| # taz.de -- Amnesty International über Prostitution: „Kriminalisierung ist k… | |
| > Die Legalisierung sei nicht ideal, sagt Catherine Murphy. Um | |
| > Sexarbeiterinnen besser zu schützen, müssten die Regierungen mit ihnen | |
| > zusammenarbeiten. | |
| Bild: Eine Mehrheit der BesucherInnen im Haus der Geschichte hat Amnesty auf se… | |
| taz: Frau Murphy, als Amnesty International sich kürzlich in einer | |
| Grundsatzresolution für die Entkriminalisierung von Prostitution aussprach, | |
| waren viele Frauenrechtlerinnen, die die Prostitution lieber abschaffen | |
| wollen, entsetzt. Ihr Generalsekretär Salil Shetty wurde von der | |
| Zeitschrift Emma zum „Pascha des Monats“ gekürt. Verstehen Sie die Kritik? | |
| Catherine Murphy: Ja, es ist ja bekannt, dass die Feministinnen bei diesem | |
| komplexen Thema gespalten sind. Ein Teil der Kritik beruht allerdings auf | |
| einem Missverständnis darüber, was mit Entkriminalisierung gemeint ist. | |
| Offenbar haben manche verstanden, dass wir Menschenhandel und Ausbeutung | |
| von Prostituierten befürworten. Dem ist natürlich nicht so. | |
| Sie unterscheiden in Ihrer Resolution zwischen der „Entkriminalisierung“ | |
| und der „Legalisierung“ der Prostitution. Das ist schwer zu verstehen. Was | |
| heißt das? | |
| Wir haben bei Sexarbeiterinnen weltweit recherchiert – und viele waren von | |
| der Legalisierung nicht überzeugt. Die legale Prostitution spielt sich oft | |
| innerhalb enger Grenzen ab: Alle, die da nicht hineinpassen, werden | |
| illegal. So werden meist die am stärksten marginalisierten Frauen | |
| kriminalisiert, etwa wenn Straßenprostitution verboten wird. In einem | |
| System, das Sexarbeit entkriminalisiert, können sich Sexarbeiterinnen | |
| dagegen organisieren, wie es ihnen gefällt: So müssen etwa in Neuseeland | |
| die Bordelle eine Konzession haben, aber bis zu vier Sexarbeiterinnen | |
| können gemeinsam selbstständig in einer Wohnung arbeiten und brauchen keine | |
| Konzession. Sie behalten damit die Kontrolle über ihre Arbeit. | |
| Wer nicht reguliert, lässt die Sexarbeiterinnen allein, das ist die Haltung | |
| der deutschen Regierung. Finden Sie das falsch? | |
| Entkriminalisierung bedeutet nicht, dass nicht reguliert wird. Es ist aber | |
| die Frage, ob die Regulierung die Rechte der Sexarbeiterinnen einschränkt | |
| oder ob sie diese Rechte schützt. Neuseeland ist ein gutes Beispiel: Dort | |
| gibt es Regeln, die mit den Prostituierten abgestimmt wurden. Es gibt | |
| Gesundheits- und Sicherheitsstandards. Sie haben das Recht, Freier | |
| zurückzuweisen, ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsplatz selbst zu | |
| bestimmen, sie haben einfach viel mehr Rechte. | |
| In Deutschland werden wir wohl eine Anmeldepflicht für Prostituierte | |
| bekommen. Ist das gut oder schlecht? | |
| Wir wollen nicht bestimmen, wie einzelne Länder die Sexarbeit regulieren. | |
| Aber die Grundlinie muss sein, dass die Menschenrechte der Arbeiterinnen | |
| geschützt und nicht geschwächt werden. Dafür müssen die Regierungen mit | |
| Sexarbeiterinnen zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit findet in den | |
| meisten Ländern nicht statt. Da ist eine Menge Forschungsarbeit nötig. | |
| Amnesty wird sich in den nächsten Jahren damit beschäftigen und für | |
| einzelne Länder detaillierte Vorschläge vorlegen. | |
| Schweden bestraft die Freier, nicht die Prostituierten. Warum gefällt Ihnen | |
| das nicht? | |
| Sexarbeiterinnen werden im nordischen Modell durch sehr viele Gesetze | |
| kriminalisiert: Es ist verboten, eine Wohnung an Prostituierte zu vermieten | |
| oder gemeinsam in einer Wohnung als Prostituierte tätig zu sein. In | |
| Norwegen wurden deshalb viele Prostituierte aus ihren Wohnungen geworfen. | |
| Es ist auch verboten, Werbung zu machen. Außerdem müssen die Prostituierten | |
| ihre Freier verstecken, denn der Kauf von Sex ist ja illegal. Also gehen | |
| die Frauen zu den Freiern nach Hause – was riskanter ist, als ins Auto, ins | |
| Hotel oder Bordell zu gehen! | |
| Sind wir in Deutschland mit unserer Meldepflicht auf dem falschen Weg? | |
| Das findet man am besten heraus, wenn man den Sexarbeiterinnen zuhört. | |
| Nun sind aber die Prostituierten-Organisationen in Deutschland umstritten. | |
| Die Kritik lautet, dass sich vor allem Bordellbetreiber und | |
| Edelprostituierte zu Wort melden, die nicht für die marginalisierte | |
| Migrantin sprechen können. | |
| Das Argument ist mit Vorsicht zu genießen. Denn so kann man die einzige | |
| Gruppe der Prostituierten, die sich zu Wort meldet, delegitimieren und zum | |
| Schweigen bringen. Aber natürlich muss jede Regierung dafür sorgen, dass | |
| auch die marginalisierten Gruppen gehört werden. Das ist in allen anderen | |
| Politikfeldern auch selbstverständlich. | |
| 28 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Heide Oestreich | |
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