| # taz.de -- „Sanft und Sorgfältig“ bei Spotify: Vergoldetes Amokquatschen | |
| > Olli Schulz und Jan Böhmermann wechseln vom Rundfunk Berlin-Brandenburg | |
| > zu Spotify. Für wen sich das lohnt? Kommt auf die Perspektive an. | |
| Bild: Neue Heimat: „Scheißplattform“. So nannte Olli Schulz (l.) Spotify j… | |
| Bevor Jan Böhmermann den türkischen Präsidenten Erdoğan einen | |
| „Ziegenficker“ genannt hat, hätte die Meldung von Dienstag vermutlich nur | |
| wenige interessiert: Erst gaben Böhmermann und sein Kollege Olli Schulz bei | |
| Facebook bekannt, dass sie ihre Sendung „Sanft und Sorgfältig“ beim | |
| Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) [1][aufgeben]. Später meldete das | |
| Branchenmagazin Horizont, dass die beiden [2][mit dem Streamingdienst | |
| Spotify in Verhandlungen stünden]. | |
| Bah! Große Aufregung in den sozialen Medien: Wie können die das machen? | |
| Kapitalistenschweine! Spotify steals the radio star! Das Ende des Podcasts, | |
| wie wir ihn kennen. | |
| Na ja. Das stimmt nur so halb. Zunächst zu den Kapitalistenschweinen: | |
| Schulz und Böhmermann waren tatsächlich keine Freunde von Spotify: Schulz, | |
| der Musiker, lästerte i[3][n einer Folge der Sendung] vor drei Jahren über | |
| die „Scheißplattform, wo der Künstler keine Kohle bekommt“. Das dürfte n… | |
| nicht mehr das Problem von Schulz und Böhmermann sein: Es sei bei den | |
| Verhandlungen um sehr viel Geld gegangen, sagt ein Sprecher des rbb – und | |
| das ist das eigentlich Interessante an der Nachricht vom Wechsel. Es zeigt, | |
| dass aus dem belächelten kleinen „Laberformat“-Podcast – denn als solcher | |
| wurde die Sendung auch veröffentlicht – eine Vermarktungshoffnung geworden | |
| ist. | |
| Bis vor ein paar Jahren waren Podcaster noch als Nerds verschrien: Tüftler, | |
| die in ihrer Küche mit Mikro und Audiosoftware vor sich hinbastelten, das | |
| Resultat ins Netz stellten und von ein paar Leuten angehört wurden. | |
| Diese Zeiten sind längst vorbei. In den USA sind Podcasts ein großes | |
| Geschäft geworden: MacherInnen schließen sich in professionellen Netzwerken | |
| zusammen, Firmen nutzen sie als PR-Instrument, Nachrichtenseiten und | |
| Webmagazine als eine weitere Möglichkeit, ihre Inhalte zu verbreiten. Die | |
| HörerInnenschaft wächst, um einzelne Formate wie die Krimireihe | |
| [4][„Serial“] brach sogar ein richtiger Hype aus. Die Werbeeinnahmen | |
| schwellen an, Plattformen wie Google und Facebook haben angefangen, | |
| Podcasts in ihre Angebote einzubinden, und die öffentlich-rechtlichen | |
| Sender verlieren ihre besten Köpfe an innovative Podcast-Formate. | |
| In Deutschland ist [5][das (noch) anders]. Zwar professionalisiert sich die | |
| [6][Szene auch hier], die Angebote werden aber längst nicht so viel gehört | |
| wie in den USA. Das liegt auch daran, dass das öffentlich-rechtliche Radio | |
| in Deutschland so viel hochwertigen Wortinhalt produziert, dass es | |
| unabhängige PodcastmacherInnen schwer haben. | |
| ## Spotify wird damit zum Netflix für Audio | |
| Spotify versucht dennoch seit Längerem, von den abonnierbaren Audioinhalten | |
| zu profitieren. Seit knapp einem Jahr bietet das schwedische Unternehmen | |
| Podcasts an, von Deutschlandradio Kultur, der BBC oder dem | |
| US-amerikanischen NBC. Nur sind diese Formate auch kostenlos über die | |
| Webseiten der Sender oder über iTunes verfügbar. Spotify gewinnt mit ihnen | |
| keine neuen Kunden. Mit „Sanft und Sorgfältig“ soll das anders werden: Die | |
| Sendung sollen nur zahlende AbonnentInnen hören können. Spotify wird damit | |
| zum Netflix für Audio. | |
| Dass es sich dafür die Show von Schulz und Böhmermann ausgesucht hat, ist | |
| kein Wunder: Seit drei Jahren läuft die Sendung im rbb, nach und nach kamen | |
| weitere ARD-Jugendwellen dazu. In den iTunes-Charts der meist abgerufenen | |
| Sendungen ist sie regelmäßig auf Platz 1. Wenn es also einen Podcast gibt, | |
| der Spotify neue KundInnen bescheren kann, dann dieser. | |
| Schulz und Böhmermann selbst dürfte der Wechsel zwar mehr Honorar bringen, | |
| wohl aber kaum mehr HörerInnen. Gut 1,5 Millionen sollen ihre Sendung | |
| bundesweit zuletzt gehört haben, erzählten sie kürzlich noch. Deutlich mehr | |
| dürften es bei Spotify wohl kaum werden. 20 Millionen zahlende NutzerInnen | |
| hatte der Dienst im Juni 2015 – weltweit. Deutschsprachige also deutlich | |
| weniger. | |
| An die Öffentlich-Rechtlichen hingegen ist der Wechsel eine starke Ansage. | |
| Beim Fernsehen sind sie die Konkurrenz von neuen Plattformen wie Youtube | |
| und Netflix gewohnt. Reaktion darauf ist das geplante Jugendangebot von ARD | |
| und ZDF, für das vor allem Bewegtbild diskutiert wurde. Kommt Spotify als | |
| neuer Wettbewerber hinzu, steht nun also auch das Radioprogramm unter | |
| Druck. | |
| 26 Apr 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=10154485650859316&substory_… | |
| [2] http://www.horizont.net/medien/nachrichten/Sanft--Sorgfaeltig-Schulz-und-Bo… | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=hFcQS8FQD4A&feature=youtu.be | |
| [4] /!5027042/ | |
| [5] /!5259357/ | |
| [6] /!5271370/ | |
| ## AUTOREN | |
| Anne Fromm | |
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