Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- tazler und Merkels Flüchtlingspolitik: Kanzlerin der Herzen
> Auch in der taz gibt es viel Zustimmung für die Politik der Kanzlerin.
> Sollte man deshalb gleich CDU wählen? Oder nur für Merkel beten?
Bild: Machen diese Hände gute Politik?
Angela Merkel bekommt für ihre Flüchtlingspolitik viel Zustimmung – aber
eher links der Mitte. Bei „Anne Will“ warb Merkel jetzt gezielt um
Wechselwähler: Es freue sie zwar, dass der Grüne Winfried Kretschmann sie
unterstütze, sagte Merkel. Aber wer ihre Politik gut finde, sollte bitte
CDU wählen. Äh, bei aller Liebe, da fragen wir uns: Schaffen wir das? Acht
tazler*innen berichten:
***
Es ist etwas Schlimmes passiert: Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, CDU
wählen zu müssen. Um genau zu sein: Merkel. Die Kröte CDU müsste ich halt
mitschlucken. Neben SPD-Siggi, der seine Fahne in jeden stinkenden Furz der
vermeintlich Zukurzgekommenen hält, Linken-Sahra als besorgter Bürgerin und
Grünen, die nach dem knallharten Staat rufen, wirkt Merkel souverän und
menschlich, wie sie bei „Anne Will“ bewies.
Sie will sich nicht in ein paar Jahren für ihre Politik schämen müssen und
hat einen Plan, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum nicht morgen ist. Ich weiß,
dass dieser Plan Fehler beinhaltet (sichere Herkunftsländer, Kuscheln mit
Erdoğan), aber immerhin weist er einen Weg. Sollte es tatsächlich so weit
kommen, dass ich CDU wählen sollte, hoffe auch ich, dass ich mich später
nicht dafür schämen muss. (Jürn Kruse)
***
Oma, du glaubst, wenn Angela Merkel stürzt, bricht das Chaos aus, weil die
Merkel als einzige Politikerin Europa und die Menschlichkeit hochhält. Omi,
auch ich habe Merkel Respekt für ihr „Wir schaffen das“ gezollt. Aber der
schwand, als sie und ihre Partei damit anfingen, „das“ zu schaffen, indem
sie willkürlich sichere Herkunftsländer herauspickten, den Geflüchteten
Familiennachzug verweigerten und Abschiebelager namens
„Aufnahmeeinrichtung“ einrichteten. Omi, du wirst 2017 erleben, wie
unbegründet deine Sorgen waren. Alles Liebe, Anna (Anna Lehmann)
***
Achtung, Richtigstellung: Angela Merkel ist nicht die Schutzheilige der
Asylbewerber. Sie kämpft auch nicht gegen eine Obergrenze. Sie will die
Obergrenze nur an anderer Stelle durchsetzen als Seehofer und Co: im
Mittelmeer, nicht in Freilassing. Indem sie die Außengrenzen der EU dicht
macht, tastet sie das individuelle Recht auf Asyl an. Und zur Belohnung
soll ich jetzt auch noch die CDU wählen? Nein danke, so einfach gibt es
meine Stimme nicht. (Tobias Schulze)
***
Angela Merkel hat auf Deutschlands besondere Verantwortung in Europa
verwiesen. Dass sie mit Blick auf Clausnitz auf den im Grundgesetz
verankerte Schutz der Menschenwürde verwiesen hat, ist Lichtjahre von der
Haltung eines Helmut Kohl entfernt. Wer ein humanes Europa will, muss
Merkel wählen. Eine mögliche schwarz-grüne Koalition im Bund verlöre mit
ihr als Bundeskanzlerin viel von ihrem Schrecken. Weniger wegen der Grünen,
die jede Kröte schlucken würden, wenn sie dafür irgendwo ein Windrad bauen
dürfen. Sondern wegen Merkel, deren Partei sich unter ihrer Ägide auf
vielen Feldern grünen Positionen angenähert hat. Meine Stimme hätte sie.
