Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sigmar Gabriel in Ägypten: Bemerkenswerte Dummheit
> SPD-Chef Gabriel nennt Ägyptens Diktator al-Sisi einen „beeindruckenden
> Präsidenten“. Solches Lob fällt oft, wenn es um Wirtschaft geht.
Bild: Beeindruckter Vizekanzler: Sigmar Gabriel mit Diktator Sisi
Sigmar Gabriel ist ein bemerkenswerter Politiker. Der SPD-Chef lässt sich
kaum eine Gelegenheit entgehen, um so richtig ins Fettnäpfchen zu treten.
Das hat er am Sonntag mal wieder bewiesen, als er seinen Gastgeber, den
ägyptischen Putschgeneral Abdel Fattah al-Sisi, bei einer Pressekonferenz
in dessen Präsidialpalast in Kairo einen „beeindruckenden Präsidenten“
nannte.
Eindrucksvoll ist zweifellos die Liste der Menschenrechtsverletzungen, die
al-Sisi angelastet werden. Mit einem Massaker an demonstrierenden
Muslimbrüdern gelangte er an die Macht, die demokratisch gewählte
Vorgängerregierung ließ er komplett ins Gefängnis werfen, jede noch so
demokratische Opposition wird seitdem gnadenlos unterdrückt.
Die Situation am Nil ist heute für Oppositionelle, Gewerkschafter,
Journalisten und ausländische Stiftungen weitaus finsterer als noch unter
der Herrschaft des 2011 gestürzten Langzeitdiktators Husni Mubarak, der von
den Demonstranten auf dem Tahrirplatz zum Rücktritt gezwungen wurde. Das
Militär verfügt jetzt die Konterrevolution. Folter, Polizeigewalt und
Justizwillkür sind an der Tagesordnung, Zehntausende Regimegegner sitzen im
Gefängnis, die staatliche Propaganda übertönt jede Kritik.
Zwar hat auch Sigmar Gabriel in Kairo die Lage der Menschenrechte
angesprochen. Und er hat das Militärregime aufgefordert, den Tod des
28-jährigen italienischen Wissenschaftlers Giulio Regeni aufzuklären, der
für seine Doktorarbeit über die ägyptische Gewerkschaftsbewegung forschte
und vermutlich in Haft zu Tode gefoltert wurde. Rom hat deshalb seinen
Botschafter aus Kairo abgezogen.
Doch als Wirtschaftsminister, der eine Delegation von deutschen
Firmenvertretern anführt, die auf Milliardenaufträge hoffen, war es Gabriel
wichtiger, dem Regime seine Hilfe bei der Sicherung der Grenze zu Libyen
und seine Unterstützung bei Verhandlungen mit dem internationalen
Währungsfond und anderen Geldgebern anzubieten, denn das Land ist hoch
verschuldet. Vier deutsche U-Boote sind dem Regime aber schon versprochen,
und in Kairo warb Gabriel auch für die deutsche Ökostromtechnik, um
Ägyptens marode Energiewirtschaft zu modernisieren.
## Härter als Erdoğan
Milliardenprojekte im Bereich der Solar- und Windkraft sind geplant, aber
auch konventionelle Gaskraftwerke. Siemens will für 8 Milliarden Euro
Gasturbinen und Windparks in Ägypten bauen. Gabriel begründet das
klimafreundliche Engagement im Folterstaat mit der „Stabilität“, die das
Regime am Nil angeblich garantiere – ein Argument, als hätte es den
Arabischen Frühling nie gegeben.
Wie sehr hat sich die SPD doch gerade erst bemüht, sich von Angela Merkel
zu distanzieren, nachdem diese der deutschen Justiz die Ermächtigung
erteilte, wegen der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts gegen
den ZDF-Comedian Jan Böhmermann zu ermitteln. Wenn sie am Samstag zu
Erdoğan in die Türkei reise, solle die Kanzlerin „klare Worte zur Presse-
und Meinungsfreiheit“ finden, trompetete SPD-Generalsekretärin Katarina
Barley noch am Sonntag.
Am gleichen Tag rief sich Gabriel mit seiner unbedachten Äußerung aus Kairo
ins Gedächtnis und schmeichelte einem Mann, bei dem es sich im Vergleich zu
Erdoğan, der eher ein Populist und Autokrat ist, zweifellos um einen
brutalen Diktator handelt.
