# taz.de -- Bücher aus NS-Raubgut in Berlin: Späte Rückgabe | |
> In den Berliner Bibliotheken stehen tausende von den Nazis gestohlene | |
> Bücher. Eine Datenbank erfasst sie nun und versucht, die Erben zu finden. | |
Bild: Man muss nur richtig suchen, dann findet man eine Menge Bücher aus NS-Ra… | |
Berlin taz | Der Stempel in der oberen Ecke der Titelseite ist nur schwach | |
sichtbar, aber umso bedeutsamer. „Dr. Ludwig Simon, Tierarzt“ steht dort. | |
Es ist der Hinweis, dass das „Lehrbuch der gerichtlichen Tierheilkunde“ | |
einem in Berlin lebenden Juden gehört hat und unrechtmäßig in den Besitz | |
der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) gekommen ist. | |
„Über den Zusatz ‚Tierarzt‘ sind wir der Geschichte dahinter auf die Spur | |
gekommen“, sagte Sebastian Finsterwalder, Mitarbeiter der ZLB, der Bestände | |
nach Raub- und Beutegut durchsucht. „Er ist verfolgt worden, Nachbarn haben | |
ihn und seine Frau lange in einer Gartenlaube versteckt. Bei einem | |
Bombenangriff wurde er aus der Laube auf die Straße geschleudert und | |
verletzt, die Gestapo hat ihn ins Krankenhaus getragen. Von dort haben ihn | |
die Nachbarn wieder abgeholt und weiter versteckt.“ | |
Hinter Tausenden ganz normalen Büchern in den Bibliotheken – Romanen, | |
Reiseführern oder Sachbüchern – stehen solche Geschichten. Die ZLB erfasst | |
Bücher aus NS-Raubgut schon länger. Seit letztem Sommer gibt es unter | |
[1][Looted Cultural Assets] eine gemeinsame Datenbank, an der sich neben | |
der ZLB die Universitätsbibliotheken der Freien Universität und der | |
Universität Potsdam sowie die Bibliothek der Stiftung Neue Synagoge Berlin | |
beteiligen. „Wir erfassen darin die Bücher, ihre Herkunft und Daten zu | |
ihren Besitzern“, sagte Sina Latza bei der Vorstellung der Datenbank am | |
Donnerstag. | |
Dafür werden Stempel, Namenseintragungen, Exlibris oder Widmungen in den | |
Büchern ausgewertet. „Wir müssen dreimal suchen: erst die Bücher in unseren | |
Beständen, dann die Personen, denen sie gehört haben, und schließlich die | |
Erben, um sie zurückzugeben“, erklärte Finsterwalder. Da sie dabei oft auf | |
dieselben Personen stießen, sei die Zusammenarbeit mit den anderen | |
Bibliotheken sehr sinnvoll. | |
Verdächtig sind Bücher in den Bibliotheksbeständen, die vor 1945 gedruckt | |
worden sind und bei denen unklar ist, wie sie dorthin gelangt sind. Allein | |
in der ZLB müssen mehr als 200.000 Bücher überprüft werden. „Es sind viel | |
mehr, als wir anfangs dachten“, sagt Finsterwalder. Etwa 500 Bücher habe | |
die ZLB an Erben zurückgegeben. „Aber wir schaffen es nicht, alle ausfindig | |
zu machen. Daher haben wir die Datenbank so geöffnet, dass man die Namen | |
der Besitzer über Suchmaschinen findet.“ Die MitarbeiterInnen hoffen, dass | |
Verwandte bei Recherchen auf die Datenbank stoßen und sich bei ihnen | |
melden. | |
11 Mar 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://lootedculturalassets.de/ | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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