| # taz.de -- Nachruf auf Nikolaus Harnoncourt: Neuer Blick auf Alte Musik | |
| > Er wirbelte den Klassikbetrieb durcheinander: Nikolaus Harnoncourt war | |
| > ein Revolutionär musikalischer Aufführungspraxis. | |
| Bild: Nikolaus Harnoncourt während einer Kostümprobe der „Zauberflöte“ i… | |
| Den Brotjob als Cellist bei den Wiener Symphonikern hielt der spätere | |
| Revolutionär musikalischer Aufführungspraxis erstaunlich lange durch. | |
| Siebzehn Jahre im Orchester (1952 bis 1969) schärften seinen Blick für das, | |
| was im Musikbetrieb falsch läuft. | |
| Im Hintergrund wuchs zur gleichen Zeit ein Projekt heran, das diesen | |
| Betrieb später tatsächlich erschüttern sollte. Im Kreis des Ensembles | |
| Concentus Musicus versuchte Harnoncourt mit Gleichgesinnten in der Musik | |
| des Barock jene Lebendigkeit freizulegen, die er an der bildenden Kunst der | |
| Epoche wahrnahm. | |
| Die von ihm losgetretene Welle historischer Aufführungspraxis war ihm mehr | |
| als die Liebhaberei für ein einschlägig gebildetes Publikum. Sie war immer | |
| auch die implizite, praktische Kritik an einer Praxis, die das Virtuosentum | |
| des späten 19. Jahrhunderts konservierte und im Zeitalter der technischen | |
| Reproduzierbarkeit in ein wohlfeiles Produkt geschichtsvergessenen | |
| Schönklangs verwandelte. | |
| ## Instrumente erforschen | |
| In seiner Perspektive auf Alte Musik musste die Gegenwart der Kunst der | |
| Vergangenheit ihren Gehalt immer neu entreißen. Der aufführende Musiker | |
| selbst wird zum Forscher. Harnoncourt und seine Mitstreiter vergruben sich | |
| neben ihrer Probenarbeit immer wieder in die Archive, um neues Material zu | |
| entdecken und zu sichern, aber auch, was er selbst besonders gerne tat, in | |
| die Werkstatt, um historische Instrumente zu erforschen, zu restaurieren | |
| und fallweise nachzubauen. | |
| Darüber hinaus bot das Ensemble künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten, die | |
| im Orchesterbetrieb seiner Generation kaum möglich waren, etwa für seine | |
| Frau, die Violinistin Alice Harnoncourt, die über Jahrzehnte in Aufnahmen | |
| des Concentus die Solopartien einspielte. | |
| Mit Wissen und Erfahrung dieser Praxis eroberte Harnoncourt auch über den | |
| Horizont Alter Musik hinaus die Konzertpodien bis hin zur Neuen Musik, | |
| deren Anhängerschaft mit der seinen eine erstaunlich große Schnittmenge | |
| hat. In Graz, wo der am Nikolaustag 1929 in Berlin geborene Johann Nicolaus | |
| Graf de la Fontaine und d’Harnoncourt-Unverzagt, aufwuchs, widmete man ihm | |
| ab 1985 mit der Styriarte eigens ein Festival. | |
| ## Er gab den kauzigen Landadeligen | |
| Harnoncourt wusste, dass man sich die Projektionen der anderen am besten | |
| vom Leib hält, in dem man sie geschickt bedient, oft gab er die Rolle, die | |
| er als Person vielleicht am wenigsten war: den kauzigen Landadeligen. Seine | |
| Abneigung gegen Interviews war das Leidwesen vieler Journalisten. Doch wo | |
| er Interesse an der Sache verspürte, wurde er zum begnadeten Erzähler. | |
| Mit Disziplin und innerem Feuer stand Nikolaus Harnoncourt bis ins | |
| vergangene Jahr am Pult. Am Wochenende gab die Familie Nachricht von seinem | |
| Tod. | |
| 7 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Mattheiß | |
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