| # taz.de -- Wegen Whistleblowing vorm Kadi: Der Staatsanwalt, dem der Kragen pl… | |
| > Ein Verdener Ermittler soll einen Vermerk über ein unmoralisches Ansinnen | |
| > der Polizei an die Presse gegeben haben. Dafür haben ihn seine Kollegen | |
| > angeklagt. | |
| Bild: Verhinderte, dass Polizisten unerlaubt eine Journalistin bespitzelten: Ha… | |
| HAMBURG taz | Weil er der Presse Polizei-Interna gesteckt haben soll, steht | |
| der pensionierte Verdener Oberstaatsanwalt Hansjürgen Schulz vor Gericht. | |
| Seine Kollegen werfen ihm vor, er habe das Dienstgeheimnis verletzt und | |
| sich außerdem noch bestechen lassen. Zur Eröffnung der [1][Verhandlung vor | |
| dem Landgericht Lüneburg] präsentiert sich Schulz als Workaholic und | |
| unbequemen Kollegen. „Ich hatte Feinde zuhauf“, sagt er. | |
| Schulz soll einen Vermerk über eine Besprechung zwischen Polizisten und | |
| Staatsanwälten im Jahr 2009 an den Weser-Kurier weitergegeben haben. Laut | |
| dem Vermerk sollen leitende Beamte der Polizeidirektion Verden/Osterholz | |
| vorgeschlagen haben, die Telefonverbindungen der Weser-Kurier-Redakteurin | |
| Christine Kröger auszuwerten und deren Wohnung zu durchsuchen. Ziel der | |
| Aktion: einen Maulwurf zu entdecken, der Kröger mit Material für deren | |
| kritische Artikel über die Ermittlungsbehörden versorgte. | |
| Jetzt wird Schulz als mutmaßlicher Herausgeber des Vermerks selbst als | |
| Whistleblower verfolgt: Nachdem das Landgericht Verden es 2014 mangels | |
| Tatverdacht abgelehnt hatte, ein Verfahren gegen Schulz zu eröffnen, | |
| beschwerte sich die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Celle, das | |
| den Fall dem Landgericht Lüneburg zuwies. Der Anwalt von Schulz, Martin | |
| Stucke, beantragte die Einstellung des Verfahrens: Das Lüneburger Gericht | |
| sei nicht zuständig. Die Frage bleibt bis zum nächsten Verhandlungstermin | |
| am 29. März offen. | |
| Dem von Schulz verfassten Vermerk zufolge argumentierten die Polizisten, es | |
| müsse „präventiv ein Signal gesetzt und ergründet werden, wer die | |
| Informationen weitergegeben hat“. Die Ermittlungen „würden dann auch | |
| ergeben, was Frau Kröger sonst noch treibt“. | |
| Schulz macht vor Gericht keinen Hehl daraus, dass der den Vorschlag der | |
| Polizisten für eine Zumutung hielt. Er habe auf das Urteil zur | |
| Berichterstattung des Politik-Magazins Cicero 2007 verwiesen. Darin hatte | |
| das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass Durchsuchungen und | |
| Beschlagnahmungen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige | |
| verfassungsrechtlich unzulässig seien, „wenn sie dem Zweck dienen, die | |
| Person des Informanten zu ermitteln“. | |
| Das Gespräch habe in einer hitzigen Atmosphäre stattgefunden, erinnert sich | |
| Schulz. „Mir ist der Kragen geplatzt“, sagt er. „Da habe ich den Vermerk | |
| gemacht.“ Er habe sich absichern und durch Information des | |
| Ermittlungsrichters Jörg Barré verhindern wollen, dass die Polizisten | |
| versuchten, an anderer Stelle in der Behörde mit ihrem Ansinnen | |
| durchzukommen. | |
| Zwei Jahre später, im April 2011, tauchte der Vermerk in der Öffentlichkeit | |
| auf. „Angriff auf die Pressefreiheit“ titelte der Weser-Kurier. Schulz | |
| bestreitet, den Vermerk herausgegeben zu haben. „An meine Akten konnte | |
| jeder ran“, sagt er. | |
| In dem Verfahren 2009, das den Anlass zu Krögers kritischer | |
| Berichterstattung und schließlich zu dem Vermerk gab, war Schulz nach | |
| Darstellung des [2][Weser-Kuriers] die treibende Kraft der Ermittlungen. Es | |
| geht um einen Fall mutmaßlicher Blutrache in Schwanewede, den die Polizei | |
| möglicherweise hätte verhindern können, wenn sie einen Zeugen ernst | |
| genommen hätte. | |
| Dem Landgericht schildert Schulz die vielen großen Verfahren, mit denen er | |
| über die Jahre zum Teil parallel befasst war und die damit verbundenen | |
| Aktenstapel, die eigentlich nicht zu bewältigen gewesen seien. Schulz | |
| scheint die Arbeit angezogen zu haben und opferte dafür notfalls seinen | |
| Urlaub. Einmal spricht er davon, ein Verfahren „abgestaubt“ zu haben. Der | |
| ehemalige Staatsanwalt vermittelt den Eindruck, er habe sich durch Kritik | |
| an der Polizei und durch hartnäckige Ermittlungen unbeliebt gemacht. | |
| 2010 reichte er eine Überlastungsanzeige ein. Im März 2011 ließ er sich von | |
| dem Übersetzer Emdad Sakallah ein Darlehen von 6.000 Euro geben – das wird | |
| ihm als Vorteilsnahme ausgelegt und vor Gericht mitverhandelt. Sakallah | |
| hatte für ihn auf Zuruf, auch über Nacht, übersetzt – allein zwischen 2010 | |
| und 2011 in einem Auftragswert von 62.000 Euro. Schulz will sich nichts | |
| Böses bei dem Darlehen gedacht haben, obwohl keine Rückzahlung vereinbart | |
| worden sei. | |
| Im Mai 2011, einen Monat nach Bekanntwerden des Vermerks, wurde er als | |
| Abteilungsleiter abberufen und nach Aurich versetzt. Im Sommer brach er | |
| zusammen. Seine Ärztin bescheinigte ihm eine depressive Störung. Im Juli | |
| 2012 kam es im Büro des Generalstaatsanwalts in Celle zu einem Gespräch, in | |
| dem Schulz vorgeschlagen worden sein soll, sich frühpensionieren zu lassen. | |
| Im Gegenzug würden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt, sagt Schulz. Im | |
| Herbst ging er in den einstweiligen Ruhestand. Heute ist er 59 – und das | |
| Verfahren läuft. | |
| 8 Mar 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.landgericht-lueneburg.niedersachsen.de | |
| [2] http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadtreport_artikel,-Chronologie-d… | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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