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# taz.de -- Trauung für Lebenspartner: Gott ist jetzt für alle da
> Ab 1. Juli können sich Lesben und Schwule ganz offiziell von der
> evangelischen Landeskirche trauen lassen. Noch ist die neue Normalität
> ein wenig lückenhaft.
Bild: Ein Ring sie zu knechten ... und ewig zu binden. Wirklich alle!
Wer dieser Tage am Boden der Wittenberger Schlosskirche lauscht, kann
deutliche Rotationsgeräusche vernehmen. Martin Luther, der dort begraben
ist, hatte schließlich keinen Zweifel daran gelassen, was bei der
Eheschließung zu beachten ist: „Es ist nicht ein freies Ermessen oder
Ratschluss, sondern ein notwendig, natürlich Ding, dass alles, was ein Mann
ist, ein Weib haben muss, und was ein Weib ist, muss einen Mann haben“,
schrieb er in seinem Traktat „Vom ehelichen Leben“. Ab dem 1. Juli jedoch
können evangelische Lesben und Schwule in der Region Berlin-Brandenburg den
Bund fürs Leben vor dem Traualtar schließen, genau wie ihre heterosexuellen
Mitchristen auch.
Die Entscheidung war seit Längerem vorbereitet worden. Am Samstag nun
beschloss die Frühjahrssynode der Evangelischen Landeskirche
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) mit 91 Jastimmen bei 10
Neinstimmen und 4 Enthaltungen das sogenannte
[1][Partnerschaftsgleichstellungsgesetz (PGG)]. Es handelt sich dabei um
Kirchenrecht, das die Synode als parlamentarisches Gremium verabschieden
kann. Nach der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der
Evangelischen Kirche im Rheinland ist die EKBO die dritte der 20
Landeskirchen in Deutschland, die Trauungen für gleichgeschlechtliche Paare
anbietet.
## „Intensive Debatte“
Von einer „guten, intensiven Debatte mit viel Respekt für die
unterschiedlichen Positionen und schließlich einem sehr eindeutigen
Ergebnis“ berichtet Propst Christian Stäblein, Stellvertreter von
Landesbischof Markus Dröge. Er hatte in den zurückliegenden 12 Monaten den
„Konsultationsprozess“ geleitet, bei dem die Neuerung an der Kirchenbasis
debattiert wurde. Eine Neuerung, muss man dazusagen, die rein äußerlich
nicht allzu viel verändern wird. Schließlich können evangelische Lesben und
Schwulen ihre eingetragene Lebenspartnerschaft schon seit 2002 mit einem
„Segnungsgottesdienst“ kirchlich besiegeln. Mehr als 200 Paare haben davon
schon Gebrauch gemacht. Auf rechtlicher und vor allem symbolischer Ebene
macht es dann aber doch einen Unterschied, ob es sich um eine ganz normale
Trauung handelt oder nur ein „Als ob“.
Bei queeren Gruppen hat die Entscheidung positive Reaktionen ausgelöst. Für
Markus Ulrich, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) auf
Bundesebene, zeigt sie, dass „Religion und Akzeptanz von Lesben und
Schwulen sehr wohl miteinander vereinbar“ sein können. „Aus einer
modern-protestantischen Perspektive wird heute nicht mehr nach der äußeren
Form einer Partnerschaft, sondern nach den dort gelebten Werten gefragt.“
Auch die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) begrüßt
die Reform „uneingeschränkt“, wie Sprecher Markus Gutfleisch der taz sagte.
Er hob hervor, dass die kleine Gruppe der Lesben, Schwule, Bisexuelle und
Trans*-Menschen in der Kirche im Laufe der Zeit viele Bündnispartner
gewonnen habe: „Immer mehr Leute haben Handlungsbedarf gesehen, das ist
großartig.“ Natürlich habe auch die HuK den Wandel vorangetrieben:
„Gespräche, die wir über Jahrzehnte und ganz konkret in den letzten
eineinhalb Jahren mit den Verantwortlichen in den Kirchen führten, haben
deren Umdenken unterstützt.“
## Nicht mit den Katholiken
Das Ende der Fahnenstange ist allerdings auch jetzt noch nicht erreicht.
Für Katholiken sind gleichgeschlechtliche Eheschließungen weiterhin ferne
Zukunftsmusik – gerade erst am Freitag hat Papst Franziskus in seinem
Schreiben „Die Freude der Liebe“ (Amoris laetitia) erklärt, die Öffnung d…
katholischen Sakraments der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare komme nicht
infrage. Deshalb werden „Traugottesdienste für gemischtkonfessionelle
Lebenspartner nicht unter Beteiligung der katholischen Kirche möglich
sein“, wie Propst Stäblein sagt. „Das respektieren wir natürlich.“
Aber auch innerhalb der EKBO bleibt eine Hintertür für die Kritiker der
Gleichstellung offen: Sowohl Pfarrer als auch Gemeindekirchenräte können
die Trauung von Lebenspartnern aus Gewissens- oder theologischen Gründen
ablehnen, sie müssen dies schriftlich gegenüber der Kirchenleitung
begründen. Diese weist dann das Paar einer anderen Gemeinde zu, in der
keine Vorbehalte bestehen. Um ein rein abstraktes Szenario handelt es sich
dabei nicht, immerhin hatten mehrere Gemeinden im Vorfeld der Synode
beantragt, das neue Gesetz von der Tagesordnung zu nehmen. Auch in der
liberalen Hauptstadt ist Luthers Erbe noch lebendig.
„Dass ein Pfarrer die Trauung vornimmt, der das eigentlich gar nicht will,
wäre wohl auch nicht im Sinne des Paares“, gibt Christian Stäblein dagegen
zu bedenken. Und auch wenn es aus der queeren Szene in der Kirche Kritik an
der Ablehnungsoption gegeben hatte, stimmt Markus Gutfleisch von
„Homosexuelle und Kirche“ hier mit dem Propst völlig überein: „Für uns…
entscheidend, dass die Landeskirche lesbischen und schwulen Paaren
zusichert, dass ihre Trauung in der Kirche stattfindet.“ Im Übrigen hätten
Pfarrer auch bei einem heterosexuellen Paar die Möglichkeit, dessen Trauung
aus „seelsorgerlichen Gründen“ abzulehnen.
10 Apr 2016
## LINKS
[1] https://www.ekbo.de/fileadmin/ekbo/mandant/ekbo.de/files_ekbo.de/1._WIR/Syn…
## AUTOREN
Claudius Prößer
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