# taz.de -- Kreativer Widerstand in Syrien: Die vergessene Revolution | |
> Die Organisation „Adopt a revolution“ unterstützt Widerstandsbewegungen, | |
> die weiterhin in Syrien für eine Demokratisierung kämpfen. | |
Bild: Zerstörtes Gebäude im belagerten Damaskus | |
Es gibt sie noch, die revolutionären Kräfte in Syrien. Zwar auf ein | |
kleineres Territorium zurückgedrängt und eingekeilt zwischen Assad-Diktatur | |
und dschihadistischem Terror, sind sie dennoch präsent und leisten seit dem | |
Beginn des Arabischen Frühlings vor fünf Jahren auch kreativen Widerstand. | |
In Anbetracht der großen Anzahl an Menschen, die in den letzten Jahren aus | |
Syrien flohen, neigt man dazu, zu glauben, die syrische Zivilgesellschaft | |
sei hoffnungslos verloren. Dass dem aber nicht so ist, das beweisen die | |
Menschen, die in Syrien geblieben sind und dort unter mühsamen Bedingungen | |
versuchen, weiterhin für eine Demokratisierung einzutreten. Organisationen | |
wie „adopt a revolution“ unterstützen die laizistisch-demokratischen | |
Bestrebungen in Syrien, und informieren auch in Deutschland über die | |
Situation der Menschen vor Ort. | |
Im Heimathafen Neukölln wurden am Donnerstag Abend Kurzfilme, Diskussionen | |
und ein Klavierkonzert geboten, um den BesucherInnen die Situation der | |
Menschen in Syrien näher zu bringen. Die Journalisten Mazen Darwish und | |
Nicolas Hénin diskutierten über die Lage der Aufständischen in Syrien, über | |
deren Perspektiven und über die Rolle westlicher Demokratien innerhalb des | |
Konfliktes. | |
Mazen Darwish ist ein syrischer Journalist, der während des Aufstandes vor | |
allem für seinen Einsatz für die Pressefreiheit bekannt und aufgrund seines | |
Aktivismus bereits einige Male inhaftiert wurde. Nicolas Hénin, | |
französischer Journalist, recherchierte lange Zeit sowohl in Syrien, als | |
auch im Irak und war zehn Monate lang Geisel des „Islamischen Staats“. | |
Darwish informierte über die Lage der Aufständischen in Syrien: Die | |
Menschen seien zur Zeit in ihren Gebieten gefangen, umgeben von | |
militärischen Stützpunkten, die keinerlei Hilfe in irgendeiner Form | |
durchlassen würden. Außerdem mangele es ihnen an Mitteln, das befreite | |
Gebiet halten und gegen den Einmarsch regimetreuer Gruppierungen absichern | |
zu können, und sie würden auch keinerlei Unterstützung durch das westliche | |
Ausland erhalten. | |
## Demokratische Kräfte komplett allein gelassen | |
Auf die Frage hin, ob er der demokratischen Widerstandsbewegung eine Chance | |
einräume, zeigt er sich dennoch optimistisch: „Die Menschen in den | |
umkämpften Gebieten glauben daran, dass eine Rückkehr in die syrische | |
Zivilgesellschaft möglich ist, und ich glaube das auch“. Hénin pflichtet | |
ihm bei: „Es geht einzig und allein um die Leute vor Ort. Sie müssen daran | |
glauben, dass eine Alternative möglich ist. Die revolutionären Kräfte | |
existieren noch in Syrien, sie wurden lediglich verdeckt“. | |
Diese Forderung unterstreicht er unter Rückbezug auf seine Erfahrungen als | |
Geisel. Er sei sich sicher, dass die Terrormilizen kollabieren würden, wenn | |
die Menschen in den Krisenregionen in dem Glauben an eine politische Lösung | |
des Konfliktes sicher sein könnten: „Für die Terroristen wäre es der | |
Horror, wenn ihnen die Menschen vor Ort ein Gefühl der Sicherheit entgegen | |
halten würden“. In Bezug auf die von internationaler Seite ausgeübten | |
(militärischen) Interventionen zeigt Hénin sich verständnislos: „Als die | |
demokratischen Kräfte in Syrien nach Freiheit riefen, wurden sie komplett | |
allein gelassen“. | |
Auf die daraufhin in den Raum gestellte These „Syria is not ready for | |
democracy“ entgegnete Darwish nur knapp: „Are they ready to be killed?!“ | |
und verwies auf die oft von Gewalt und Unterdrückung geprägte Geschichte | |
der meisten heutigen Demokratien und darauf, dass Demokratie schließlich | |
unter der Notwendigkeit stehe, sich permanent neu erschaffen zu müssen. | |
Trotz der von außen scheinbar als ausweglos wahrgenommenen Situation der | |
widerständigen Gruppierungen in Syrien dominierte bei beiden | |
Gesprächsteilnehmern an diesem Abend eindeutig die Hoffnung – durchsetzt | |
allerdings mit dem Unverständnis gegenüber dem politischen Vorgehen | |
westlicher Demokratien in diesem Konflikt. | |
Zum Abschluss des Abends rollte der für seine Konzerte mitten auf den | |
Straßen im belagerten Damaskus bekannte Pianist Ayham Ahmad sein Klavier | |
auf die Bühne und gab ein Konzert, das einem in seiner emotionalen | |
Intensität Tränen in die Augen trieb, wohl auch deswegen, weil es das | |
Gefühl von Gewalt, Vertreibung und der über allem stehenden Frage nach dem | |
„Warum?“, gleichzeitig aber auch eine enorme Kraft und Zuversicht, auf eine | |
ganz eindringliche Art und Weise vermittelte. | |
13 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Annika Glunz | |
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