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# taz.de -- Revisionsprozess Kannibalismus: Kommissar Carnivore
> „Ich will in deinen Magen“, schrieb Wojciech S. – und traf sich mit dem
> LKA-Beamten G. Wenig später ist er tot. War es Mord?
Bild: Ist er ein Mörder? Der Angeklagte G. bei der ersten Verhandlung im Landg…
Zu guter Letzt drapierte Detlev G. Penis und Hoden seines Opfers auf einer
silbernen Servierschale und filmte sich dabei. Was genau den ehemaligen
LKA-Beamten G. dazu trieb, einen anderen Mann zu zerstückeln, weiß niemand.
Die Frage, die die Beteiligten des Prozesses um den „Kannibalen von
Dresden“ am Mittwoch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) versuchten zu
beantworten, ist eine andere: Hat Detlev G. sein Opfer Wojciech S. getötet,
bevor er dessen Leichnam zerlegte, zertrümmerte und teilweise kochte? Oder
hat dieser sich selbst umgebracht?
Im Frühjahr 2015 wurde der heute 58-jährige Täter vom Landgericht Dresden
wegen Mordes und Störung der Totenruhe zu achteinhalb Jahren Haft
verurteilt. Eine lebenslange Freiheitsstrafe, wie bei Mord üblich, hielt
das Gericht für „unverhältnismäßig“, denn das Opfer selbst wollte
umgebracht und verspeist werden. G.s Anwalt plädierte für Freispruch. „Ich
bin und werde kein Mörder sein“, sagte der kannibalistische
Kriminalkommissar, der als voll zurechnungsfähig gilt, dem Landgericht.
Mit dem Urteil waren weder er noch die Staatsanwaltschaft zufrieden, die
zehneinhalb Jahre Haft forderte. Beide Seiten legten Revision ein. Die
Bundesanwaltschaft forderte vor dem BGH nun sogar „lebenslänglich“ wegen
Mord, der Verteidiger noch immer den Freispruch. Der Angeklagte selbst
erschien nicht zur Verhandlung.
Der Vorsitzende Richter trug vor, was an jenem 4. November 2013 passiert
sein soll, an dem S. starb und G. vermutlich zum Menschenesser wurden.
Unappetitliche 15 Minuten lang führte er aus, wie Schlächter und
Geschlachteter sich auf einer Website für kannibalistische Fantasien
kennenlernten und an ihrem Plan feilten. Detlev G., Schriftsachverständiger
beim LKA, und Wojciech S., ein 59-jähriger Geschäftsmann aus Hannover,
waren sich einig, dass die „reale Schlachtung“ von S. das Ziel ist.
S., der sich selbst „Braten“ nannte, wollte getötet und gegessen werden.
„Ich will in deinen Magen“ und „Ich stehe zur Verfügung“ soll er G.
geschrieben haben. Chatprotokolle und SMS belegen das. Also lud G. sein
Opfer nach Gimmlitztal unweit von Dresden ein, wo er im Keller seiner
Pension einen Sadomaso-Raum mit Sklavenkäfig eingerichtet hatte. Dort starb
Wojciech S. Woran genau, bleibt offen. Denn der ehemalige Polizist
schaltete das Videoband, mit dem er das „große Schlachtfest“ dokumentierte,
zwischendurch aus.
Was mit der Leiche danach passierte, ist jedoch festgehalten: Da spielen
etwa ein großes Messer, eine Drahtseilwinde, eine Schlinge und ein
abgetrennter Kopf eine Rolle. Doch wie kam S. zu Tode? Bei der ersten
Vernehmung sagte G., ihm die Kehle durchgeschnitten zu haben. Später nahm
er das zurück und behauptete, S. habe sich selbst erhängt.
G.s Verteidiger sprach in der Neuauflage des Prozesses von einem „Mord ohne
Opfer“. Denn Wojciech selbst sei wegen seines „unbedingten Todeswunsches“
der „Anstifter der Tat“ gewesen. Der Angeklagte habe geradezu überredet
werden müssen und außerdem Reue gezeigt. Die Bundesanwaltschaft hingegen
forderte lebenslange Haft. Für sie lässt das Geständnis G.s, S. die Kehle
durchgeschnitten zu haben, kaum Zweifel offen. „Warum sollte er einräumen,
es gemacht zu haben, wenn er es nicht gemacht hat?“, fragte er. Es habe
keine „Tötung auf Verlangen“ vorgelegen, die das Urteil abmildern könnte.
Der Bundesgerichtshof schloss sich der Revision der Verteidigung an und hob
das Urteil auf. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass S. sich selbst
tötete. Das Landgericht Dresden muss den Fall nun erneut verhandeln.
7 Apr 2016
## AUTOREN
Hannah Weiner
## TAGS
Gerichtsurteil
Bundesgerichtshof
Kannibalismus
Mord
Prozess
Kannibalismus
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