# taz.de -- Berlinale, Tag 9: Was bisher geschah: Mehr Staub im Klang | |
> Ständig ist von Regisseuren und Schauspielern die Rede. Im HAU 3 gewährte | |
> „The Revenant“-Komponist Alva Noto Einblicke in die Welt der Filmmusik. | |
Bild: Szene aus „The Revenant“. | |
Der beste Filmsoundtrack ist der, von dem man keine Notiz nimmt. Weil er | |
sich bis zur Selbstaufgabe in den Dienst der Geschichte und der Bilder | |
stellt und hinter das Primat des Visuellen tritt. Diese Binse ist | |
selbstredend Quatsch, weil ein Soundtrack die Anmutung einer Bildsequenz | |
entscheidend ändert und integraler Bestandteil des Filmerlebnisses ist. | |
Deswegen war es schön, bei den Berlinale Talents im HAU 3 einmal einen | |
Blick in die Arbeitsweise eines Komponisten werfen zu können. Zu Gast war | |
der Künstler Carsten Nicolai, international als Alva Noto bekannt, der seit | |
vielen Jahren mit dem japanischen Avantgarde-Komponisten Ryūichi Sakamoto | |
zusammenarbeitet. | |
Gemeinsam haben sie die Musik zu Alejandro G. Iñárritus wuchtigem | |
Arthouse-Blockbuster „The Revenant“ erstellt – ein schönes Beispiel für… | |
Dynamiken eines Betriebs, in dem die äußeren Ränder erlesener Insidermusik | |
eine Allianz mit dem Prestige-Segment der Hollywoodproduktion eingehen, | |
ohne sich künstlerisch zu verbiegen. | |
Nicolai steht für einen Komponistentypus mit Hang zur eleganten | |
Schlichtheit der Ästhetik der Moderne. Gegenüber der Gesprächsleiterin | |
Milena Fessmann, die mitunter etwas enervierend auf Celebrity-Anekdoten | |
drängte (“Wie weit entfernt saßen Sie von Leonardo DiCaprio?“), legte er | |
eine schnuffige Lässigkeit an den Tag. | |
Er bot Einblick in die Herausforderungen der so intimen wie anspruchsvollen | |
Feinarbeit an einer Großproduktion wie „The Revenant“, deren Regisseur | |
mitunter sehr präzise (“Diesen Klang bitte vier Frames verschieben“) bis | |
nebulöse (“Etwas mehr Staub im Klang!“) Vorstellungen hat. | |
Spannend zu sehen war, wie konträr die auf Erhabenheit zielende | |
Naturästhetik von „The Revenant“ zu Nicolais eigener (auf YouTube | |
hinterlegter) Experimentalfilmserie „Future Past Perfect“ steht: Wo es | |
Iñárritu metaphysisch raunen lässt, erkundet Nicolai mit klarem Blick | |
anhand einer Kinderlied-Pianomelodie einen Corbusier-Wohnblock und dessen | |
melancholisch verwehte, einstige Utopieversprechen. | |
19 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Thomas Groh | |
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