# taz.de -- Bargeldlos gegen Kriminalität: Kein Schein zahlt mich an | |
> Barzahlungen sollen bald begrenzt werden – als Maßnahme gegen | |
> Kriminalität. Funktioniert das? Wissenschaftler sind skeptisch. | |
Bild: Hallo? Jemand zuhause? | |
BERLIN taz | Immobilienmakler zum Beispiel, die sind ein Problem. Aber | |
auch: Händler, die Luxusgüter wie Yachten oder hochpreisige Uhren, | |
Antiquitäten, Kunstobjekte oder teure Autos verkaufen. Sie alle gehören | |
laut einer Studie der Universität Halle-Wittenberg zu einer | |
Hochrisikogruppe. Einer Gruppe, die häufig mit Kunden konfrontiert ist, die | |
illegales Bargeld möglichst schnell und unauffällig zu legalen Gütern | |
waschen wollen. Und dabei aber, so die Autoren der Studie im Auftrag des | |
Finanzministeriums, nicht gerade ein hohes Problembewusstsein an den Tag | |
legen. | |
Seitdem die EU-Finanzminister eine gesetzliche Obergrenze für | |
Bargeldtransaktionen ins Gespräch gebracht haben und die EU-Kommission bis | |
zum 1. Mai einen entsprechenden Bericht vorlegen soll, steht die Frage im | |
Raum: Kann eine solche Obergrenze Geldwäsche, Terror oder überhaupt | |
Kriminalität eindämmen? Und wenn ja, welche Nachteile gälte es dafür in | |
Kauf zu nehmen? | |
Hundert Milliarden Euro jährlich. Das ist die Größenordnung, in der die | |
Wissenschaftler aus Halle das jährliche Geldwäschevolumen in Deutschland | |
beziffern. Das weltweite Volumen schätzt der IWF auf umgerechnet zwischen | |
530 Milliarden und 0,9 Billionen Euro. Darin enthalten ist der | |
Bootsbesitzer, der sich seine Yacht mit Geld aus der organisierten | |
Kriminalität bezahlen lässt. Die Restaurantinhaberin, die nur ausnahmsweise | |
Gäste bewirtet und stattdessen mit Schwarzgeld Waren einkauft und unter der | |
Hand wiederverkauft. Und die illegalen Glücksspielmillionen, das Geld auf | |
Schweizer Nummernkonten, die in Tranchen überwiesenen Beträge, die über | |
diverse Briefkastenfirmen weitergewaschen werden. | |
Ralf Fendel, Professor für monetäre Ökonomik an der Beisheim School of | |
Management, erklärt das Prinzip, nach dem Geldwäsche in der Regel | |
funktioniert: Zuerst wird das zu waschende Geld in den Kreislauf gebracht. | |
Es wird hin und her überwiesen, nach Möglichkeit über Strohleute oder | |
Briefkastenfirmen. Ist irgendwann die ursprüngliche Herkunft praktisch | |
nicht mehr zu ermitteln, kommt der Zeitpunkt der sicheren Geldanlage – zum | |
Beispiel ein Immobilienkauf. | |
„Bargeldzahlungen sind weit verbreitet, um terroristische Aktivitäten zu | |
finanzieren“, sagt ein Sprecher der EU-Kommission. Daher prüfe man ein | |
EU-weites Limit für Bargeldzahlungen. Derzeit gibt es in der EU einen | |
Flickenteppich – manche Länder schreiben gar keine Grenze vor, in anderen | |
ist bei tausend Euro Schluss mit Bargeld. | |
## „Die Kriminellen werden ausweichen“ | |
Hans-Peter Burghof, der an der Universität Hohenheim unter anderem zu | |
Finanzdienstleistungen forscht, sagt: „Sie kriegen nicht den kleinen | |
Drogenhändler, der kommt gut mit unter 5.000 Euro aus.“ Und für alle | |
anderen gelte: „Die Kriminellen werden einfach stückeln oder ausweichen.“ | |
Zum Beispiel auf andere Währungen oder eines der zahlreichen digitalen | |
Zahlungssysteme. | |
Tatsächlich ist eine positive Auswirkung von Beschränkungen bei | |
Bargeldtransfers etwa auf die Geldwäsche nicht belegt – auch wenn es in | |
zahlreichen europäischen Ländern bereits Grenzen gibt. Burghoff sagt: Es | |
ließe sich auch gar nicht belegen. Zwar würde bei einer Untersuchung | |
