die ihr eröffnet: Signe ist Veronikas Tochter, die sie als
Kleinkind zu einer anderen Familie gab. Und Signe soll, zur Überraschung
der anderen Kinder, das 10 Millionen Kronen schwere Grønnegaard erben.
In Maya Ilsøes Seriendrama hält die Erbschaft die Dramaturgie zusammen und
reißt die Familie auseinander: Getragen von herausragenden
SchauspielerInnen wie Trine Dyrholm als Gro, Jesper Christensen als
Hippievater Thomas und Mikkel Boe Følsgaard als Emil zeichnet Ilsøe ein
detailliertes Familienporträt – in einer Vielschichtigkeit, die Alan Balls
„Six Feet Under“ ähnelt. Ihre Figuren, ob die ehrgeizige Gro oder die
emotional gebeutelte Signe, sind durchdacht und überzeugend – und dermaßen
entgegen jeglicher Klischees konstruiert, dass man die Serie am liebsten
als Anschauungsmaterial für einen deutschen Drehbuchkurs empfehlen würde.
Denn Maya Ilsøe beschreibt die Personen nicht geschlechtsspezifisch,
sondern charaktertypisch. So etwa, als Frederik seiner Schwester Gro nach
einem Wortgefecht eine Ohrfeige gibt: Gro, die von Dyrholm nuanciert
gespielt wird, schlägt zurück – und zwar mit der Faust. Es ist der
kontrollierte und latent aggressive Mann Frederik, der daraufhin blutet,
nicht seine Schwester.
## Seitenhiebe auf den Kunstmarkt
Immer tiefer buddelt Ilsøe während der zehn Folgen, die Arte als
Zugeständnis an die Bingewatcher an drei Donnerstagen ausstrahlt, in den
Backstories ihrer Figuren, während diese weiterhin glaubhaft agieren und
die Netze, in denen sie sich verstricken, weitergeknüpft werden. Wie als
Zeuge einer spannenden Langzeittherapie kommt man langsam dahinter, was in
der Familie alles gelaufen ist: Wie und warum ist der Vater von Frederik
und Emil wirklich gestorben? Welche Motive haben Signes Adoptiveltern? Wer
setzt den fröhlichen Nichtsnutz Emil mit Geldeintreibern aus Thailand unter
Druck?
Den MacherInnen gelingen zudem Seitenhiebe auf den Kunstmarkt und dessen
finanzielle Fallstricke – der Eiertanz mit den Sponsoren, der Honig, der
ums Maul des Vorstands geschmiert gehört. Dass all diese Figuren sich, wie
im gemütlichen Dänemark üblich, duzen und ein angebotenes Glas Wein nie
ausschlagen, macht sie menschlich. Kaum inszenieren die RegisseurInnen
laute Eskalationen – es ist die Beiläufigkeit der Katastrophen, die einen
mitnimmt.
„Die Erbschaft“ lief enorm erfolgreich in Dänemark – die von „Borgen�…
„Die Brücke“ erfolgsverwöhnte Produktionsfirma „DR“ konnte ihre Crime…
auch für die Dramen einer Familiensaga gewinnen. Denn es mag eine besondere
Familie sein, die Ilsøe beschreibt – die Häufung der Lügen und Geheimnisse
ist weder ungewöhnlich noch unglaubwürdig. Da kann fast jeder von ähnlichen
Geschichten erzählen, ob mit oder ohne 10-Mille-Erbschaft in der
Hinterhand.
9 Jun 2016
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Familie
TV-Serien
Dänemark
Therapie
Serien-Guide
Borgen
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