| # taz.de -- Antikohleprotest in der Lausitz: Das war doch keine Straftat | |
| > Umweltaktivisten beenden offiziell ihre Blockaden in der Lausitz. Die | |
| > Staatsanwaltschaft schaut locker auf die Protestaktionen. | |
| Bild: Die Protest in der Lausitz verliefen weitestgehend friedlich | |
| Welzow taz | Das brandenburgische Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe ist auch am | |
| Sonntagnachmittag aufgrund zahlreicher Schienenblockaden weiterhin von der | |
| Kohlezufuhr abgeschnitten. Klimaaktivisten halten die Versorgungsstruktur | |
| des Vattenfall-Kraftwerks teils seit Freitag besetzt. | |
| Nach über zwei Tagen Passivität begann die Polizei am Sonntagnachmittag mit | |
| der Räumung zentraler Schienenblockaden. Im Rahmen der sogenannten „Ende | |
| Gelände“-Aktionstage hatten rund 3.000 Demonstranten am Wochenende | |
| zahlreiche Schienenstücke und Industrieanalgen besetzt, darunter zwei | |
| Radschaufelbagger und eine zentrale Kohleverladestation. An mindestens vier | |
| Orten rund um das Kohlekraftwerk besetzten Demonstranten zudem bedeutsame | |
| Gleisabschnitte. | |
| Weil der Kohlenachschub ausbleibt, wird das Kraftwerk seit Samstag nur noch | |
| mit deutlich verminderter Leistung betrieben. Für Aufsehen und Ärger, auch | |
| unter den Klimaaktivisten, sorgte die Erstürmung des inneren | |
| Kraftwerksgeländes am Samstag. Mehrere hundert Aktivisten hatten bei der | |
| Besetzung Zäune zerstört und überwunden und auf dem Gelände auch versucht, | |
| Gebäude zu betreten. Die Polizei nahm anschließend über 100 Personen fest. | |
| Gegen sie wird wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt; mittlerweile | |
| sind alle wieder auf freiem Fuß. Nach teils über 48 Stunden lang | |
| andauernden Blockaden, die größtenteils friedlich verliefen, beendete das | |
| Aktionsbündnis „Ende Gelände“ am Sonntagnachmittag offiziell seine | |
| Massenblockaden. Einzelne Aktivisten und Kleingruppen blieben auch danach | |
| noch auf den Schienen und den Industrieanlagen, teils angekettet. Die | |
| Polizei begann am Sonntagnachmittag damit, die Streckenabschnitte zu | |
| räumen. | |
| ## Positive Bilanz | |
| Das Bündnis „Ende Gelände“ zog eine rundum positive Bilanz nach den | |
| Protesten. „Das Aktionswochenende hat alle unsere Erwartungen übertroffen“, | |
| hieß es seitens des Bündnis'. Für Diskussionen dürfte in den kommenden | |
| Tagen noch der äußerst passive Polizeieinsatz sorgen. Die Beamten hatten | |
| den Besetzern das gesamte Wochenende nahezu freies Geleit gelassen. Was | |
| immer sie besetzen wollten – sie konnten gemütlich hineinlaufen. | |
| Auch der Energiekonzern Vattenfall hatte seinen Mitarbeitern verordnet, | |
| freundlich und kooperativ mit den Besetzern umzugehen und keine | |
| Konfrontationen zuzulassen – eine Politik, die unter vielen Kohlearbeitern | |
| für Frust sorgte. Dieser entlud sich dann anders. | |
| In der Nacht auf Sonntag war es nach einer Spontandemonstration von | |
| Kohlebefürworten zu tätlichen Übergriffen auf Klimaaktivisten gekommen. | |
| Dabei wurden Böller auf Demonstranten geworfen. Später wurden | |
| Kletteraktivisten attackiert, die sich von einer Gleisbrücke abgeseilt | |
| hatten. | |
| Teils posierten nach Augenzeugenberichten Hooligans und Neonazis mit | |
| Baseballschlägern in der Nähe der Gleisblockaden. Eine Mahnwache von | |
| Umweltaktivisten wurde laut Zeugen in der Nacht von Neonazis mit Böllern | |
| und Schlagwerkzeugen angegriffen. Am Sonntag bedrohte ein Mann am Rande | |
| einer Gleisblockade einen Klimaaktivisten mit einem Elektroschocker. Die | |
| Polizei war nicht mit genug Kräften vor Ort, um dazwischenzugehen. | |
| ## Kein Hausfriedensbruch | |
| Ein Vattenfall-Sprecher hatte im Verlauf des Wochenendes mehrfach ein | |
| härteres Einschreiten der Polizei gefordert und zuletzt auch mit einem | |
| möglichen Kraftwerksausfall gedroht. Die Staatsanwaltschaft Cottbus hatte | |
| dagegen mit einer erstaunlich liberalen Rechtsinterpretation die Grundlagen | |
| für das passive Polizeiwochenende gelegt. Sie sah im Hinblick auf die | |
| Besetzung des Braunkohletagebaus „die Tatbestandmäßigkeit des | |
| Hausfriedensbruchs wegen des Problemfeldes der Umfriedung nicht gegeben.“ | |
| Übersetzt: Wer keinen Zaun um seinen Tagebau zieht, muss damit rechnen, | |
| dass er betreten wird. | |
| Darüber hinaus schrieb die Polizei Cottbus: „Nötigungen durch Eingriffe in | |
| die Betriebsabläufe des Unternehmens wegen des Besetzens in verschiedenster | |
| Form von Gleisanlagen oder Klettern auf Großgeräte sind ebenfalls nach | |
| erster Bewertung durch die Staatsanwaltschaft nicht strafrechtlich | |
| relevant.“ Dies resultiere aus dem Umstand, dass Vattenfall seinen Betrieb | |
| bereits im Vorhinein eingestellt habe. Und so ging das Wochenende für das | |
| Aktionsbündnis Ende Gelände tatsächlich erfolgreich zu Ende: Hunderte, die | |
| sich zuvor darauf eingestellt hatten, im Rahmen ihrer Aktionen zivilen | |
| Ungehorsams auch Straftaten zu begehen, fuhren unbescholten nach Hause: | |
| Ihre geplanten Straftaten waren plötzlich gar keine mehr. | |
| 15 May 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Kaul | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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