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# taz.de -- Kommentar Gauck in China: Der Coup des Bundespräsidenten
> Die Behörden konnten das Treffen nicht verhindern. Gauck sprach in Peking
> mit Bürgerrechtsanwälten und Menschenrechtsaktivisten. Gut so.
Bild: Joachim Gauck und Xi Jinping
Joachim Gauck hat bereits nach seinem ersten Tag in Peking die kühnsten
Erwartungen übertroffen. Mehr noch: Dem Bundespräsidenten ist auf seiner
ersten China-Reise geradezu ein Coup gelungen. Völlig überraschend gelang
es ihm am späten Montagabend in der Deutschen Botschaft in Peking
chinesische Bürgerrechtsanwälte und Menschenrechtsaktivisten zu treffen.
Dabei war die chinesische Staatssicherheit ihnen bereits auf den Fersen, um
eine solche Begegnung unbedingt zu verhindern. Vizekanzler Sigmar Gabriel
(SPD) scheiterte vor zwei Jahren mit diesem Ansinnen.
Bereits vor Antritt seiner Reise hatte Gauck deutlich gemacht, dass der
Charakter seiner China-Reise sich deutlich unterscheiden werde von dem
anderer europäischer Regierungschefs und Staatsoberhäupter auf
Peking-Besuch. Der britische Premier etwa oder auch der französische
Staatschef sprechen Menschenrechtsverletzungen schon lange nicht mehr an.
Bundeskanzlerin Merkel setzt sich hinter verschlossenen Türen zwar für
einzelne Dissidenten ein. Doch auch bei ihr stehen stets die
Wirtschaftsbeziehungen im Vordergrund.
Gauck hingegen nimmt in Peking kein Blatt vor den Mund. Bei seinem Treffen
mit Staatschef Xi Jinping hinterfragt er unverblümt Chinas angeblichem
Sozialismus – ein Land mit der inzwischen größten Vermögensschere weltweit.
Der Bundespräsident trifft sich mit Vertretern der Zivilgesellschaft und
will einer Messe von Christen beiwohnen, von denen in China einige verfolgt
werden.
Höhepunkt seiner Reise dürfte am Mittwoch eine Rede vor Studenten der
renommierten Tongji-Universität in Shanghai werden. Und auch das hat sein
Stab vorab durchsickern lassen: Die Rede werde mit Gaucks eigener
Biographie im Zusammenhang stehen. Der Bundespräsident dürfte also über
Demokratie und Freiheit sprechen.
Sicher, anders als etwa die Kanzlerin hat Gauck keine Exekutivgewalt und
muss in China auch keine Handelsverträge unterschreiben. Und es ist eher zu
bezweifeln, dass sich die kommunistischen Führer Gaucks mahnende Worte
wirklich zu Herzen nehmen.
## Verhärtung des politischen Systems
Und doch: Seine Worte sind dringend notwendig. China erlebt unter dem seit
drei Jahren amtierenden Partei- und Staatschef Xi Jinping eine Verhärtung
des politischen Systems, wie es sie seit der Niederschlagung der
Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz von 1989 nicht mehr gegeben hat.
Anwälte und Journalisten werden eingeschüchtert, Aktivisten ohne Anklage im
Fernsehen vorgeführt und zu Schuldbekenntnissen gezwungen. Kaum jemand mehr
traut sich, Kritik am äußerst autoritären Führungsstil zu üben.
Dieses verhärtete innenpolitische Vorgehen hat längst Folgen für das
deutsch-chinesische Verhältnis. Ein zentraler Pfeiler der Zusammenarbeit
war stets der gesellschaftliche Austausch. Nun stehen auch ausländische
Stiftungen, Institute und NGOs in China massiv unter Druck. Und selbst die
zum Teil Jahrzehnte alte wissenschaftliche Zusammenarbeit leidet.
Gauck mit seiner Biographie ist die rechte Person am rechten Ort, um
gegenüber der chinesischen Führung auch die unangenehmen Themen
anzusprechen. Er weiß diese Chance bestens zu nutzen.
22 Mar 2016
## AUTOREN
Felix Lee
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