| # taz.de -- Kommentar de Maizières Nordafrikareise: Von Werten zu Interessen | |
| > De Maizière verhandelt in Nordafrika, um die Zahl der Asylbewerber zu | |
| > senken. Dabei ignoriert er Moral und Menschenrechte. | |
| Bild: Der Baukasten deutscher Außenpolitik wird immer leerer: Thomas de Maizi�… | |
| Nehmen wir mal an, ein Strafverteidiger vertritt vor Gericht einen | |
| vorbestraften Schwerverbrecher. Sein Mandant ist ein unangenehmer Kerl und | |
| sitzt wegen Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung auf der | |
| Anklagebank. Zeugen und Beweise gibt es genügend. Trotzdem fordert der | |
| Anwalt im Plädoyer einen Freispruch. Sein Argument: Der Angeklagte lege | |
| großen Wert darauf, nicht ins Gefängnis zu müssen. | |
| Zieht nicht? Scheinbar doch. Derselben Logik folgte Thomas de Maizière in | |
| dieser Woche während seiner Visite in Nordafrika. Drei Tage lang bezirzte | |
| der Innenminister die Regierungen der Maghrebstaaten, damit diese | |
| abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland zurücknehmen. Als ihn zwischendurch | |
| eine ZDF-Moderatorin fragte, ob die Menschenrechtslage vor Ort einem | |
| solchen Deal nicht im Weg stehe, beschwichtigte der Minister: Zumindest | |
| Algerien und Marokko legten doch selbst großen Wert darauf, von Deutschland | |
| „zu sicheren Staaten erklärt zu werden“. | |
| Eine seltsame Logik, die verschleiert, dass de Maizière in Wahrheit nur ein | |
| einziges haltbares Argument hat: Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland, | |
| gerade die der abgelehnten, muss sinken. Ohne Mauscheleien mit | |
| zwielichtigen Regierungen in Nordafrika und anderswo ist das kurzfristig | |
| kaum zu schaffen. Moral und Menschenrechte rücken in der Liste der | |
| Prioritäten also erst mal nach hinten. | |
| Das gilt für den Umgang mit den Maghrebstaaten wie für den mit der Türkei | |
| (bekommt Geld, weil sie Flüchtlinge zurückhält) oder mit Ägypten (wird | |
| trotz Militärregierung hofiert, weil es für einen Rest von Stabilität | |
| sorgt). Die Bundesregierung verschiebt ihren Schwerpunkt immer deutlicher | |
| von einer werte- zu einer interessengeleiteten Außenpolitik. | |
| Natürlich gibt es dafür gute Argumente. Wer sich für den realpolitischen | |
| Schwenk entscheidet, muss aber auch die Konsequenzen in Kauf nehmen: Wer | |
| zum Beispiel bei willkürlichen Verhaftungen in Algier beide Augen zudrückt, | |
| kann Menschenrechtsverletzungen an anderer Stelle kaum mehr glaubwürdig | |
| kritisieren. Der Werkzeugkasten der deutschen Außenpolitik wird immer | |
| leerer. | |
| Wer das heute schon einkalkuliert, kann sich auf die Folgen zumindest | |
| vorbereiten. Wer sich aber damit begnügt, wie de Maizière den Angeklagten | |
| zum Kronzeugen zu machen, der wird sich noch umschauen. | |
| 1 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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