Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Casa Refugio Citlaltépetl“ in Mexiko-Stadt: Bulawayo, Hannove…
> Ein Asyl für verfolgte Intellektuelle: der Schriftsteller Christopher
> Mlalazi aus Simbabwe und die „Casa Refugio Citlaltépetl“ in Mexiko-Stadt.
Bild: Die „Casa de la Yeya“, das Restaurant im Innenhof der „Casa Refugio…
„Literatur, Exil, Refugium“ steht über der Toreinfahrt in der
Gründerzeitstraße im Zentrum von Mexiko-Stadt. Darüber prangt in großen,
geschwungenen Lettern „Casa Refugio Citlaltépetl“. Und darunter steht ein
hölzerner Ständer mit der Speisekarte der „Casa de la Yeya“ in der
Toreinfahrt.
Die stählernen Torflügel sind sperrangelweit offen. Der Geruch von Café
hängt in der Luft. „Das ist ein Asyl à la mexicana. Wir verstecken uns
nicht, wollen Teil der Gesellschaft sein, uns in das Viertel integrieren
und mit unseren Angeboten zur Diskussion beitragen“, sagt Philippe
Ollé-Laprune und nimmt in dem von Bäumen und blühenden Sträuchern gesäumten
Innenhof an einem der Tische des Restaurants Platz. Der 53-Jährige ist
Direktor der „Casa Refugio Citlaltépetl“, wo verfolgte Schriftsteller,
Karikaturisten und Dichter aus aller Welt aufgenommen werden.
Dies beinhaltet ein zweijähriges Stipendium, das alles Lebensnotwendige
abdeckt. Apartment und Sprachkurs werden den Gästen geboten. Und das alles
im Zentrum der mexikanischen Hauptstadt – in der Colonia Condesa. Zwei
Wohnungen, mehrere Seminarräume, ein Salon für Konferenzen, die Bibliothek
und ein kleiner Verlag gehören neben dem Restaurant zur Casa.
## Lange Tradition
Dort treffen sich Künstler und Intellektuelle aus den umliegenden
Stadtvierteln. „Das sorgt manchmal von ganz alleine schon für den
Anschluss“, so Ollé-Laprune und begrüßt Mohsen Emadi. Der Schriftsteller
aus dem Iran kam 2012 mit einem Stipendium der „Casa Refugio Citlaltépetl“
nach Mexiko. Und ist geblieben.
„Er ist sprachtalentiert, hat sich schnell eingewöhnt und schreibt
mittlerweile sogar auf Spanisch“, sagt Ollé-Laprune. Vier von gut einem
Dutzend Stipendiaten sind in Mexiko geblieben. Mit den Behörden habe es
keine Probleme gegeben: „Mexiko hat eine lange Tradition der Aufnahme von
internationalen Intellektuellen. Hier ist man überzeugt, dass sie das Land
bereichern“, so der Franzose. Und fährt fort: „Das war auch mit den
deutschen Exilanten so, die in den 1930er Jahren kamen. Oder später mit den
Mittelamerikanern, aber auch den Argentiniern oder Uruguayern, die vor den
Diktaturen in ihren Ländern flohen.“
Ollé-Laprune lebt seit mehr als zwanzig Jahren in Mexikos Hauptstadt.
Zunächst hat er für die französische Botschaft als Kulturreferent
gearbeitet. 1998 nahm er das Angebot an, die „Casa Refugio Citlaltépetl“ zu
leiten. Damals war die politische Entscheidung für die Gründung der Oase
der Zuflucht in Mexiko-Stadt gefallen, die 1999 eröffnet wurde. Bundes- und
Stadtregierung steuern bis heute jeweils vierzig Prozent der Kosten für den
Unterhalt bei. Die restlichen zwanzig Prozent würde man über Gastronomie,
Veranstaltungen und Publikationen selber erwirtschaften, so die Leitung.
Mit „Lineas de Fuga“ (Zeilen der Flucht) bringt das Zentrum auch ein
eigenes Literaturmagazin heraus. In ihm publizieren jüngere Schriftsteller,
aber auch die Förderer und das intellektuelle Umfeld des Hauses. Zu diesem
gehört auch Sergio Pitol, der mit „Defilee der Liebe“ einen Roman über die
1940er Jahre in Mexikos Hauptstadt geschrieben hat, wo die Exilanten aus
Europa sowie eine gewisse Carmen Boullosa eine Rolle spielten. Boullosa,
Schriftstellerin und Poetin, plädierte unlängst wieder einmal für eine neue
liberale Drogenpolitik.
Die Casa gehört zum internationalen Netzwerk der sogenannten Städte der
Zuflucht, dem fünfzig Orte derzeit angehören, um verfolgten Schriftstellern
und Karikaturisten politisches Asyl auf Zeit zu ermöglichen. Über seine
zwei sicheren Jahre in Mexiko freut sich auch Christopher Mlalazi aus
Simbabwe.