## Überfordert in der Doppelrolle?
Die Kritik von Grünen und Linkspartei kam schnell. Eher kleinlaut fielen
dagegen bislang die Reaktionen aus seiner Partei aus. Wahrscheinlich waren
die menschenrechtspolitisch sensibleren Genossen noch zu beschäftigt damit,
aus Wut in den Tisch zu beißen. Denn Gabriels Bemerkung über al-Sisi fügt
sich nahtlos ein in die Tradition des Diktatorenlobs, das gern fällt, wenn
es den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands dient – es erinnert an
Gerhard Schröders Diktum von Putin als „lupenreinem Demokraten“ und an den
bayrischen CSU-Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, der Chiles
Juntageneral Augusto Pinochet einst einen Freibrief ausstellte und ihn als
„Freund“ rühmte.
Gabriels unbedachte Bemerkung über al-Sisi wird im Gedächtnis bleiben. Wenn
es noch eines Beweises bedurft hätte, dass er mit seiner Doppelrolle als
Wirtschaftsminister und SPD-Chef überfordert ist, dann hat er ihn in Kairo
geliefert.
18 Apr 2016
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Sigmar Gabriel
SPD
Ägypten
Abdel Fattah al-Sisi
Sigmar Gabriel
Ägypten
Sigmar Gabriel
Ägypten
Jan Böhmermann
Ägypten
Jan Böhmermann
Ägypten
Abdel Fattah al-Sisi
Abdel Fattah al-Sisi
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neuer Verwaltungsrat bei Siemens Alstom: Gabriel findet seine Bestimmung
Der SPD-Politiker und ehemalige Vizekanzler soll künftig als unabhängiges
Mitglied im Verwaltungsrat wirken. Die Hauptversammlung muss noch
zustimmen.
Urteil wegen Protesten in Ägypten: Freispruch für Mubarak
Hunderte Menschen starben 2011 bei den Protesten auf dem Tahrir-Platz. Der
damalige Diktator ist nun von der Verantwortung freigesprochen worden.
Biografie über Sigmar Gabriel: Verdientes Unentschieden
Alles, was Sie noch nie über Gabriel wissen wollten – aber unterhaltsam
serviert bekommen: die neue Biografie über den neuen Außenminister.
Gefängnisse in Ägypten: Misshandlung von Häftlingen
Human Rights Watch kritisiert den Umgang mit Insassen des Gefängnisses
„Skorpion“. Auch viele politische Gefangene erlebten dort eine
unmenschliche Behandlung.
Böhmermann im Interview mit der „Zeit“: Zeit Magazin Royale
Weder größenwahnsinnig noch weinerlich: Dem Moderator gelingt das
Kunststück, seine Inszenierung unter Kontrolle zu halten.
Proteste gegen Regierung in Ägypten: Großes Polizeiaufgebot in Kairo
Tausende Einsatzkräfte haben vor angekündigten Protesten in Kairo Stellung
bezogen. Die Regierung möchte, dass möglichst wenig Menschen teilnehmen.
Bundesrats-Initiative wegen Böhmermann: Bremen gegen Beleidigungs-Privilegien
Erstmals stellten Linkspartei und FDP in der Bremischen Bürgerschaft einen
gemeinsamen Antrag – und haben prompt Erfolg. Es geht um
Majestätsbeleidigung.
Gabriel würdigt Ägyptens Sisi: „Beeindruckender Präsident“
Tausende Ägypter sind am Freitag gegen al-Sisi auf die Straße gegangen. Mit
Sigmar Gabriel versteht sich der Diktator bei einem Treffen in Kairo aber
bestens.
Demonstrationen in Ägypten: Tausende auf der Straße
In mehreren Städten Ägyptens regt sich Protest: Es geht um Pläne des
Staatschefs, zwei Inseln an Saudi-Arabien abzutreten. Auch andere
Forderungen werden laut.
Humor in Ägypten: Ein Präsident steht zum Verkauf
Ein Witzbold versteigert Al-Sisi auf Ebay. Sein Preis stieg schnell auf
über 100.000 Dollar. Inzwischen hat die Plattform das Posting entfernt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.