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# taz.de -- Razzia in Berlins größtem Bordell: Ausbeutung und Gewalt
> Mit 900 Personen haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Zoll am
> Mittwochabend ein Großbordell durchsucht. Offenbar besteht ein
> Zusammenhang mit organisierter Kriminalität.
Bild: Hunderte Polizisten waren bei der Razzia im Großbordell im Einsatz
Berlin dpa | Berlins größtes Bordell steht nach Erkenntnissen von
Staatsanwaltschaft und Polizei in direktem Zusammenhang mit organisierter
Kriminalität. Es gehe um die Hinterziehung von Sozialabgaben, Ausbeutung
und Gewaltanwendung, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Behm am Donnerstag.
Frauen seien „in Abhängigkeit gehalten und ausgebeutet“ worden – mit dem
Ziel, größtmöglichen Gewinn zu erwirtschaften. Einer der Vorwürfe sei zudem
Menschenhandel, wobei die Ermittler dabei zunächst von Einzelfällen
ausgehen.
Im Mittelpunkt stünden nicht nur Bagatelldelikte, sondern Taten, die das
„System des illegalen Umfeldes“ bestätigen würden. Behm zog einen Verglei…
mit dem Mafia-Gangster Al Capone im Chicago der 20er-Jahre, der wegen
Steuerhinterziehung angeklagt wurde, obwohl sich die eigentlichen
Verbrechen auf einer viel massiveren Ebene abgespielt hatten.
Die Staatsanwälte sagten, es gebe auch direkte Verbindungen zwischen dem
Artemis und der kriminellen Rockerbande Hells Angels. Prostituierte hätte
für Mitglieder der Hells Angels gearbeitet. Diese Kontakte seien „sicher
nicht gewaltfrei“ abgelaufen, sagte Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra.
Sechs Verdächtige wurden am Mittwochabend verhaftet. Die beiden Betreiber
stünden unter dem dringenden Verdacht der Hinterziehung von Sozialabgaben
und Steuern, sagte Michael Stork von der Staatsanwaltschaft. Vier
sogenannten Hausdamen wird Beihilfe vorgeworfen. Sie sollen als Bindeglied
zwischen den Betreibern und den Prostituierten für die Umsetzung der
Anweisungen gesorgt haben.
Die Prostituierten hätten nicht selbstständig gearbeitet, sondern seien
abhängig beschäftigt gewesen, so die Ermittler. Sie arbeiteten zum Beispiel
in festgelegten Schichten und mussten sich an Kleider- und Preisvorgaben
für ihre Dienste halten.
17,5 Millionen Euro Schaden sei so durch die Hinterziehung der
Sozialleistungen entstanden, sagte Michael Kulus vom Hauptzollamt.
Unterlagen und Computer aus dem Bordell würden nun in „Sisyphosarbeit“
ausgewertet.
Die entscheidenden Hinweise, die die Ermittlungen auslösten, kamen von
einer der Frauen. Sie sei von ihrem Freund, einem Hells-Angels-Mitglied,
zur Arbeit ins Bordell geschickt und „so malträtiert“ worden, dass sie
keinen Ausweg mehr gesehen habe, als sich an die Polizei zu wenden, so
Kamstra. Im Sommer 2015 wurden dann die Ermittlungen aufgenommen. Die
wichtige Zeugin steht nun unter besonderem Schutz.
Die beiden Bordellbetreiber sind den Angaben nach keine
Hells-Angels-Mitglieder. Sie machten sich selbst die Finger nicht
schmutzig, so die Staatsanwaltschaft. Vielmehr verwalteten sie die
Kriminalität.
Das Bordell war am Morgen nach der Razzia geöffnet. Ein Freier vor Ort
sagte, es seien Mädchen im Gebäude, aber nur wenige im Vergleich zu sonst.
Er habe einen Gutschein für seinen nächsten Besuch im Artemis bekommen.
Taxen setzten vor dem Gebäude Kundschaft ab. Verantwortliche waren nach
Aussagen einer Mitarbeiterin nicht vor Ort. Auch auf telefonische Anfragen
gab es keine Auskunft. Über den weiteren Betrieb muss laut
Staatsanwaltschaft das Gewerbeamt entscheiden.
Laut Staatsanwaltschaft und Polizei wurde bei der Razzia Vermögen im Wert
von 6,4 Millionen Euro beschlagnahmt. 96 Prostituierte wurden seitdem
befragt, sie hätten zum Großteil die Regelungen im Artemis bestätigt.
Insgesamt habe die Polizei bei der Razzia 232 Menschen angetroffen, auch
die Freier wurden befragt.
900 Polizisten, Zoll-Beamte und Staatsanwälte waren am Mittwochabend und in
der Nacht zu Donnerstag im Einsatz. Auch Wohnungen in und außerhalb Berlins
wurden durchsucht.
Es war der zweite große Einsatz gegen die organisierte Kriminalität in
Berlin in dieser Woche. Am Dienstag standen Familienclans im Fokus der
Ermittler. Einen Zusammenhang zum Artemis gibt es aber nicht.
14 Apr 2016
## TAGS
Polizei Berlin
Razzia
Gewalt gegen Frauen
Rigaer Straße
Islamismus
Prostitution
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