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# taz.de -- Kolumne Teilnehmende Beobachtung: Pfingsten sind Geschenke am gerin…
> Vatertag, Muttertag, Europatag: Der Mai ist der Monat mit den meisten
> Feier- und Festtagen. Von Erbsensuppe und Marschiergeld, Flieder und
> Apfelkorn.
Bild: Diese Herren hatten's lustig am Vatertag
|Ist das schön! Es ist Mai, der Wonnemonat mit den meisten Feiertagen. Tag
der Arbeit, Christi Himmelfahrt, Pfingsten. Hinzu kommen Festtage wie
Muttertag und – na ja – der Europatag sowie der eine oder andere
Brückentag.
Meinen Tag der Arbeit verbrachte ich bei meiner Familie an der Ostsee. Im
Strandcafé gab es Erbsensuppe (gratis) mit Bockwurst (1 Euro), dazu
Schlager von der Dorfkapelle. Solange ich mich erinnern kann, gibt es
Erbsensuppe am 1. Mai. Auch schon zu DDR-Zeiten, als der Tag noch
„Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen“ hieß. Damals mussten
die Bürger jedoch zuerst für „Frieden und Sozialismus“ demonstrieren. Sog…
bei uns, in der Provinz, mit Blaskapelle und Nelke, vorbei an Häusern und
Vorgärten, in denen die rote Arbeiterfahne wehte. 5 Mark „Marschiergeld“
erhielten manche ArbeiterInnen als Motivation zum Mitlaufen von ihren
Betrieben.
Den Muttertag gab es damals noch nicht. Stattdessen widmete die DDR den
Internationalen Frauentag am 8. März gleich allen Frauen, die aber an
„ihrem“ Tag nicht freibekamen. In meiner Familie, in der die Frauen
generationsübergreifend Lehrerinnen waren, gab es trotzdem einen
mütterlichen Feiertag, wenn auch nicht im Mai. Am 12. Juni feierten meine
Mutter, Oma und Tante Lehrertag. Den Tag, an dem die Deutsche Demokratische
Republik die Leistungen der Pädagogen würdigte. Schüler überraschten ihre
Klassenlehrer mit kleinen Geschenken oder Blumen. Stolz überreichte ich
Frau Kmetsch in der zweiten Klasse ein Deckchen aus feiner Spitze, das
meine Oma gehäkelt hatte. Wir Schüler mochten den Lehrertag, denn am
Nachmittag fiel der Unterricht aus. Das Lehrerkollektiv feierte bei Kaffee
und Kuchen.
Etwas rustikaler geht es hingegen am volkstümlichen Vater- oder Herrentag
zu, der seinen weltlichen Ursprung Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin
gehabt haben soll. Feiern die Christen an Christi Himmelfahrt die Rückkehr
Jesu Christi als Sohn Gottes in den Himmel, feiern weltliche Männer vor
allem sich selbst – mit geschmückten Bollerwagen und Hochprozentigem.
## Mädchentour am Herrentag
Im Teenageralter begaben sich auch die pubertierenden Jungen meines
Freundeskreises auf Herrentagspartie. Sie wanderten früh am Morgen los,
ausgerüstet mit Hut, Wanderstiefeln und kurzen Hosen, sangen Lieder und
tranken Alkoholika. Letzteres in so großen Mengen, dass die Party gegen
Mittag meist schon wieder zu Ende war.
Einmal, ich war 16 Jahre alt, wollten wir Freundinnen es den Männern
gleichtun. Für unsere Mädchentour am Herrentag schmückten wir unsere
Fahrräder mit Flieder und Girlanden, unterwegs tranken wir Apfelkorn aus
kleinen Flaschen und grölten lautstark durch die Gegend. Wir waren stark,
die Menschen, die uns entgegenkamen, irritiert. Mir aber wurde die Sache
mit jedem Kilometer peinlicher, und so ließ ich mich irgendwann
zurückfallen und die anderen davonradeln.
Heute lasse ich es an den Maifeiertagen eher ruhiger angehen. Zu Pfingsten,
wenn die Christen Kirchengeburtstag feiern, werde ich wohl ins Grüne fahren
und an meine Uroma denken. „Zu Pfingsten sind die Geschenke am geringsten“,
pflegte sie zu sagen, wenn ihr Geburtstag im Mai auf Pfingsten fiel.
8 May 2016
## AUTOREN
Julia Boek
## TAGS
DDR
Muttertag
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Fremd und befremdlich
Rügen
Teilnehmende Beobachtung
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