| # taz.de -- Pegida und Kinderschokolade: Auf der richtigen Seite | |
| > Am Bodensee ärgern sich Pegidisten über Schokolade mit | |
| > Migrationshintergrund. Und die Linksliberalen? Die vergewissern sich | |
| > selbst. | |
| Bild: Darum ging es: Kinderbilder der deutschen Fußballer Gündoğan (l.) und … | |
| Nette Jungs, die von Schokoladenschachteln lächeln – wer soll da was | |
| dagegen haben? Noch dazu, wenn sie so süß aussehen wie der kleine Jérôme | |
| und der kleine İlkay mit den großen Augen? Das schlimm zu finden kann man | |
| sich nicht vorstellen. Außer am Arsch der Welt. | |
| Irgendwo am Bodensee fanden sich tatsächlich ein paar Pegidisten, die sich | |
| über die Fotos von nicht blonden Kindern empörten und die rassistische | |
| Sprüche dazu machten, weil der Ferrero-Konzern den üblichen teutschen | |
| 08/15-Werbejungen ausgewechselt hatte. Zugunsten einer bunten Mischung | |
| Fußballkinder für die Sonderschokoladen zur Fußball-EM. Und weil es sich | |
| bei den neuen Kindern unter anderem um die heutigen deutschen | |
| Nationalspieler Jérôme Boateng und İlkay Gündoğan handelt, schwappt jetzt | |
| eine Aufregungswelle durch das Netz. Wobei die meisten Posts eindeutig für | |
| die Präsenz von Boateng und Gündoğan plädieren – sowohl auf | |
| Kinderschokolade als auch auf deutschen Fußballschlachtfeldern seien sie | |
| gern gesehen, betont die klare Mehrheit. | |
| Womit wir bei der Frage wären, warum so ein paar Rassisten so viel | |
| Aufmerksamkeit verdienen, die auch dieser Text der Sache widmet. Tja. | |
| Offenbar haben viele Menschen das Bedürfnis, rechtzeitig vor der EM zu | |
| klären, wie sie das finden, dass Deutschland auch bei dem Turnier in | |
| Frankreich wieder durch Spieler mit verschiedensten Migrationshintergründen | |
| vertreten wird. Bei 15 Prozent und mehr für die AfD scheint die Antwort | |
| nicht selbstverständlich. | |
| Klar, auch die NPD hat schon vor zehn Jahren gegen schwarze Nationalspieler | |
| gehetzt, aber das ließ sich noch abhaken als unschöne Aktion einer | |
| demoskopisch vernachlässigbaren Minipartei. Jetzt meinen viele, auf die | |
| peinlichen Pegida-Posts reagieren zu müssen. Wie die Grünen-Chefin Simone | |
| Peter, die ökopflichtgemäß vorausschickt: „#Ferrero zu unterstützen läge | |
| mir ja sonst fern.“ Um dann heldenmutig zu [1][twittern]: „Aber morgen | |
| gibt’s ’ne Großpackung #Kinderschokolade.“ | |
| ## Zusammen für Deutschland jubeln? | |
| Nicht nur für Grüne dient diese „Debatte“ auch der einfachen | |
| Selbstvergewisserung: Hier sind wir wenigstens mal wieder ganz sicher auf | |
| der richtigen Seite. Eine klare Haltung zur Flüchtlingsfrage fällt da schon | |
| schwerer. Die Räumung des Lagers in Idomeni hat denn auch viel weniger | |
| Hashtags und Postings ausgelöst als die [2][#Kinderschokolade]. | |
| Und ist die öffentliche Solidarität mit dem DFB-Team wirklich nötig? Muss | |
| man wirklich annehmen, dass 15 Prozent der MitbürgerInnen oder gar mehr | |
| keinen Gündoğan und Boateng im deutschen Trikot sehen möchten? Wir wissen | |
| es nicht. Und das ist Teil des Problems. Weil die Menschen, die das nicht | |
| wollen, normalerweise nie mit denen reden, die sich das nicht vorstellen | |
| können. Und umgekehrt. Pegidisten und Linksliberale wissen wenig | |
| übereinander, ahnen aber Schlimmstes und gehen sich lieber aus dem Weg. | |
| Außer vielleicht – genau, beim Fußball. Bei den Fernsehübertragungen in | |
| Biergärten, Kneipen und Fanmeilen kommen sie ausnahmsweise mal zusammen, da | |
| werden AfD-Fans, eher unpolitische Normalos und Pro-Asyl-Mitglieder | |
| nebeneinander sitzen. Wahrscheinlich werden sie auch da kaum diskutieren, | |
| sondern bier- und ballfixiert auf den Bildschirm starren, aber laut | |
| zusammen jubeln, wenn ein Tor für Deutschland fällt. Und den Allermeisten | |
| wird dann vollkommen wurscht sein, ob es Schweini oder Boateng geschossen | |
| hat. Also alles gut? | |
| ## Total normal | |
| Immerhin: Die bunte PR-Aktion von Ferrero ist ein gutes Zeichen. Die machen | |
| das ja nicht aus Multikulti-Liebe, sondern aus kommerziellem Interesse. | |
| Schön, wenn sich das lohnt! Auch für junge Panini-Sammler ist es heute | |
| total normal, Mesut Özil bei Deutschland einzukleben – egal, ob der sein | |
| letztes Selfie aus seinem Wohnort London, seinem Geburtsort Gelsenkirchen | |
| oder aus [3][Mekka] gepostet hat. | |
| Und genau weil das alles inzwischen so normal ist, finden Rassisten das | |
| bunte deutsche Team so schlimm. Erst recht, wenn es erfolgreich ist. Ein | |
| Grund mehr, dem DFB-Team die Daumen zu drücken. Oder den Franzosen. Deren | |
| Truppe ist noch bunter – und spielt damit auch gegen Marine Le Pen. Bonne | |
| chance! | |
| 25 May 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/peter_simone/status/735222042195267584 | |
| [2] https://twitter.com/hashtag/Kinderschokolade?src=hash | |
| [3] https://www.facebook.com/mesutoezil/photos/a.552832191462024.1073741825.552… | |
| ## AUTOREN | |
| Lukas Wallraff | |
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