# taz.de -- Protest gegen Reform des Arbeitsrechts: Generalstreik in Frankreich | |
> In Frankreich protestieren Gewerkschaften, Studenten- und | |
> Schülerorganisationen gegen eine geplante Reform des Arbeitsrechts – sie | |
> sei zu unternehmerfreundlich. | |
Bild: Auch am 9. März gab es schon einen Generalstreik | |
Paris afp | Mit neuen Protesten haben Gewerkschaften, Studenten- und | |
Schülerorganisationen in Frankreich gegen eine geplante Reform des | |
Arbeitsrechts mobil gemacht. Landesweit waren am Donnerstag nach | |
Gewerkschaftsangaben rund 200 Kundgebungen geplant. Streiks bei der | |
Staatsbahn SNCF und bei den Pariser Verkehrsbetrieben sorgten am Morgen für | |
Behinderungen im Nah- und Fernverkehr, wegen eines Fluglotsenstreiks wurden | |
Flüge gestrichen und es gab Verspätungen. | |
Aus Protest gegen die Pläne der sozialistischen Regierung blockierten | |
Schüler zudem im Großraum Paris die Zugänge zu rund 50 Gymnasien, wie eine | |
Schülerorganisation erklärte. Auch in anderen französischen Städten gab es | |
Blockaden vor Schulen. | |
Die Gewerkschaften gehen schon seit Wochen gegen die Pläne von Präsident | |
François Hollande für eine Lockerung des französischen Arbeitsrechts auf | |
die Barrikaden. Anfang März demonstrierten landesweit nach Angaben der | |
Behörden mehr als 200.000 Menschen gegen die Reform, die Organisatoren | |
sprachen sogar von rund 450.000 Demonstranten. Bei Protesten von Schülern | |
vor einer Woche kam es zu schweren Ausschreitungen. | |
Im Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit wollen Hollande und sein | |
Premierminister Manuel Valls unter anderem die 35-Stunde-Woche lockern und | |
die Regeln für betriebsbedingte Kündigungen vereinfachen. Gewerkschaften | |
und Studentenorganisationen, aber auch der linke Parteiflügel der | |
regierenden Sozialisten kritisieren die Reform als zu unternehmerfreundlich | |
– und das auch nach Zugeständnissen der Regierung. | |
Das Kabinett hatte die Reform vergangene Woche beschlossen. Die | |
Nationalversammlung wird ab dem 3. Mai im Plenum über das Vorhaben beraten. | |
Bis dahin haben die Gewerkschaften bereits weitere Proteste angekündigt. | |
Die Knackpunkte des Vorhabens von Staatschef François Hollande im | |
Überblick: | |
## Lockerung der 35-Stunden-Woche | |
Prinzipiell werden Vereinbarungen innerhalb eines Unternehmens mehr Gewicht | |
eingeräumt als Branchenvereinbarungen. So sollen künftig bereits | |
Vereinbarungen zwischen den Mitarbeitern und der Leitung einer Firma | |
ausreichen, um die Arbeitszeit für bis zu zwölf Wochen auf 46 Wochenstunden | |
auszuweiten und den Lohnaufschlag für Überstunden von 25 Prozent auf zehn | |
Prozent zu begrenzen. | |
Ursprünglich sollte den Chefs kleiner und mittlerer Unternehmen mit weniger | |
als 50 Angestellten zudem erlaubt werden, alleine über eine weitere | |
Lockerung der 35-Stunden-Woche zu entscheiden. Grundlage für die Bezahlung | |
sollten Arbeitstage im Jahr und nicht mehr die Wochenarbeitsstunden sein. | |
Die Regierung verzichtete aber auf das Vorhaben, sehr zum Leidwesen der | |
Chefs kleiner Betriebe. | |
## Klarere Regeln für betriebsbedingte Kündigungen | |
Präzisiert werden die Kriterien für betriebsbedingte Kündigungen, um | |
Grauzonen abzuschaffen. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen von | |
Arbeitsgerichten wegen unrechtmäßiger Kündigungen verurteilt werden. | |
Betriebsbedingte Kündigungen sind künftig unter anderem möglich, wenn ein | |
Unternehmen vier Quartale in Folge Auftragsrückgänge oder Umsatzeinbußen | |
verzeichnet oder einen Umstrukturierungsplan für mehr Wettbewerbsfähigkeit | |
vorlegt. Richter sollen sicherstellen, dass internationale Konzerne ihre | |
wirtschaftlichen Probleme in Frankreich nicht aufbauschen, um Entlassungen | |
zu rechtfertigen. | |
## Eine empfohlene Obergrenze für Abfindungen | |
Ursprünglich wollte die Regierung eine fixe Obergrenze für Abfindungen nach | |
einer unrechtmäßigen Kündigung einziehen. Nach scharfen Protesten von | |
Gewerkschaften entschied sie sich aber dafür, lediglich einen nicht | |
verpflichtenden Richtwert vorzugeben. Das wiederum hat den Zorn der | |
Arbeitgeber erregt, die auf eine fixe Obergrenze pochen. | |
## Arbeitszeiten für Jugendliche | |
Für besonderen Zorn bei Jugendlichen sorgten die Pläne, längere | |
Arbeitszeiten für nicht volljährige Lehrlinge etwa im Bausektor zu | |
erleichtern. Eine Erhöhung der Arbeitszeit von acht auf zehn Stunden pro | |
Tag sollte ohne vorherige Genehmigung der Arbeitsinspektion möglich sein – | |
angesichts der Proteste zog die Regierung das Vorhaben aber zurück. | |
31 Mar 2016 | |
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