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# taz.de -- Bekämpfung des Islamismus: Fesseln der Freiheit
> Nachfolger des Kultur- und Familienvereins (KUF) klagt gegen sein Verbot.
> Für dessen Mitgründer Renee Marc S. und andere „Gefährder“ will die CDU
> Fußfesseln.
Bild: Placebo oder Lösung? Die CDU will Fußfesseln für islamistische Gefähr…
Die Betreiber des „Islamischen Fördervereins Bremen“ haben Klage gegen das
Verbot ihrer Organisation eingereicht. Das bestätigte das
Oberverwaltungsgericht Bremen (OVG). Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hatte
den Verein verboten. Er soll eine Nachfolgeorganisation des salafistischen
„Kultur- und Familienvereins“ (KUF) sein, aus deren Umfeld Terrorkämpfer
für den Syrien-Einsatz rekrutiert wurden.
Auf Anordnung Mäurers waren Mitte Februar zwölf Privatwohnungen sowie Räume
des „Islamischen Fördervereins“ in Bremen und eine Autowerkstatt in
Delmenhorst durchsucht worden. Computer, Festplatten, Handys und weitere
Unterlagen waren beschlagnahmt worden. Die Auswertung dauert an. Bei der
Razzia ging es auch darum, Informationen über die islamistische Szene in
Bremen zu gewinnen.
Der Anwalt des „Islamischen Fördervereins“ wollte die Klage am Donnerstag
zunächst nicht kommentieren. Er rechne mit einem längeren
Verfahrensverlauf, sagte er der taz. Laut OVG bleibt der Verein einstweilig
verboten.
Nach dem Verbot des KUF im Dezember 2014 soll der bereits 2009 gegründete
„Islamische Förderverein“ von den Islamisten übernommen worden sein. Laut
Innenressort hatte sich rund ein Viertel der Mitglieder des KUF der
Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Sechs der ausgereisten
Männer seien in Syrien getötet worden.
Einer der Mitbegründer des KUF ist Renee Marc S. Er war Ende Februar aus
der Haft entlassen worden und hatte eine dreieinhalbjährige Strafe verbüßt,
unter anderem weil er Drohbotschaften und Propaganda von Al-Qaida
verbreitete. Die Sicherheitsbehörden halten ihn nach wie vor für sehr
gefährlich. In Haft soll er mehrere Mitgefangene rekrutiert haben, die
daraufhin in Syrien in den Kampf zogen.
Am Mittwoch hatte die CDU in der Landtagssitzung der Bürgerschaft einen
Antrag gestellt, islamistische Gefährder wie S. mit Hilfe einer
elektronischen Fußfessel zu überwachen. Ähnlich hatte sich bereits Ulrich
Mäurer geäußert. Anders als im Spiegel zitiert, will er allerdings die
Fußfessel nicht für alle „Gefährder“ einführen, die womöglich nie
verurteilt wurden, sondern nur für Menschen wie Renee Marc S., die auch
nach ihrer Haft als bedrohlich gelten.
Für CDU-Innenpolitiker Wilhelm Hinners allerdings ist die Fußfessel auch
dann sinnvoll, wenn jemand nicht verurteilt wurde, etwa im Fall von
Syrien-Rückkehrern: „Wenn jemand an Waffen und Sprengstoff ausgebildet
wurde, lässt sich das strafrechtlich schwer nachweisen“, so Hinners. Zeigt
sich jemand unkooperativ, könnten in diesen Fällen auf Grund einer
Gefährdungsanalyse Fußfesseln zum Einsatz kommen. „Bewegungsprofile von
Gefährdern sind ein wichtiges Mittel, um Strukturen von terroristischen
Zellen aufzudecken“, heißt es in dem Antrag.
Dass es rechtsstaatlich problematisch ist, die Freiheit von Menschen
präventiv zu beschränken, sehe er auch, sagt Hinners. Für ihn sei aber die
Frage, wie eine Gesellschaft mit der bestehenden Gefahr umgeht.
Ausdrücklich will er die Fußfessel nicht flächendeckend einsetzen, sondern
nur in besonders begründeten Einzelfällen. Der CDU-Antrag wurde in den
Rechtsausschuss verwiesen.
Für Linken-Fraktionschefin Kristina Vogt sind Fußfesseln hingegen ein
„Placebo für die Öffentlichkeit“. Diese auch für Verdächtige zu fordern,
sei rechtlich ohne jede Grundlage. Renee Marc S. sei ein geistiger
Brandstifter, „das ist ihm allerdings selbst in Haft gelungen“, so Vogt.
Man müsse verhindern, dass Leute rekrutiert werden, aber das funktioniere
nicht mit Fußfesseln oder stärkerer Repression.
17 Mar 2016
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Antiislamismus
Islamismus
Fußfessel
„Islamischer Staat“ (IS)
Salafisten
Kneipe
Boston Marathon
Justiz
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