| # taz.de -- Diskussion über Abschaffung von Bargeld: Kleines Geld, große Liebe | |
| > In Dänemark wird das Bargeld abgeschafft, in Frankreich reduziert. Nur | |
| > die Deutschen halten an Münzen und Scheinen fest. Warum? | |
| Bild: Wahres Bares hilft offenbar vielen, nachts besser zu schlafen | |
| Er würde sicher bitterlich weinen, gäbe es kein Bargeld mehr: Dagobert | |
| Duck. Liebt der gefiederte Geldsammler doch Vollbäder in seinen | |
| glitzernden, klingenden Münzen. Für die Deutschen wäre es nicht minder | |
| schlimm – Bargeld ist und bleibt das beliebteste deutsche Zahlungsmittel. | |
| [1][Laut einer Studie der Deutschen Bundesbank wurde 74 Prozent der | |
| Geldtransaktionen] 2017 mit Banknoten und Münzen bezahlt. 88 Prozent der | |
| Befragten möchte, dass das so bleibt. In einem deutschen | |
| Durchschnittsgeldbeutel befinden sich 107 Euro, davon 6,29 Euro in Münzen. | |
| Damit sind die Deutschen Europas BargeldkönigInnen. Im Schnitt 2.200 Euro | |
| lagern sie sicherheitshalber bar zu Hause – je nach Stückelung ließe sich | |
| damit schon eine Badewanne füllen. | |
| „Rein technisch gesehen bräuchte man das Bargeld schon lange nicht mehr“, | |
| sagt Jörn Quitzau, Volkswirt der Hamburger Berenberg Privatbank. „Das hat | |
| viel mit Gewohnheit zu tun. Die Deutschen kennen es eben so.“ Im Vergleich | |
| zu anderen europäischen Ländern liegen die Deutschen mit ihrer Liebe zum | |
| Bargeld und der Weigerung, sich mit anderen Bezahlmethoden anzufreunden, | |
| weit zurück. In Großbritannien, Schweden und Dänemark ist Bargeld fast | |
| schon ein Artefakt aus vergangener Zeit. | |
| 80 Prozent aller Zahlungen werden in Schweden elektronisch getätigt. | |
| [2][Obdachlose nutzen die mobile App „Swish“ fürs Betteln:] Eine | |
| Handynummer reicht aus, um in Echtzeit Geld von einem Konto zum anderen zu | |
| „swishen“. Die Ausrede „Hab kein Kleingeld dabei“ zieht nicht mehr. Auch | |
| gab es 2016 in Schweden nur noch zwei Banküberfälle. | |
| ## Wegschmelzende Ersparnisse | |
| In Dänemark müssen kleinere Geschäfte und Etablissements Bargeld nicht mehr | |
| annehmen. Während es in vielen Cafés in Deutschland noch ganz | |
| hinterwäldlerisch heißt: „Cash only“, ziert dort „Cash free“ die | |
| Restaurants. Dänemark will 2030 eines der ersten bargeldfreien Länder der | |
| Welt werden. Seit 2017 werden wegen geringer Nachfrage keine Banknoten mehr | |
| nachgedruckt. | |
| Die ältesten bekannten Münzen stammen aus dem siebten Jahrhundert v. Chr. | |
| aus dem antiken Kleinasien. Mit der Neolithischen Revolution, also dem | |
| Sesshaftwerden der Menschen, beginnt Ackerbau und Viehzucht. Die | |
| Arbeitsteilung beginnt. Muscheln, Steine, Felle oder Perlen und schließlich | |
| Münzen werden als Tauschware eingeführt und gewährleisten so den Erhalt | |
| einer Gegenleistung. | |
| Weltweit hat sich diese Form des Warentauschs durchgesetzt. Aber immer | |
| wieder wurde das Vertrauensverhältnis auf die Probe gestellt. Während der | |
| Inflation der 1920er Jahre haben nicht nur die Deutschen erlebt, wie Geld | |
| von einem auf den anderen Tag an Wert verlor. 2008 kam mit der globalen | |
| Finanzkrise die Angst auf, dass die Finanzsysteme kollabieren, Erinnerungen | |
| an die erste große Weltwirtschaftskrise kamen hoch, die Angst kursierte, | |
| Ersparnisse auf der Bank könnten innerhalb von Minuten weggeschmolzen sein. | |
| „Aus Angst, dass das Geld im Alter nicht reichen wird, sparen die Menschen | |
| und verlagern damit Kaufkraft in die Zukunft. Und wenn sie Sorge haben, das | |
| Geld könne morgen nichts mehr wert sein, horten sie das Geld zu Hause“, | |
| erklärt Volkswirt Quitzau. | |
| ## Liebe zum Bargeld | |
| Wahres Bares, also das, was man in der Hand halten kann, hilft offenbar | |
| vielen, nachts besser zu schlafen. Und es schützt vor der Paranoia, bei | |
