| # taz.de -- ProSiebenSat.1 mit Erfolgsbilanz: Aufstieg mit getrübter Aussicht | |
| > ProSiebenSat.1 begeistert mit Rekordzahlen und steht kurz vor dem | |
| > Dax-Einstieg. Doch der Wandel im Fernsehmarkt könnte zu Problemen führen. | |
| Bild: Guter Empfang: Eine Satellitenschüssel steht auf dem Gebäude von ProSie… | |
| Es ist eine Erfolgsgeschichte, der Aufstieg nach dem tiefen Fall. Noch Ende | |
| der Nullerjahre dümpelte die Aktie von ProSiebenSat.1 im Centbereich vor | |
| sich hin. Aktuell steht der Konzern als erstes Medienunternehmen kurz vor | |
| dem Einzug in den Dax. | |
| Der Arbeitskreis Aktienindizes wird am Donnerstag wahrscheinlich den | |
| Aufstieg bekannt geben, denn hinter ProSiebenSat.1 liegen Jahre voll | |
| starkem Wachstum und zeitweise 5.000 Prozent Gewinn an der Börse. Erst Ende | |
| letzter Woche präsentierte der Konzern neue Rekorderzahlen für das | |
| vergangene Jahr. Der Umsatz sprang 2015 um 13,4 Prozent auf 3,26 Milliarden | |
| Euro, der Betriebsgewinn stieg um 9,2 Prozent auf 925,5 Million Euro. | |
| Entsprechend euphorisch nehmen die Medien die Entwicklung von | |
| ProSiebenSat.1 in den letzten Jahren auf. Sie schreiben begeistert über den | |
| vom Vorstandsvorsitzenden Thomas Ebeling vorangetriebenen Konzernumbau vom | |
| Fernsehveranstalter hin zum modernen Medienunternehmen. | |
| Harald Rau, Professor für Kommunikationsmanagement an der Ostfalia | |
| Hochschule in Wolfenbüttel, sieht die Zukunft des Konzerns weniger | |
| euphorisch: „Langfristig, mit Blick auf zehn Jahre, würde ich persönlich in | |
| ProsiebenSat.1 nicht investieren“, sagt der Medienökonom. „Mit klassischen | |
| Fernsehsendern wird man im Zeitalter von Amazon Prime und Netflix kaum noch | |
| Geld verdienen können. Das ‚Free-TV‘-Geschäftsmodell der Vergangenheit | |
| steht gewaltig unter Druck.“ Darauf habe man im Unternehmen zwar die | |
| richtigen Antworten gefunden. Reichen werde das wohl dennoch nicht. | |
| ## Erfolgreicher Konzernumbau | |
| Tatsächlich hat das Unternehmen aus Unterföhring bei München in den letzten | |
| Jahren den Konzernumbau enorm vorangetrieben. Der Einstieg in neue | |
| Geschäftsfelder jenseits der klassischen Fernsehwerbung wurde stark | |
| forciert. Durch Media for Equity-Deals bekam ProSiebenSat.1 Anteile an | |
| vielen Internet-Start-ups als Gegenleistung für Werbezeiten. Heute ist man | |
| breit im E-Commerce tätig. Onlinespiele, Reiseseiten oder das | |
| Verbraucherportal Verivox gehören zum Konzern. Die gesamte Digitalsparte | |
| ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Allein 2015 sprang der | |
| Umsatz um 38,6 Prozent und macht schon knapp 26 Prozent des Gesamtumsatzes | |
| aus. | |
| Auch im Produktionsgeschäft will das Unternehmen weiter zulegen. Die | |
| Gründung der Produktionsgesellschaft Red Arrow 2010 beschreibt Rau dabei | |
| als „guten unternehmerischen Schachzug“. Auch damit mache man sich | |
| unabhängiger vom TV-Werbegeschäfft und könne auch international am | |
| Video-On-Demand-Markt verdienen, wie beispielsweise der Verkauf der Serie | |
| „Bosch“ an Amazon Prime zeigt. | |
| Trotzdem macht das klassische deutschsprachige TV-Geschäft mit 66 Prozent | |
| immer noch den Löwenanteil am Umsatz aus. Dessen in Zukunft erwarteter | |
| Niedergang werden die neuen Segmente so leicht nicht auffangen können, | |
| schätzt Rau. | |
| Ähnlich sehen es die Analysten Sarah Simon und Robert Berg von der | |
| Privatbank Berenberg. Zwar sei die Investition in neue Sparten gut, jedoch | |
| halten sie in einem Bericht die Bewertungen der Konzerntöchter an der Börse | |
| für zu optimistisch: „Viele dieser Unternehmen agieren in stark umkämpften | |
| Märkten und nicht alle unter ihnen sind Marktführer.“ | |
| ## Musterbeispiel Maxdome | |
| Gutes Beispiel dafür ist Maxdome. Den Video-On-Demand-Anbieter betreibt | |
| ProSiebenSat.1 seit 2006 und war damit lange Marktführer in Deutschland. | |
| Auch heute setzt das Unternehmen stark auf das Portal im enorm wachsenden | |
| Video-On-Demand-Markt und sieht sich gewappnet gegen die große | |
| internationale Konkurrenz: „Netflix hat Deutschland nicht im Sturm | |
| erobert“, sagt Konzernchef Ebeling. „Ich glaube auch nicht, dass Amazon | |
| Prime und Netflix in Deutschland einmal solch eine Marktposition haben wie | |
| in den USA. Dafür sind die Marktstrukturen zu verschieden.“ Das sieht auch | |
| Rau so: „Der deutsche Fernsehmarkt tickt anders.“ So habe sich | |
| beispielsweise Pay-TV anders als in den meisten Ländern nie richtig | |
| durchsetzen können. Eine vom internationalen Geschehen abweichende | |
| Entwicklung könnte sich daher auch auf dem deutschen Video-On-Demand-Markt | |
| vollziehen. | |
| Noch gibt man sich beim Anbieter daher zuversichtlich. „Wir sind überzeugt, | |
| dass wir zukünftig eine Chance haben“, sagt Maxdome-Sprecher Matthias | |
| Bohlig. Denn durch den Einstieg von Netflix und Amazon Prime habe der | |
| gesamte Markt an Fahrt gewonnen. Auch bei Maxdome nahmen dadurch die | |
| Abonnentenzahlen im vergangenen Jahr um 78 Prozent zu. Wie viele Abonnenten | |
| das genau sind, bleibt jedoch geheim. Keiner der großen Anbieter | |
| veröffentlicht derzeit Nutzerzahlen für den deutschen Markt. | |
| Dass es für Maxdome nicht leicht wird, zeigt, dass der einstige Marktführer | |
| nach eigenen Angaben mittlerweile hinter Netflix und Amazon Prime nur noch | |
| die Nummer drei in Deutschland ist. Ob der deutsche Anbieter den weiteren | |
| Aufstieg der beiden schwergewichtigen und international erfolgreichen | |
| Konkurrenten hierzulande aufhalten kann, bleibt daher fraglich. | |
| Entsprechend getrübt erscheinen die langfristigen Aussichten für | |
| ProSiebenSat.1. Darüber dürfte auch der wohl bevorstehende Dax-Einstieg | |
| kaum hinwegtäuschen. | |
| 29 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Latz | |
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