# taz.de -- taz-Serie Ökonomie der Flucht: Flüchtlinge gehen seltener zum Arzt | |
> Entgegen allen Befürchtungen: Die Gesundheitsausgaben für Flüchtlinge | |
> sind bisher niedrig. Asylsuchende werden zu Pflegehilfskräften | |
> ausgebildet. | |
Bild: Die Flüchtlinge sind jünger als die deutsche Bevölkerung, eher nicht �… | |
BERLIN taz | Das Interesse der Flüchtlinge war groß: „Wir hatten mehr | |
Anfragen als Plätze“, sagt Jenny Pieper-Kempf, Sprecherin des Diakonie | |
Pflegeverbundes Berlin. Mit 16 Teilnehmern startete hier kürzlich ein | |
Pilotprojekt, in dem Asylsuchende zu PflegehelferInnen ausgebildet werden. | |
Der viermonatige Lehrgang beinhaltet Sprachkurs, theoretischen Unterricht, | |
Praktika und sogar bei Bedarf das Erlernen des Fahrradfahrens. | |
Flüchtlinge als neue Arbeitskräfte – davon träumen viele Arbeitgeber in der | |
Pflegebranche, die den Fachkräftemangel beklagen. Allerdings: Wer nach | |
Deutschland kommt und sich überhaupt für die Pflege begeistern kann, macht | |
in der Regel erst mal einen Kurs zur Pflegehilfskraft. Denn die dreijährige | |
Ausbildung zur examinierten Fachkraft erfordert sehr gute | |
Deutschkenntnisse, das Curriculum ist anspruchsvoll. | |
Auch der Kurs der Diakonie vermittelt nur Basiskenntnisse. Die | |
TeilnehmerInnen kommen aus Syrien, Afghanistan, aber auch Albanien und dem | |
Kosovo, unter ihnen sind ein Drittel Männer. In der Diakonie hofft man, | |
dass sich der eine oder andere nach Abschluss des Kurses entschließt, die | |
dreijährige Ausbildung zur dringend gesuchten examinierten Pflegefachkraft | |
noch draufzusetzen. „Das Ziel aller Qualifizierung ist letztlich, jemanden | |
zur Fachkraft zu bringen“, sagt Manfred Carrier, Ausbildungsexperte bei der | |
Diakonie Deutschland. Männer müssten aber erst mal an die Pflege | |
„herangeführt“ werden. In den Herkunftsländern gilt die Pflege als | |
Frauenberuf. | |
Auch die Ärzte unter den Flüchtlingen haben einen längeren Weg vor sich, um | |
hier als Arzt arbeiten zu können. Ärzte aus einem Nicht-EU-Land müssen in | |
Deutschland sehr gute Sprachkenntnisse vorweisen und unter Umständen eine | |
aufwendige „Kenntnisstandprüfung“ auf Deutsch absolvieren, um die nötige | |
Approbation zu bekommen. Das dauert. | |
Flüchtlinge sind nicht nur potenzielle Arbeitskräfte, sondern auch | |
potenzielle Patienten in der Gesundheitsbranche. Asylbewerber, die weniger | |
als 15 Monate in Deutschland sind, haben laut Gesetz aber nur bei akuten | |
Erkrankungen und Schmerzzuständen einen Zugang zu Arztbehandlungen. Erst | |
bei längerer Aufenthaltsdauer ist der Zugang uneingeschränkt und es gelten | |
für sie die üblichen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen. | |
Diese Kosten werden nicht von den Beitragszahlern getragen, sondern vom | |
Staat, also den Steuerzahler. | |
Die mitunter geschürte Sorge, kranke und traumatisierte Flüchtlinge könnten | |
das hiesige Gesundheitssystem über Gebühr belasten, wird bisher durch die | |
Zahlen entkräftet. Laut einer Studie der Universitäten Heidelberg und | |
Bielefeld verursachen Asylsuchende mit eingeschränktem und | |
uneingeschränktem Zugang pro Jahr im Schnitt nur etwa 1.600 Euro an | |
Gesundheitsausgaben pro Kopf. Interessant dabei ist, dass die | |
Gesundheitsausgaben nicht steigen, wenn die Flüchtlinge eine eigene | |
Versichertenkarte und uneingeschränkten Zugang zu ärztlichen Leistungen | |
haben – es ist also nicht so, dass Asylbewerber das Gesundheitssystem | |
ausnutzen würden, wenn sie nur könnten. | |
„Die Behandlungskosten pro Person sind bei den Flüchtlingen geringer als im | |
Schnitt der gesetzlich Versicherten“, sagt Jörn Hons, Sprecher der AOK | |
Bremen. Für die Gesamtbevölkerung in Deutschland errechnen sich | |
Gesundheitsausgaben von im Schnitt 3.900 Euro pro Person und Jahr, wobei | |
teure Behandlungen chronischer Patienten den Schnitt nach oben ziehen. Die | |
Flüchtlinge sind jünger als die deutsche Bevölkerung, eher nicht | |
übergewichtig, in der Mehrzahl Männer – solche Leute gehen seltener zum | |
Arzt. Außerdem sind schon die Sprachprobleme ein Hindernis beim Arztbesuch. | |
21 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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