Im September 2015 reiste er von Hannover nach Mexiko-Stadt, wo er zuvor
zwei Jahre mit einem Hannah-Arendt-Stipendium lebte. „Ich bin ein
Schriftsteller aus Bulawayo“, sagt er, „der zweitgrößten Stadt Simbabwes.
Ich kann nicht zurück und warte auf die biologische Lösung.“ Er meint damit
ein irgendwann altersbedingtes Ende der Herrschaft Robert Mugabes.
## Einflussbereich Mugabes
Hannover gehört zu den „Städten der Zuflucht“. Als an eine Rückkehr von
Mlalazi in den Einflussbereich Mugabes nicht zu denken war, nahm das
dortige Kulturbüro den Kontakt nach Mexiko auf und organisierte den
Transfer. Christopher Mlalazi flog nach Mexiko-Stadt. Und aus der
mexikanischen Mega-City kam dafür der syrische Schriftsteller Mohamad
Alaaedin Abdul Moula, nach Hannover.
Ein durchaus üblicher Austausch. Für Mlalazi ein Volltreffer. Denn in
Mexiko-Stadt ist es nicht nur deutlich wärmer, auch mit der spanischen
Sprache tut er sich deutlich leichter als mit der deutschen. Der 46-Jährige
verfasst Theaterstücke, Satiren und Gedichte. An der Autonomen Universität
von Mexiko-Stadt kam er in Kontakt mit anderen Interessierten.
Angenehm überrascht war er, so sagt er, dass von Drogenkriminalität und
Gewalt in der Colonia Condesa so gar nichts zu spüren sei. „Im Zentrum von
Mexiko-Stadt kann ich nachts um ein Uhr unterwegs sein, ohne dass es
riskant wäre. Gewalt ist ein mexikanisches Phänomen, aber in anderen
Stadtteilen und Bundesstaaten“, glaubt er.
## Tradition der offenen Tür
Diese Einschätzung teilt er mit Philippe Ollé-Laprune. Doch die Situation
von Migranten in Mittelamerika ist komplex und sehr unterschiedlich, Mexiko
mit seinen Journalistenmorden alles andere als eine Oase der freien
Meinungsäußerung. „Dieser Widerspruch ist Teil unserer Realität. Die
Tradition der offenen Tür für Wissenschaftler, Künstler und Intellektuelle
ist kaum vereinbar mit dem Umgang mit Migranten aus Mittelamerika“, sagt
Philippe Ollé-Laprune.
Die einen wollen in Mexiko bleiben, die anderen das Land nur in Richtung
USA passieren, werden dabei oft überfallen, ausgeraubt, erpresst,
vergewaltigt und sogar ermordet. „Und zu dieser anderen Realität gehören
auch die Journalistenmorde“, so der Direktor der Casa, die in der
Vergangenheit auch verfolgten Journalisten Asyl gewährte.
Lange war Kolumbiens zweiter großer Schriftsteller nach Gabriel García
Márquez, Álvaro Mutis, Präsident der Casa. Heute ist es Vicente Rojas, ein
bildender Künstler. Mlalazi, der Schriftsteller aus Simbabwe, weiß ihnen zu
danken. Er schreibt nun hier seine Gedichte und irgendwann will er auch
über die Zeit in Deutschland eine Erzählung anfertigen. „Aus der Ferne sehe
ich viele Dinge klarer, nicht nur was Simbabwe anbetrifft.“ Und er fügt an:
„Ich bin einer von vielen Flüchtlingen. Und ich habe Glück gehabt.“
16 Apr 2016
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Drogenpolitik
Rolling Stones
Fado
Kolumbien
Simbabwe
## ARTIKEL ZUM THEMA
UN-Drogenkonferenz in New York: Wer ist hier radikal?
Die Sondersitzung der UN-Generalversammlung zur Drogenpolitik bringt kein
wesentliches Umdenken. Die Bremserländer können sich durchsetzen.
Rolling Stones in Havanna: Penetration durch den Klassenfeind
Jahrzehnte lang waren die Rolling Stones auf Kuba verboten. Am Karfreitag
darf die britische Rockband erstmals in Havanna auftreten.
Carminho über die Fado-Renaissance: „Besinnen auf das Wesentliche“
Der Fado-Gesang galt in Portugal als antiquiert. Auch durch die
Wirtschaftskrise sei er wieder populär geworden, sagt Carminho, die heute
in Hamburg singt.
Kolumbiens Vorzeigemetropole Medellín: Unter dem Deckmantel der Innovation
In Lateinamerika gilt Medellín als moderne Metropole – dank Investitionen
wurde die Stadt der Gewalt befriedet. Das stimmt nur auf den ersten Blick.
Filmisches Denkmal: Der Bob Marley von Simbabwe
Andreas Höhn ist Punker und betreibt ein Plattenlabel. Nun drehte er einen
Film über sein Idol John Chibadura, dem Helden des simbabwischen
Sungura-Genres.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.