# taz.de -- Kommentar Abschiebungen in die Türkei: Ein Tag der Trauer | |
> Flüchtlingsrouten passen sich politischen Entwicklungen an. Bald werden | |
> Flüchtlinge wieder auf dem Weg nach Lampedusa statt nach Lesbos sterben. | |
Bild: Tor von Lampedua – Tor nach Europa? Wohl künftig für die Wenigsten | |
Das, was gern als „Flüchtlingskrise“ bezeichnet wird, nämlich die Einreise | |
einer großen Zahl von Kriegsflüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland, | |
ist seit Montag Geschichte. Angela Merkel hat Wort gehalten und die Zahl | |
der Einreisenden spürbar verringert. | |
Fortan dürfen Flüchtlinge aus Syrien nur noch kontrolliert und in | |
homöopathischen Dosen in dieses Land kommen. Menschen anderer | |
Nationalitäten haben oft gar keine Chance mehr. Wer jetzt noch den Versuch | |
unternimmt, auf eigene Faust Mitteleuropa zu erreichen, landet in einem | |
Flüchtlingslager in der Türkei, wartet im Staub von Libyen oder steht im | |
günstigsten Fall vor einer verschlossenen italienisch-österreichischen | |
Grenze. | |
Begründet wird diese Politik mit dem Kampf gegen Schlepper. Ziel sei es, | |
die Zahl der Ertrinkenden vor den griechischen Inseln in der Ägäis zu | |
reduzieren, heißt es. Das immerhin dürfte erreicht werden, denn wer wird | |
sich noch diesen Seelenverkäufern anvertrauen, wenn die anschließende | |
Rückführung garantiert ist? Ebenso sicher erscheint es allerdings, dass | |
sich die Flüchtlinge nun vermehrt Schleppern in Nordafrika anschließen | |
werden – und auf dem Weg nach Lampedusa statt nach Lesbos sterben. | |
Weil sich die Flüchtlingsrouten den politischen Entwicklungen anpassen, ist | |
der Versuch einer Abschottung Europas zum Scheitern verurteilt. In Italien | |
wird sich die Zahl der Ankommenden eher vergrößern. Deutschland allerdings | |
wird nicht mehr zum Ziel der großen, unkontrollierten Migrationsbewegung | |
werden. | |
Natürlich gibt es gute Gründe dafür, weniger Menschen in diesem Land | |
aufzunehmen, angefangen bei der endlichen Zahl von Unterkünften und | |
Wohnungen, Deutschlehrern und Integrationsplätzen. Aber auch der wachsende | |
Unwille einer Minderheit unter den Einheimischen, dieser Migration | |
zuzustimmen, mag bei dieser neuen Politik der Abschottung eine Rolle | |
gespielt haben. | |
Erleichtert, dass nun kaum noch Flüchtlinge nach Deutschland kommen, dürfen | |
sich diejenigen wähnen, die in nationalstaatlichen und realpolitischen | |
Kategorien denken. Wer aber über den Tellerrand Deutschlands hinausblickt, | |
Europa als Ganzes betrachtet und Humanität als eine globale Herausforderung | |
begreift, für den ist Montag, der 4. April 2016, ein Tag der Trauer. | |
4 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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