| Stromausfall nicht mehr an Geld zu kommen. | |
| In der Studie der Deutschen Bundesbank zum Zahlungsverhalten in Deutschland | |
| 2014 finden sich noch weitere Gründe für die Liebe zum Bargeld: Man muss | |
| sich keine kniffligen Geheimnummern ausdenken und merken und keine | |
| schmutzige Kartenterminals berühren. | |
| Der vielleicht wichtigste Grund dafür, warum die Deutschen ihr Bargeld | |
| nicht hergeben wollen, liegt darin, dass sie im Vergleich zum Rest Europas | |
| größeren Wert auf Datenschutz legen. | |
| Während die Skandinavier ihre Steuererklärungen sogar im Internet | |
| veröffentlichen, verraten die Deutschen nicht mal ihren Freunden, wie viel | |
| Geld sie verdienen. „Bargeld ist geprägte Freiheit“, zitiert | |
| Finanztip-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen den russischen Dichter | |
| Fjodor Dostojewski. Nur so kann man bezahlen, ohne dass nachverfolgt werden | |
| kann, wer was für wie viel gekauft hat. Bei jeder bargeldlosen Transaktion | |
| hingegen können Daten über den Verbraucher und sein Verbraucherverhalten | |
| erfasst werden. | |
| ## Geld nach Gesichtserkennung | |
| Gleichzeitig ist genau das auch ein Argument gegen das Bargeld. Mithilfe | |
| der übermittelten Daten bei Überweisungen, Lastschriften, per Girocard, | |
| Kreditkarte, Mensakarte, Instant Payment, Mobile Payment und kontaktlosem | |
| Bezahlen könnten der Schwarzmarkt, Schwarzarbeit, Drogenhandel, | |
| Steuerhinterziehung, illegale Prostitution und Glücksspiel leichter | |
| verfolgt werden. | |
| [3][Die Europäische Union hat deshalb beschlossen, den 500-Euro-Schein bis | |
| Ende 2018 abzuschaffen] und diskutiert über eine EU-weite | |
| Bargeldobergrenze. Frankreich reduzierte seine Bargeldgrenze bereits von | |
| 3.000 Euro auf 1.000 Euro, um die Finanzierung von Terrorismus zu | |
| erschweren. Ob das hilft, ist umstritten. | |
| Für die Banken wäre es lukrativ, das Bargeld abzuschaffen. Bargeld ist | |
| teuer und unbequem: Kleine Centstücke müssen eingerollt, Geldscheine | |
| gebündelt und zu den Banken gebracht werden. Diese wiederum tragen hohe | |
| Kosten für das Bestücken der Geldautomaten, für die Kassenschalter, das | |
| Personal und die extrem hohen Sicherheitsvorkehrungen. Mit dem Ende des | |
| Bargelds würden die Banken viele Kosten einsparen. | |
| Bei den bargeldverliebten Deutschen schindet diese Begründung kaum | |
| Eindruck. „Wir hätten richtig Alarm in Deutschland, würde man jetzt das | |
| Bargeld abschaffen“, glaubt Quitzau. Vielleicht muss das Vertrauen in die | |
| bargeldlosen Bezahlmöglichkeiten weiterwachsen. Ob die vielen aus dem Boden | |
| sprießenden, neuen Bezahl-Apps von Supermarktketten, das Bezahlen per | |
| Spracherkennung, das Mastercard anstrebt, oder Beispiele wie des | |
| chinesischen Onlinehändlers Alibaba, der Geldbeträge nach erkanntem Lächeln | |
| durch Gesichtserkennung verschickt, dabei helfen? Wer weiß. | |
| ## In Erinnerungen schwelgen | |
| „Wenn eine Generation weiter niemand mehr Bargeld will, dann kann es auch | |
| abgeschafft werden“, sagt Quitzau. „Das wird aber noch viele Jahre dauern. | |
| Der Wettbewerb soll entscheiden, welches Zahlungsmittel sich durchsetzt.“ | |
| Und was soll man mit all den unbrauchbar gewordenen Geldscheinen machen? | |
| Vielleicht: aufessen. Die Münzen könnte man einschmelzen und | |
| weiterverwerten. Oder darin baden und in schönen Erinnerungen schwelgen. | |
| Dagobert Duck würde das gefallen. | |
| 12 Aug 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/umfrage-der-bundesbank-deutsche-blei… | |
| [2] /Schweden-reduziert-Bargeld/!5291172 | |
| [3] /Finanzexperte-ueber-den-500-Euro-Schein/!5301098 | |
| ## AUTOREN | |
| Stella Schalamon | |
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