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# taz.de -- Die Wahrheit: Weg mit dem Kretin!
> Niemand unter den Völkern der Welt braucht dieses Land. Ein notwendiges
> Manifest zur endgültigen Abschaffung Deutschlands.
Die Empörung war groß unter all jenen, die sich auch nur einen Funken
Herzenswärme bewahren konnten, als Ende vergangener Woche die Bilder aus
dem sächsischen Clausnitz die Runde machten. Doch damit nicht genug,
stellte sich der Leiter des Flüchtlingsheims Thomas Hetze (sic!) fürderhin
als Mitglied der rechtsextremen AfD heraus, was ungefähr so ist, als würde
man einen notorischen Kinderschänder zum Leiter der örtlichen
Kindertagesstätte erklären.
Der Bürgermeister des Ortes beeilte sich zwar, seine Scham über die
Blockade des Busses zu bekunden, nicht ohne jedoch sogleich die
abgedroschenste aller Ausreden zu bemühen, der hassrülpsende Pöbel komme ja
gar nicht aus seinem Ort. Als ob je ein Ortsfremder freiwillig nach
Clausnitz gekommen wäre!
Aber sei’s drum, vielleicht stammten ein paar der menschlich verwahrlosten
„Wir-sind-das-Volk“-Krakeeler tatsächlich aus einem der drei
nächstgelegenen Käffer, denn was die geistige und emotionale Verarmung
angeht, scheinen Sachsens inzestuöse Dörfer tatsächlich mittlerweile
austauschbar.
## Moralische Verkommenheit
Dies alles ist selbstverständlich ebenso empörend wie wenig erstaunlich,
zeigt es doch in quasi mikroskopischer Versuchsanordnung die ethische und
moralische Verkommenheit dieses Landes samt seiner Behörden und Bewohner.
Eines Landes, das seit jeher von Spießern und Spitzeln bevölkert wird,
dessen Insassen von Neid und Niedertracht getriebene Charaktere sind, die
ihre eigenen Minderwertigkeitskomplexe durch ein nationales Größenselbst zu
kompensieren suchen. Ein Land, das auf der Karte so aussieht, als hätte
jemand in die Mitte Europas gekotzt, eine stinkende und stückige Lache
Erbrochenes.
Es ist im Grunde einerlei, welchen Teilbereich des Lebens in diesem Land
man betrachtet, um die Widerwärtigkeit dieser Staat gewordenen Kloake zu
erkennen: Humor wird mittels Schunkeln simuliert, Rhythmusgefühl durch
Marschieren; die Fernsehshows sind so grenzdebil, dass man sie nur mit dem
Intelligenzquotienten eines Tellers Erbsensuppe erträgt, weshalb die
Deutschen viel und ausgiebig fernsehen.
Existieren Verkehrsregeln in anderen Ländern eher als vage Richtlinien, die
niemand benötigt, weil man mit ein bisschen gesundem Menschenverstand und
Instinkt auch, ohne sich gegenseitig über den Haufen zu fahren, durch die
Gegend kommt, so ist der deutsche Kraftfahrzeughalter grundsätzlich
entweder viel zu langsam oder viel zu schnell unterwegs, nötigt andere
mittels Lichthupe oder geballter Faust von der Fahrbahn.
Fußgänger bleiben derweil selbst nachts um drei Uhr auf menschenleeren
Straßen angsthasig und obrigkeitstreu an roten Ampeln stehen, um
schließlich, wenn sie bei Grün den Übertritt wagen, von einem
alkoholgesichtigen Autofahrer über den Haufen gemäht zu werden, der
anschließend Fahrerflucht begeht.
Um überhaupt etwas Tugendhaftes zu haben, auf das er stolz sein kann, hat
der Deutsche die Gefängnisaufseher- und Generalmajor-Eigenschaften Fleiß
und Treue, Disziplin und Sauberkeit, Pünktlichkeit, Kadavergehorsam und
Ordnungsliebe kurzerhand zu Sekundärtugenden erhoben – Eigenschaften, mit
denen man auch hervorragend ein Konzentrationslager betreiben kann, was
bekanntlich die einzig je bekannt gewordene Tätigkeit ist, bei der der
Deutsche mit so etwas wie aufrichtiger Freude und Leidenschaft bei der
Sache war.
