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# taz.de -- Tag des deutschen Biers: Es gärt im Kessel – auch in Berlin
> Am Wochenende wird der „Tag des deutschen Bieres“ gefeiert. In Berlin
> mischen die kleinen Haus- und Craft-Bier-Brauereien die deutsche
> Bierkultur auf.
Bild: Sogar er trinkt Bier
Alle Kölsch- oder Weißbierfans können diesen Absatz überspringen. Ein
perfektes Pils geht nämlich so: Das frische Bier wird in höchstens
zweieinhalb Minuten und in zwei Zügen gezapft, hat mir kürzlich ein
Barkeeper erzählt. Nicht in sieben Minuten. Denn durch zu langes Zapfen
wird das Bier schal. „Perfekt“ wird es, wenn ein eiskalt gespültes Glas
schräg gehalten und zu zwei Drittel befüllt wird. Dann sollte es kurz ruhen
und schließlich mit einem „Pfiff“ die weiße Schaumkrone nachgezapft werde…
Wer also die legendären sieben Minuten auf sein Bier warten muss, sollte
das Lokal wechseln. So läuft das nicht.
Beim Bier, außer man hat zu viel intus, verstehen die Deutschen keinen
Spaß. Noch nicht – doch dazu später. Das Thema „Hopfen und Malz“ gehör…
das Skatspiel quasi zum sturen deutschen Weltkulturerbe. Es geht um Regeln
und Prinzipien, Perfektion, Qualität und Authentizität. Und darum,
Geschichte nicht zu vergessen.
Wenn an diesem Wochenende der „Tag des Deutschen Bieres“ und zudem das 500.
Jubiläum der „Proklamation des Deutschen Reinheitsgebots am 23. April 1516“
in den hiesigen Brauereien und Kneipen gefeiert wird, werden die Mitglieder
des Deutschen Brauer Bundes (DBB) mit Sicherheit auf das Wohl des
Reinheitsgebots anstoßen. Also auf die „vier Säulen der deutschen
Bierherstellung, nämlich Wasser, Gerste, Hopfen und Hefe“, wie Marc-Oliver
Huhnholz vom Berliner DBB sagt. Denn egal ob Alt, Kölsch, Weizen, Export,
Pilsner oder Rauchbier sowie bei 5.000 weiteren Marken, die in Deutschland
– und davon rund 200 in Berlin – gebraut würden: Am „weltweit berühmten
Qualitätssiegel, an der Grundrezeptur, hat sich nichts geändert“, so
DBB-Präsident Hans Georg Eils. „Bier ist rein.“ Geschmacksverstärker, Far…
und Konservierungsstoffe sind tabu.
## Renaissance des Brauens
Trotzdem gärt etwas, gerade in Berlin. Eine paradoxe Marktentwicklung macht
dem Mythos des Reinheitsgebots samt seinem Bier zu schaffen. Anders als
noch vor 25 Jahren, wo fünf Großbrauereien das Geschäft bestimmten, wächst
die Zahl der Betriebe zwar stetig, ohne den Berliner Jahresvertrieb von
zirka zwei Millionen Hektolitern steigern zu können.
1995 gab es 22 Braustätten an der Spree und im Umland, 62 Brauereien und
Hunderte von Marken waren es im Jahr 2015. Gerade jüngst seien in Berlin 20
neue Brauereien, zumeist kleine, hinzugekommen, freut man sich in der
jungen Berliner Brauerszene. Dem Brauereiverband bereitet der
Strukturwandel dagegen Kopfzerbrechen. „Bier brauen erlebt derzeit eine
Renaissance. Die große Kunst ist es aber, am Reinheitsgebot dranzubleiben“,
betont Huhnholz.
Dass Bier hip und jung ist, kann man seit ein paar Jahren förmlich an jeder
Ecke riechen, nicht nur bei Schultheiß/Radeberger in Hohenschönhausen. In
der Weddinger Kneipe „Vagabund“ etwa, einer von drei US-Boys betriebenen
kleinen „Craft Beer Brewey“, blubbert es in den Kesseln gleich hinterm
Tresen. Ein Duft von Malz im „Hopfenreich“ im Wrangelkiez, im
„Heidenpeters“ in der Markthalle Neun oder von belgischem Biersud im
Pankower „Herman“ liegt in der Luft. 200, 500, 1.000 Liter und kaum mehr
werden hier jeweils und entsprechend der Nachfrage pro Tag gebraut und im
Lokal gleich angeboten. Zur Süße, zur alkoholischen Gärung kommen in den
sogenannten Haus- oder Craft-Bier-Brauereien noch Aromen von Früchten,
Salbei oder starken Gewürzen hinzu.
## Legale Zugaben
Anders als die Vorbilder in den USA brauen die Craft-Bier-Brauereien
überwiegend nach dem Reinheitsgebot, experimentieren aber mit eigenen
Rezepten und Aromen, die nach der Hopfengabe hinzugegeben werden dürfen.
Das ist legal.
Weil das Interesse an neuen Bieren in Berlin zugenommen habe, habe man 2013
begonnen, alternative Marken anzubieten, erklärt David Spengler vom
Vagabund – beispielhaft für fast alle Nachwuchsbrauereien „Es gibt eine
Menge gutes deutsches Bier. Was fehlte, war nur die Vielfalt.“ Also gibt es
„Imperial India Pale Ale“, ein „Coffee Stout“ – ein tiefschwarzes,
obergäriges Bier mit ausgeprägter cremefarbenen Schaumkrone – sowie rund 40
weitere Craft-Biere aus der Flasche und dem Fass. Ist was anderes als
reines Bier in der Flasche, muss das draufstehen.
Der Brauerbund ist zwiegespalten. Mehr Brauereien, mehr Ideen, das sei zwar
nicht schlecht, meint Huhnholz. Und noch bewege sich die Bierproduktion der
neuen Hausbrauereien, im Unterschied zu den traditionellen Betrieben, im
einstelligen Prozentbereich. „Doch wie erfolgreich die noch werden, wird
sich zeigen.“
23 Apr 2016
## AUTOREN
Rolf Lautenschläger
## TAGS
Bier
Reinheitsgebot
Nüchtern
Schwerpunkt Klimawandel
Comic
Polizei
Reinheitsgebot
Irland
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