# taz.de -- Arte-Film „Seit du da bist“: Nouvelle Vague trifft Degeto | |
> Michael Hofmanns „Seit du da bist“ versucht krampfhaft, keine Schmonzette | |
> zu sein, will aber auch niemandem wehtun. Das passt nicht. | |
Bild: Ist das nicht schön, wenn die ganze Familie gemeinsam musiziert? | |
Es spricht erst einmal überhaupt nicht gegen einen Film, wenn er nicht | |
sofort in eine der üblichen Genreschubladen passt. Und wenn ein Film, | |
obschon kein Lebewesen, sympathisch sein kann, dann dieser. Allein die | |
erlesene Besetzung. | |
Trotzdem ist „Seit du da bist“ ein sonderbarer Film: Französische Nouvelle | |
Vague trifft deutsche Degeto, so könnte man ihn beschreiben. Der Film will | |
sehr offensichtlich keine Schmonzette sein, wirft deshalb einiges an | |
Melancholie und Lebenserfahrung in die Waagschale, möchte dabei aber bloß | |
nicht schwer verdaulich und ganz bestimmt nicht verletzend sein, weshalb | |
der Film unterm Strich dann doch beinahe so seicht geworden ist, wie er auf | |
keinen Fall hatte werden wollen. | |
Dass „Seit du da bist“ so schwer einzuordnen ist, liegt aber sicher auch | |
daran, dass er mehrfach die Richtung wechselt, was den Verdacht nahelegt: | |
Autor und Regisseur Michael Hofmann wusste nicht so genau, was er | |
eigentlich wollte. | |
Während der Titel eine Adaption eines Nicholas-Sparks-Bestsellers vermuten | |
lässt, tendiert die Handlung erst einmal in Richtung | |
Christine-Nöstlinger-Verfilmung, die es versehentlich in die Primetime | |
geschafft hat: Die neunjährige Lilia (Allegra Tinnefeld), um die sich | |
anfangs alles dreht, kann man sich jedenfalls sehr gut neben den anderen | |
bockig-emanzipierten Helden der Kinderbuchautorin vorstellen. | |
Ihr wird von den Erwachsenen, namentlich von ihrer alleinerziehenden Mutter | |
Alina (Katharina Schüttler), auch einiges zugemutet: Lilia wird von ihr | |
verleugnet, beim Bewerbungsgespräch um den „Traumjob“ in irgend so einer | |
Medienagentur. „Haben Sie Kinder?“, fragt der Interviewer – „Nein“, | |
antwortet Alina mit nur minimaler Verzögerung. „Das ist gut. Also nicht, | |
weil wir hier was gegen Kinder haben, ganz im Gegenteil, ich hab ja selbst | |
so einen kleinen Racker, und unsere Empfangsdame, die Caroline, die hat | |
sogar drei Kinder, und sie ist alleinerziehend, das ist alles kein Problem. | |
Aber die kommt um acht und geht um Punkt vier. Aber das könnten Sie dann | |
als Kundenbetreuerin nicht. Da geht der Tag schon manchmal bis in die | |
Nacht, wenn viel los ist. Wäre das ein Problem für Sie?“ „Überhaupt nich… | |
## Plötzlich in der Nebenrolle | |
Da kommt Alinas vorletzter Ex Jarek (Manuel Rubey) ins Spiel, der nicht | |
Lilias Vater ist, aber ein ganz Lieber und außerdem ein erfolgloser Maler, | |
weshalb er die Zeit hat, die Alina nicht mehr hat, um Lilia von der Schule | |
abzuholen und auf seiner Vespa zum Geigenunterricht zu fahren. Leider teilt | |
Lilia das Schicksal vieler TV-Kinder, ganz furchtbar altklug sein zu | |
müssen. Der Film wird dessen aber gerade noch rechtzeitig gewahr, und so | |
lässt das Drehbuch Jarek sagen: „Weißt du, was noch schlimmer ist als | |
erfolglose Künstler? Altkluge Kinder.“ | |
Von da an ist Lilia nicht länger altklug, ihre Rolle plötzlich auch nur | |
noch eine Nebenrolle in einer etwas sonderbaren romantischen Komödie. Denn | |
als Jarek hört, wie Lilias Geigenlehrerin Clara (Martina Gedeck) Sibelius | |
geigt, ist es um ihn geschehen. Diese beiden sensiblen Schön- und | |
Feingeister – ohne künstlerischen Erfolg – sind wie für einander gemacht, | |
und ihre etwas sonderbare Liebe ist so was von nicht von dieser Welt, dass | |
sie mit irdischen Dingen wie sexuellem Verlangen rein gar nichts zu tun | |
hat. | |
Allein, die Geigenlehrerin ist eine verheiratete Frau, ihr Mann Bertschi | |
(Robert Palfrader) ein grober Klotz, ein typischer Erfolgsmensch. Jareks | |
Gegenteil, in jeder Hinsicht, und ein ziemlich diesseitiges Hindernis auf | |
dem Weg zu einem Happy End, das so verhalten und behutsam daherkommt wie | |
die beiden Liebenden. Und dass die einander bis zuletzt siezen, ist mit das | |
Sympathischste an diesem sonderbaren Film. | |
6 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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