# taz.de -- Kommentar Joachim Gaucks Verzicht: Die Gegenfigur zu den Wutbürgern | |
> Gauck hat im Amt die Annäherung des konservativen Bildungsbürgers an das | |
> Jetzt verkörpert. Nun sollte ihm endlich eine Frau folgen. | |
Bild: Das war's: Joachim Gauck macht nächstes Jahr Schluss mit dem Schloss Bel… | |
Man muss Joachim Gaucks pastorale Rhetorik und konservative Haltung nicht | |
mögen. Er mokierte sich über Occupy Wallstreet, lobte den Neoliberalismus | |
und fremdelte mit Flüchtlingen und Islam. Allerdings ist Gauck im Amt | |
offener geworden. Das versteinert Rückwärtsgewandte trat eher in den | |
Hintergrund. Und die Distanz gegenüber dem Einwanderungsland Bundesrepublik | |
wurde kleiner. Das mag man als Symbol für die vorsichtige Annäherung eines | |
bildungsbürgerlichen, sehr deutsch geprägten Milieus an das Jetzt sehen. | |
Insofern ist Gauck, gerade als Konservativer, Gegenfigur zu den außer Rand | |
und Band geratenen akademischen Wutbürgern, die derzeit die Talkshows | |
bevölkern. | |
Auf der Habenseite steht zudem ein Gespür für Geschichtspolitik. Gaucks | |
Vater war NSDAP-Mitglied, die Sowjets verschleppten ihn 1951 willkürlich in | |
den Gulag. Gauck war wohl der letzte Bundespräsident, den eine | |
biographische Nabelschnur mit den totalitären Katastrophen des 20. | |
Jahrhunderts verband. Es war gut, dass dieser Bundespräsident an weitgehend | |
vergessene Opfer erinnerte, an die sowjetischen Kriegsgefangenen, die die | |
Wehrmacht zu Hunderttausenden verhungern ließ, und von Nazis in | |
Griechenland ermordete Zivilisten. Schade, dass er dies nicht lauter, | |
heftiger, engagierter tat. | |
Als Gauck ins Amt kam, fürchteten manche, dass er mit evangelischem | |
Moralfuror eine Schneise der Verwüstung in diplomatisch heiklen | |
Angelegenheiten schlagen würde. Das war voreilig. Man muss eben keine | |
Karrieren in Parteigremien und Kabinetten absolviert haben, um diesen Job | |
zu beherrschen. | |
Gauck hat, mit Blick auf die Nachfolgebatte, gezeigt, was das Amt braucht – | |
einen freien, unabhängigen Kopf, der lernfähig ist. Was das Amt eher nicht | |
braucht, ist ein verdienter Politiker, dessen Karriereende vergoldet werden | |
soll. Es wäre ein kluges Zeichen der politischen Klasse, wenn sie begreift, | |
dass Seiteneinsteiger besser geeignet sind als Wolfgang Schäuble, Norbert | |
Lammert oder Frank-Walter Steinmeier. Schon, um den Anschein von | |
Postenschieberei zu vermeiden. | |
Die taktischen Spiele, die nun beginnen, werden äußerst interessant. Dass | |
sich Rot-Rot-Grün einigt, kann man leider ausschließen. Denn solange sich | |
SPD-Rechte und Linkspartei-Fundis so inbrünstig verachten, ist dieser Topf | |
leer. Alle verknoteten Fäden laufen bei Angela Merkel zusammen. Die hat es | |
mit einer störrischen CSU, unwilligen Grünen, die bloß keine schwarz-grüne | |
Debatte wollen, und der SPD zu tun hat, die auf Distanz zu ihr gehen muss. | |
Die Lage ist daher komplizierter als sonst. Und wie meistens gilt: Wer | |
Merkel in diesem Match unterschätzt, wird zu den Verlierern zählen. | |
Wer soll es also werden? Gut, sehr gut, wäre, wenn wir 2017 zum ersten Mal | |
keinen Bundespräsidenten haben. Sondern eine Bundespräsidentin. Das ist | |
überfällig. Schon lange. | |
6 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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