Aber was ist mit all den wunderschönen Bergen und Seen, den Feldern und
Wäldern, den Flüssen und Auen?, mag manch einer zaghaft einzuwenden
versuchen, für die man dieses Land einfach lieben muss: Was ist mit Ostsee
und Alpen, Schwarzwald und Harz, mit Lüneburger Heide und Sächsischer
Schweiz? Wohl wahr, will man angesichts derart unverstellt blonder Blödheit
und Blauäugigkeit da entgegnen: Aber wäre all dies nicht genauso schön,
wenn es dänisch, polnisch oder französisch wäre? Wäre es ohne das
immerwährende miesepetrige Geplampe der Deutschen und ihre
Vorschriftenhuberei nicht viel schöner?
Und was ist mit den Errungenschaften der deutschen Kultur – mit Schiller
und Goethe? Beethoven und Bach? Mit Ballhaus, Bauhaus und Beckenbauer, ohne
die jede Welt zweifellos ärmer wäre? Was mit den Errungenschaften des
Grundgesetzes dieser Bundesrepublik Deutschland, an die sich der
selbsternannte Verfassungspatriot gern klammert, in der puren Verzweiflung,
dass es doch irgendetwas geben muss, desterwegen man dieses Land in Schutz
nehmen kann?
## Verstümmeltes Recht
Nun – was ist der „Zauberlehrling“ angesichts von Sachsenhausen; was die
„Ode an die Freude“ angesichts von Auschwitz; was die Schönheit der
Sächsischen Schweiz angesichts der Folterkeller von Bautzen; und was der
verstümmelte Rumpf des Rechts auf Asyl angesichts des nicht ausrottbaren
Rechtsextremismus und Antisemitismus in diesem Land?
Was sind all die Gedichte, Opern und Dramolette angesichts zweier vom Zaun
gebrochenen Weltkriege mit 72 Millionen Toten sowie der Erfindung des
industriellen Massenmords mit sechs Millionen erschlagenen, erschossenen,
vergasten und letztlich durch den Schornstein gejagten Juden? Der Verweis
auf die kulturellen Errungenschaften dieses Landes ist, als würde man einem
pathologischen Vergewaltiger und Massenmörder zugutehalten, dass er ein
feinsinniger Klavierspieler sei.
Man fragt sich unweigerlich, warum die Alliierten ihr im Februar 1945 in
Dresden so vielversprechend begonnenes Projekt der Entnazifizierung nicht
einfach auf ganz Deutschland ausgeweitet haben? Nicht nur, dass es die
einzig angemessene Reaktion auf das Geschehene gewesen wäre; in den
folgenden siebzig Jahren hätte im Herzen eines nunmehr deutschlandfreien
Europas ein einzigartiger, unberührter grüner Landstrich entstehen können,
der vielfältigster Flora und Fauna ein Zuhause geboten hätte und den
Völkern der Welt den dringend benötigten CO²-Ausgleich für die globale
klimatische Erwärmung. Anstatt, dass schmerbäuchige und bleichgesichtige
Deutsche weiterhin kostbare Atemluft in fleisch- und biergetränkte Fürze
verwandeln.
Wie arg und arm es um diesen Land gewordenen Flecken Missgunst und
Misanthropie bestellt ist, zeigt nicht zuletzt der Blick auf die rare Schar
derer, die ihm in inniger Ablehnung verbunden sind – gehen sie in ihrer
Abneigung doch mit der gleichen Bockbeinigkeit und Humorlosigkeit zu Werke,
wie es diesem freudlosen Volk nun mal zutiefst eingeboren ist. Bereits die
in ihrer Selbstbezeichnung „Anti-Deutsche“ anklingende Fixiertheit auf die
eigene Herkunft zeigt, dass dabei nie etwas tatsächlich Lustvolles,
Produktives oder wenigstens Gelassenes herauskommen kann (*).
## Sture Überlebensfähigkeit
Und so bleibt nur die Hoffnung, dass der von Biedermeiern und Brandstiftern
angesichts der weltweiten Flüchtlingszahlen herbeifantasierte Volkstod
tatsächlich eintritt und hierzulande in zwei, drei Generationen etwas
anderes, Schönes, Gutes entstehen möge. Allein: Anzunehmen ist dies leider
nicht, denn was die Überlebensfähigkeit angeht, hat der Deutsche die
Widerstandskraft von Unkraut.
(*Quod erat demostrandum)
27 Feb 2016
## AUTOREN
Philip Meinhold
## TAGS
Deutschland
Flüchtlinge
SPD
Zeitgeschichte
Jürgen Todenhöfer
Morddrohungen
Schwerpunkt Pegida
Leipzig
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