# taz.de -- Sondierungsgespräche in Sachsen-Anhalt: Der Not gehorchend | |
> In Sachsen-Anhalt gehen CDU, SPD und Grüne nach der Wahl den ersten | |
> Schritt zu einer Kenia-Koalition – mit teils neuem Personal. | |
Bild: Künftige Koalitionäre unter sich? Alles gruppiert sich um Reiner Haselo… | |
DRESDEN taz | In Sachsen-Anhalt fügt man sich nach der Landtagswahl in die | |
entstandene Zwangslage. Die einzig verbliebene mehrheitsfähige | |
Koalitionsvariante jenseits der Beteiligung von AfD oder der Linken ist die | |
so genannte Kenia-Koalition. | |
Am Mittwoch hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Sozialdemokraten | |
und Grüne zu ersten Sondierungsgesprächen ins Landtagsgebäude eingeladen. | |
Haseloff sprach laut Mitteldeutscher Zeitung von „guter Stimmung und | |
Sonnenschein“. Er soll gut vorbereitet mit einer synoptischen | |
Gegenüberstellung der drei Wahlprogramme erschienen sein. | |
SPD-Fraktionssprecher Martin Krems-Möbbeck berichtete von einer | |
„pragmatischen Gesprächsatmosphäre“. Die Teilnehmer saßen nicht nach | |
Fraktionszgehörigkeit sortiert, sondern bunt durcheinander. In der nächsten | |
Woche sollen neun Arbeitsgruppen gebildet werden, die fachspezifische | |
Fragen besprechen. Welche Fachpolitiker in diese Arbeitsgruppen entsandt | |
werden, will beispielsweise die SPD-Fraktion am Freitag bestimmen. | |
Voraussichtlich am 1. April könnte ein Kleiner Parteitag der Bündnisgrünen | |
über die formelle Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Die SPD | |
hat einen ähnlichen Fahrplan. Bei den Genossen ist der Verbleib in einer | |
Regierungskoalition nicht unumstritten. | |
## SPD stellt sich neu auf | |
Nach der katastrophalen Wahlniederlage mit einer Halbierung der Stimmen | |
(auf 10,6 Prozent) hatte beispielsweise der junge SPD-Landrat Steffen | |
Burchardt die Berechtigung angezweifelt, weiter mitzuregieren. Diese Wahl | |
hat aber die SPD nicht, will sie nicht eine instabile Minderheitsregierung | |
von CDU und Grünen riskieren. | |
Während bei den Grünen, die mit 5,2 Prozent nur knapp den Einzug in den | |
Landtag schafften, mit der Landesvorsitzenden Cornelia Lüddemann und | |
Fraktionschefin Claudia Dalbert bekannte Gesichter teilnahmen, gibt es bei | |
der SPD neues Personal. Nach dem Rücktritt der bisherigen | |
Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidatin Katrin Budde wählte die | |
Fraktion schon auf ihrer konstituierenden Sitzung am Dienstag eine neue | |
Spitze. | |
Der hauptamtliche IG-Bau-Gewerkschafter Andreas Steppuhn erhielt mit fünf | |
zu vier Stimmen bei zwei Enthaltungen nur eine denkbar knappe Mehrheit. | |
Sein Gegner war Finanzstaatssekretär Jörg Felgner. Steppuhn gilt als | |
Vertrauter von Katrin Budde. Den Landesvorsitz übernahm kommissarisch die | |
38-jährige Katja Pähle. | |
## Knöchel übernimmt bei den Linken | |
Zu Wochenbeginn verabschiedete sich auch der langjährige Oppositionsführer | |
Wulf Gallert von der Linken von seinen bisherigen Ämtern. Er habe für den | |
Fall eines Scheiterns seines dritten Anlaufs auf das Amt des | |
Ministerpräsidenten diesen Schritt bereits vor Monaten erwogen, sagte | |
Gallert. | |
Nunmehr will sich der 53-Jährige nach 22 Jahren Landtagszugehörigkeit um | |
das Amt eines Landtags-Vizepräsidenten bewerben. Damit verlässt auch ein | |
glänzender Rhetoriker und klarer Denker die erste Reihe der auf 17 Sitze | |
geschrumpften Linksfraktion, die nur noch 16,3 Prozent kam. | |
Voraussichtlich in der nächsten Woche soll der 42-jährige Finanz- und | |
Kommunalpolitiker Swen Knöchel Gallerts Platz einnehmen. Der | |
Diplom-Finanzwirt war in der abgelaufenen Legislaturperiode Vorsitzender | |
des Haushalt- und Finanzausschusse, trat aber kaum als auffälliger Redner | |
in Erscheinung. 2007 übernahm er den Vorsitz des Linken-Stadtverbandes | |
Halle und gilt als erfahrener Kommunalpolitiker. Knöchel sitzt unter | |
anderem im Aufsichtsrat der Energieversorgung Halle und ist Mitglied in | |
zahlreichen Verbänden und Vereinen. | |
## Gysi denkt über Koalition mit der CDU nach | |
Mit Blick auf die unklaren Mehrheitsverhältnisse in Sachsen-Anhalt hat der | |
frühere Linksfraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, die CDU aufgefordert, | |
auch über ein Regierungsbündnis mit der Linkspartei nachzudenken. „Die CDU | |
muss jetzt noch nicht den Weg gehen, aber sie und die Linken müssen sich | |
Gedanken machen, dass sie ihn eines Tages gehen müssen“, sagte Gysi. | |
Widerspruch erntete er von Sahra Wagenknecht. Die Linksfraktionschefin | |
sagte: „Wenn wir diesen Schritt auch noch machen, wo bleibt denn dann unser | |
Profil, dann werden wir doch genauso beliebig wie die anderen.“ | |
Linkspartei-Chef Bernd Riexinger hat seine Partei ermahnt, ihren Streit | |
über die schlechten Ergebnisse bei den Landtagswahlen zu beenden. | |
„Einseitige Schuldzuweisungen für die Wahlniederlage in Sachsen-Anhalt und | |
die schwachen Ergebnisse in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sind | |
nicht hilfreich“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Eine Kursänderung | |
in der Flüchtlingsfrage käme nicht in Frage: „Wir weichen nicht von unserer | |
Haltung ab: Menschen in Not muss geholfen werden.“ | |
17 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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