vermutlich das gemessene Geldwäschevolumen sinken – dafür stiege äquivalent | |
der nicht messbare Anteil, weil sich Zahlungswege verlagerten. Und: Die | |
jüngsten Anschläge wurden geplant und durchgeführt in Ländern mit | |
Obergrenze. In Belgien liegt das Limit bei 3.000 Euro, in Frankreich wurde | |
es als Reaktion auf die Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo auf | |
1.000 Euro gesenkt. | |
Die Wirkung auf Kriminalität wäre also zweifelhaft – und die Auswirkungen | |
für Verbraucher? | |
„Der Otto Normalbürger würde von einer Bargeldtransaktionsgrenze bei 5.000 | |
Euro überhaupt nichts merken“, sagt Fendel. Denn die Zahl der Fälle, in | |
denen Verbraucher hohe Summen mit Bargeld zahlen müssen, ist eher begrenzt. | |
Berühmte Ausnahme: der Gebrauchtwagenkauf. „Für uns wäre so ein Limit | |
tatsächlich ein Problem, denn die meisten Autos, die wir verkaufen, kosten | |
mehr als 5.000 Euro“, sagt Özlem Koc vom gleichnamigen | |
Gebrauchtwagenhändler in Mannheim. Barzahlung sei vor allem wichtig, weil | |
zahlreiche Kunden aus dem Ausland kämen. Da sei eine Überweisung nicht | |
unbedingt ein verlässlicher Zahlungsweg. Und für EC- oder Kreditkarten | |
sprenge ein Autokauf meist das Zahlungslimit. | |
## Abhängigkeit von Paypal | |
Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband ist gegen ein Limit für | |
Bargeldzahlungen. In jedem Fall müssten Verbraucher untereinander Güter | |
frei verkaufen können. Ohne sich in Abhängigkeit von Anbietern zu begeben, | |
die Zahlungswege wie Paypal mit sich bringen. Und ohne die Unsicherheit, ob | |
das Gegenüber die vereinbarte Summe tatsächlich auch überweist. „Einige | |
Mitgliedsstaaten mit Bargeldbegrenzungen haben aus guten Gründen private | |
Zahlungen explizit ausgenommen“, sagt Verbandsvorstand Klaus Müller. | |
Und was ist mit einer Abschaffung des 500-Euro-Scheins? Wissenschaftler | |
Fendel sieht diese Idee etwas weniger kritisch: Denn obwohl der 500er | |
selten vorkomme, sei sein Anteil am im Umlauf befindlichen Bargeldvolumen | |
überproportional hoch. „Das lässt sich nicht durch normale Transaktionen | |
erklären.“ In anderen wichtigen Währungen gebe es Scheine vergleichbarer | |
Größenordnungen nicht. Ein 500-Euro-Schein macht es Kriminellen also | |
leichter als notwendig – doch auch hier gilt: Ob eine Abschaffung nur mehr | |
Aufwand für die Kriminellen bedeutet oder manche Geschäfte damit | |
tatsächlich unattraktiv werden, könnte nur die Praxis zeigen. | |
Denn Ausweichmöglichkeiten haben Kriminelle zur Genüge – selbst falls die | |
Eurozone komplett das Bargeld abschaffen wollte. Andere Währungen, ob bar | |
oder per Überweisung, digitale Währungen wie Bitcoin, Geldversender wie | |
Western Union oder die immer wichtiger werdenden Gutscheinkarten. Vor allem | |
bei Händlern mit sehr umfassendem Sortiment. „Ein 50-Euro-Amazon-Gutschein | |
ist so etwas wie ein 50-Euro-Schein“, sagt Fendel. Ein Verschieben auf | |
andere Zahlungswege also. Bis zum nächsten Verbot. | |
Burghof fordert daher, in anderen Bereichen anzusetzen. Und zum Beispiel | |
die Regeln für Geldwäsche, die bislang schon für Banken gelten, | |
auszudehnen. Etwa auf Immobilienmakler. Er vermutet dann auch etwas anderes | |
hinter dem Vorstoß aus der Finanzpolitik: „Die Europäische Zentralbank | |
würde gerne Konjunkturpolitik machen mit noch niedrigeren Zinsen.“ Doch je | |
niedriger die Zinsen, desto eher flüchteten Kunden ins Bargeld – zumindest, | |
solange es möglich ist. | |
28 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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