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# taz.de -- Anti-Regierungs-Demo in Warschau: Eine Viertelmillion protestiert
> Über Parteigrenzen und politische Lager hinweg haben die Polen ihre
> Zugehörigkeit zu Europa demonstriert. Es war die größte Demo seit
> Jahrzehnten.
Bild: Zu dem Protest hatte das oppositionelle Komitee zur Verteidigung der Demo…
Warschau taz | „Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium“, singen
Kasia, Adam und Piotr aus voller Kehle. Mit fünf Bussen sind sie und ihre
Freunde aus Bialystok in Ostpolen nach Warschau gekommen, um für Polen in
der EU, für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu demonstrieren. Adam hakt
sich bei Wildfremden unter, Piotr schwingt eine EU-Flagge, und Kasia
dirigiert einen imaginären großen Chor – bis tatsächlich rund 50
Demonstranten mitsingen: „Alle Menschen werden Brüder …“
Insgesamt protestierten am Samstag knapp 250.000 Menschen gegen die
rechtsnationale Recht-und-Gerechtigkeits-Regierung (PiS), wie die
Stadtverwaltung von Warschau angab. Aufgerufen zur Großdemonstration hatte
die außerparlamentarische Oppositionsbewegung „Komitee zur Verteidigung der
Demokratie“ (KOD), die von einer kleinen Facebook-Gruppe im November 2015
zu einer mächtigen Protestbewegung angewachsen ist, außerdem die
Robert-Schumann-Stiftung, die immer Anfang Mai den Europatag feiert, sowie
weitere Stiftungen und Oppositionsparteien.
„Wir sind und bleiben in Europa“, war das Motto. Da die Polizei, deren
Chefs durch loyale PiS-Gefolgsleute abgelöst wurden, die Zahl der
Regierungsgegner auf Demonstrationen immer wesentlich niedriger angibt als
die Stadtverwaltung – dieses Mal seien es angeblich nur 30.000 PiS-Gegner
gewesen –, nehmen Kameras und Drohnen die Märsche auf. Im Netz kann sich
jeder selbst ein Bild machen.
Zu einem Gegenmarsch hatten die von der katholischen Kirche unterstützten
Rosenkranz-Kreuzzügler zur Verteidigung des Vaterlandes aufgerufen, die
auch im Parlament vertretenen Nationalisten sowie weitere nationalistische
Gruppierungen. „Polen! Mut!“, riefen sie von der Eingangsempore der
Heilig-Kreuz-Kirche aus und hielten ein Transparent mit der Forderung
„Inthronisation Jesu zum König Polens“ in die Höhe. Nach Angaben der Stadt
folgten dem Aufruf der Nationalklerikalen rund 2.500 Demonstranten. Die
Polizei zählte rund 4.500 PiS-Anhänger.
„Bronku, Bronku!“, jubeln die Demonstranten der Europaparade dem
Expräsidenten Bronisław Komorowski zu, der die europäischen Werte in Polen
verteidigen will. Im Mai 2015 verlor er die Präsidentschaftswahlen gegen
den PiS-Politiker Andrzej Duda, der mit seinem Sozialgeschenke-Wahlkampf
die sicher geglaubte zweite Amtszeit Komorowskis verhinderte. Heute bereuen
viele die Wahl Dudas. Die Demonstranten werfen Duda Verfassungsbruch vor
und eine Lakaienmentalität gegenüber Jaroslaw Kaczyński, dem
PiS-Parteichef.
„Wir sind heute hier zusammengekommen, weil wir anders als Jarosław
Kaczyński nicht glauben, dass die EU ein Sparschwein ist, das so schnell
wie möglich geschlachtet werden soll“, ruft Kamila Gasiuk-Pihowicz von der
Partei Die Moderne den Demonstranten zu. Kasia, Adam und Piotr aus
Bialystok nicken. „Von uns hier will niemand einen autoritären Staat“, sagt
Adam. „Wir bauen fest auf die EU. Sie muss uns vor den PiS-Polen retten!“
7 May 2016
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
Europa
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Warschau
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