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# taz.de -- Fotokünstler über armenische Kirchen: „Die uralten Schätze ver…
> Claudio Gobbi besuchte armenische Kirchen – nicht nur in Armenien,
> sondern auch in der weltweiten Diaspora. Über hundert Kirchen in 26
> Ländern hat er fotografiert.
Bild: Von der Türkei restauriert: die armenische Kirche des Heiligen Kreuzes a…
taz.am wochenende: Herr Gobbi, Sie haben über hundert Sakralbauten in 26
Ländern fotografiert. Wie kam‘s?
Claudio Gobbi: Als ich 2007 nach Paris zog, kam ich mit der dortigen
armenischen Gemeinde in Kontakt. So wurde ich neugierig. Als erster
christlicher Staat der Welt zählt Armenien seit alters her zum Abendland,
seiner geografischen Lage nach aber gehört es schon eher zu Asien. Daran
gekoppelt war die Frage nach Europas Verhältnis zum „Osten“. Heute liegt
der Kaukasus am Rande unseres Horizonts. Aber vor 1.500 Jahren lag der
Westen am Rand, während Armenien und auch das Byzantinische Reich eine
Blütezeit erlebten.
War es Liebe auf den ersten Blick?
Mit den Armeniern verstand ich mich auf Anhieb, sie sind gastfreundlich und
ausgesprochen kosmopolitisch. Das Land ist kaum durch Tourismus deformiert.
Da gibt es Regionen, die dem Zugriff der Zeit entzogen scheinen. Die
Kirchen und Klöster wirken oft etwas düster, wirklich mittelalterlich, es
sind Orte für Studien, Gebete und Mysterien.
Sie nähern sich ihnen eher als kulturgeschichtlichen denn als religiösen
Monumenten.
Seit 1.500 Jahren werden armenische Kirchen auf die gleiche Art und Weise
gebaut. Es gibt einige wenige Prototypen, denen alle späteren Kirchen
nachgebildet worden sind, gerade auch in der Diaspora. Diese unbeirrbare
Formensprache überwindet sowohl zeitliche als auch räumliche Grenzen.
Ihre Recherchen führten von Kaliningrad bis Kairo und von London bis
Abadan.
Während die Gotteshäuser der Diaspora in gutem Zustand sind, stehen im
Kerngebiet des einstigen armenischen Siedlungsraumes oft nur Ruinen. Wir
haben es mit zwei Arten von Ignoranz zu tun. In der Türkei und in
Aserbaidschan geschieht der Vandalismus vorsätzlich. Was nicht türkisch und
nicht islamisch ist, wird dem Verfall preisgegeben, armenische Inschriften
werden systematisch getilgt. Die meisten Türken wissen nichts über die
Geschichte der Armenier in ihrem Land oder der Griechen oder der Kurden.
Doch auch im Westen ist die Egozentrik groß. Nur wenige wissen überhaupt,
dass es eine armenische Kirche gibt und eine spezifisch armenische
Sakralarchitektur.
In der Türkei versucht man einerseits, sich der Vergangenheit zu
entledigen. Andererseits will man gerade den Osten des Landes touristisch
entwickeln.
Dort, wo man Besucher anziehen will, sind einige Kirchen restauriert
worden, etwa auf der Insel Akdamar im Van-See. Aber gleichzeitig arbeitet
der Ungeist des Nationalismus dem entgegen. Uralte Schätze verschwinden.
Ani in Ostanatolien etwa war im Mittelalter bekannt als „Stadt der 1.001
Kirchen“. Heute liegt das alles in Trümmern. Das Gelände hat die Ausmaße
und auch das touristische Potenzial des Forum Romanum – doch ich war der
einzige Besucher dort. Am Eingang findet man eine kurze Einführung, aber
jeder Bezug zur armenischen Kultur wird unterschlagen.
Trotz des einheitlichen Baustils wirken ihre Bilder erstaunlich vielfältig.
Die Kirchen spiegeln das Schicksal der jeweiligen Region. In Spitak etwa
besteht eine komplett aus Metall – sie wurde nach dem verheerenden Erdbeben
von 1988 errichtet. In Karabach sind viele Kirchen zerschossen, weil sie
seit je an strategisch wichtigen Plätzen stehen, an denen dann im Krieg
1992 Maschinengewehre oder Panzer Stellung bezogen. Im Libanon zeigt sich
die armenische Kultur erstaunlich fest verwurzelt. Die rue d’Armenie ist
die quirligste Straße von Beirut, voller Bars und Cafés, und mittendrin
stehen etliche dieser Kirchen. Am meisten erstaunt hat mich das Städtchen
Anjar nahe der syrischen Grenze. Nach dem Völkermord an den Armeniern
hatten sich dort Flüchtlinge vom Musa Dagh niedergelassen. Heute erstrecken
sich rundum Lager mit Flüchtlingen, diesmal aus Syrien. Auch darunter sind
wieder armenische Christen – déjà vu.
9 Apr 2016
## AUTOREN
Stefan Schomann
## TAGS
Kirche
Fotografie
Schwerpunkt Flucht
Russland
Eriwan
Armenien
Russland
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