Die Frage ist nur: Was macht man mit der CSU? (Daniel Bax)
***
Keine Frage: Der Auftritt von Angela Merkel war stark. Einer Reihe ihrer
Sätze kann uneingeschränkt zugestimmt werden – weil sie eigentlich
Selbstverständliches enthielten. Dass leider allzu viele das anders sehen,
ist aber kein Grund, sie zur „Kanzlerin der Herzen“ zu küren oder gar CDU
zu wählen. So nötig es ist, Merkel gegen die nationalistischen und
rassistischen Plärrer zu verteidigen, so fatal wäre es, deshalb nicht mehr
ihre Politik in toto zu beurteilen. Sie wolle „Europa zusammenhalten und
Humanität zeigen“. Gut. Nur: Dazu passt weder ihr unsolidarisches Agieren
in der Griechenlandkrise, das die Not der Menschen vergrößert hat, noch die
Verschärfung der Asylgesetzgebung. Und dass sich unter ihrer Regentschaft
die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnete, darf man auch nicht
vergessen. (Pascal Beucker)
***
Nach zehn Jahren Rumdümpeln macht Angela Merkel jetzt endlich entschlossen
Politik. Und zwar gute. Ich möchte sie gerne dabei unterstützen. Aber
deshalb eine Partei wählen, die ihre „Menschenrechtsbeauftragte“ Erika
Steinbach vor sich hin hetzen lässt und sich außerstande sieht, etwas so
Einfachem wie der Ehe für alle zuzustimmen? Im Gegenzug aber das Elend von
Menschen auf der Flucht zum Politikum aufbläst, während ihre Vorsitzende
ihr Amt für Grundwerte der Menschlichkeit riskiert? Tut mir leid – das kann
ich einfach nicht. (Johanna Roth)
***
Natürlich habe ich nie CDU gewählt – und bis Ende 40 hätte es viele
Möglichkeiten dazu gegeben. Aber es ist einfach so, wie es der grüne
Abgeordnete Konstantin von Notz nach der „Anne Will“-Sendung am
Sonntagabend twitterte: „In Sachen #Flüchtlingskrise ist A. #Merkel
tatsächlich aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt – aus einem guten +
europäischen.“
Es geht mir derzeit so wie vielen: Nach all ihren prinzipienlosen
Eiertänzen in den vergangenen zehn Jahren erlebe ich Merkel erstmals als
eine standhafte Politikerin: die mal wieder klüger ist als die meisten
anderen ihrer Klasse, die zweitens aber für eine insgesamt gute, richtige
und wichtige Politik ihre Kanzlerschaft zu opfern bereit ist. Und das flößt
mir Respekt ein. Ich weiß, vieles davon ist genau ihr Kalkül. Aber so ist
Politik. Ob ich für Merkel auch CDU wähle? Noch nicht. (Philipp Gessler)
***
Was wäre Mutti nur ohne Vati? Neue Lebensformen hin oder her: In einer
echten Krise wird das bürgerliche Baden-Württemberg wohl Schutz beim
Bewährten suchen. In diesem Fall beim grünen Landesvater, der sich, wenn er
seine Laubsägearbeiten beendet hat, in seinen Dienst-Benz schwingt und
Mutti dabei hilft, Europa zu retten. Dem CDU-Mann trauen das die wenigsten
zu. Guido Wolf gibt wohlfeile Treueschwüre für die Kanzlerin ab und
unterschreibt gleichzeitig jedes neue Positionspapier von Julia Klöckner.
Vielleicht tut man Angela Merkel also sogar einen Gefallen, wenn Wolf bald
Geschichte ist und als starker Mann in der Südwestunion Merkel-Gefolgsmann
Thomas Strobl übrig bleibt. Und wenn es am Ende vielleicht für eine
grün-schwarze Koalition reicht, wären sich Mutti und Vati so nah wie nie.
Klingt alles ein bisschen muffig? Ja, aber am Ende wird es der
bürgerlich-aufgeklärte Baden-Württemberger halten, wie es Kretschmann
vormacht: für die Kanzlerin beten und Grün wählen. (Benno Stieber)
1 Mar 2016
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Europäische Union
Schwerpunkt Angela Merkel
Flüchtlinge
Schwerpunkt Landtagswahlen
Anne Will
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Angela Merkel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte Folgen des Flüchtlingszuzugs: Ein Plädoyer für Schwarz-Grün
Die Grünen stehen der CDU näher als den Linken. Es wird deshalb Zeit,
Irrtümer und naive Vorstellungen über Bord zu werfen.
CDU-Kandidat Guido Wolf in BaWü: Papst oder Ministerpräsident
Joggeli der Ziegenbock. Walesco der Wallach. So manche Vorliebe von Guido
Wolf (CDU) ist schon bekannt. Aber was steckt im Herausforderer?
Kolumne So nicht: Produktplatzierung im Talkshowsessel
Angela Merkel sagt bei Anne Will Kanzlerinnensätze und wird dafür gefeiert.
Dabei hat sie einiges vergessen zu sagen.
Nach Merkels Auftritt bei Anne Will: Maas lobt, Seehofer kritisiert
Justizminister Maas (SPD) wertet Merkels Auftritt bei Anne Will als
Kampfansage an ihre Kritiker. CSU-Chef Seehofer ist weiter für eine
Obergrenze.
Angela Merkel bei Anne Will: Eine Ohrfeige für die CSU-Kleingeister
Die Kanzlerin zeigt, dass sie überzeugt ist, in der Flüchtlingspolitik das
Richtige zu tun. Und präsentiert sich als leidenschaftliche
Weltpolitikerin.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.