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# taz.de -- CDU in Sachsen: Vaterlandsliebe als Krisenarznei
> Bundesweit grübelt die CDU über eine Strategie gegen die AfD. In Sachsen
> propagiert die Partei nun den Patriotismus.
Bild: So schön kann Deutschland sein. So hässlich können Klischees sein
Dresden taz | Was hält unsere Welt im Innersten zusammen? Die sächsische
Union entdeckt die Faust-Frage neu und kennt auch gleich eine Antwort:
Patriotismus – die edle Liebe zum Vaterland – gibt Halt und Orientierung.
So stand es in der Einladung zu einer Regionalkonferenz am Dienstagabend im
Dresdner Hygienemuseum, der etwa 130 Unionsfreunde folgten. Und wenn mit
deutschem Patriotismus schon nicht die ganze Welt zusammenzuhalten ist,
dann doch zumindest die schwankende CDU-Wählerschaft, gebeutelt durch
Attacken von Pegida und der AfD.
Bundesweit laboriert die Union derzeit an der Frage, wie mit der rechten
Konkurrenz umzugehen ist. Die Dresdner Regionalkonferenz wärmte jene 12
Thesen über einen „Deutschen Patriotismus im vereinigten Europa“ wieder
auf, die ein CDU-Landesparteitag schon im November 2005 beschlossen hatte.
Ihr damaliger Autor Matthias Rößler ist heute Landtagspräsident. Als
Impulsredner referierte er nun sein Werk noch einmal, obschon ein aktuelles
Nachfolgepapier in Aussicht steht. Rößler propagiert einen idealen,
unschuldigen, per se positiven Patriotismus, der vom Nationalismus, der
andere herabwürdigt, zu unterscheiden sei. Als dessen Wurzeln bezeichnet er
das antike Erbe, das Christentum und die Aufklärung.
## Toleranz und deutsche Leitkultur
„Echte Patrioten stellen sich den guten und schlechten Seiten der
Geschichte“, erklärte Rößler. Patriotismus heute sei verbunden mit dem
Bekenntnis zu Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie. Die Toleranz endet für
Rößler allerdings bei der deutschen Leitkultur: Der hätten sich alle
Zuwanderer unterzuordnen. „Sie müssen sich mit Haut und Haaren auf unser
Land, auf unsere Gesellschaft einlassen“, rief Rößler unter Beifall.
Was diese Leitkultur ausmacht, wie sie konkret zu fassen ist, sagte Rößler
nicht. Es wurde auch in der Diskussion nicht erörtert. Über die
„emotionalen Symbole“ Flagge, Fußball und Nationalhymne gingen die Ansätze
nicht hinaus.
Die Diskussion der erschienenen CDU-Mitglieder mit Rößler und
Ministerpräsident Stanislaw Tillich driftete ohnehin vom Thema weg und
offenbarte, was die Sachsen-Union eigentlich bewegt: Patriotismus als
gesellschaftlichen Kitt zu bemühen.
## Erfahrungen mit internationalem Hochschulpersonal
Die Beiträge klangen eher nach Bürgersprechstunde oder Pegida light. Von
Überfremdungsängsten war die Rede, Islam-Ängsten, Scharia-Ängsten. Aber
auch vom Bahnverkehr und abgehängten ländlichen Räumen. Tillich stimmte
vorsichtig in die Kritik am möglichen Missbrauch der doppelten
Staatsbürgerschaft ein.
Einer der wenigen kritischen Redner warf die Frage auf, ob ein Volk, das
derart schrumpfe, überhaupt das Recht habe, über Patriotismus zu sprechen.
Verunsicherung allenthalben. Eine Frau wagte die Bemerkung, dass es auch
unter Deutschen bereits sozial bedingte Parallelgesellschaften und nicht
integrierte Steuerflüchtlinge gebe. Ein Einwurf, den Ministerpräsident
Tillich nicht verstand. Ein Student wiederum fragte angesichts seiner
Erfahrungen mit internationalem Hochschulpersonal, warum es eine
Patriotismus-Debatte überhaupt brauche.
„Patriotismus kann man nicht herbeireden oder verordnen“, räumte schon das
sächsische Thesenpapier von 2005 ein. Muss man auch nicht mehr. Denn die
rechte CDU-Konkurrenz punktet damit längst. Davon sprachen weder Rößler
noch Tillich direkt, sondern propagierten stattdessen deutschen
Nachholbedarf an einem „selbstverständlichen“ Patriotismus, wie ihn die
französischen oder polnischen Nachbarn demonstrieren.
19 May 2016
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Schwerpunkt AfD
CDU
Sachsen
Lesestück Meinung und Analyse
CDU
Polizei Sachsen
Schwerpunkt Pegida
Schwerpunkt Flucht
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