# taz.de -- Rauchverbote: Der Konflikt schwelt | |
> Nichtraucher sind heute besser geschützt als noch vor zehn Jahren – nicht | |
> aber vor Klinikeingängen oder in Clubs. | |
Bild: Der Qualm – hübsch, aber leider auch passiv ungesund. | |
Ein Widerspruch in wolkiger Form: Im Krankenhaus will man üblicherweise | |
gesund werden. Doch um hineinzukommen, muss man vielerorts zunächst durch | |
Rauchschwaden hindurch. BesucherInnen und Kranke, Menschen in Rollstühlen | |
oder mit Gipsbeinen tummeln sich vor den Eingängen und quarzen. Klar, im | |
Klinikgebäude ist Rauchen verboten. Aber auch auf dem Gelände etwa der | |
Charité darf man sich seine Zigarette lediglich an bestimmten Stellen | |
anstecken. Nur: Daran hält sich kaum jemand. | |
„Rauchen auf dem Klinikgelände muss strafbar sein, damit man es auch ahnden | |
kann“, forderte Jalid Sehouli, Direktor der Gynäkologie am Virchowklinikum, | |
am Montag im Abgeordnetenhaus. Der Gesundheitsausschuss hatte Experten | |
eingeladen, um sich über Mängel im Nichtraucherschutz zu informieren. Seit | |
2008 gilt in Berlin ein Gesetz, das Rauchen in öffentlichen Gebäuden wie | |
Behörden oder Gerichten, in Museen und Restaurants und eben auch in | |
Krankenhäusern verbietet. | |
Insgesamt wurden die Entwicklungen der letzten Jahre positiv bewertet. „Das | |
Nichtraucherschutzgesetz war ein Meilenstein in der Prävention“, lobte | |
Kerstin Jüngling von der Fachstelle für Suchtprävention im Ausschuss. Die | |
Zahl der Raucher sei gesunken, im Schnitt griffen Jugendliche heute später | |
zur Zigarette. „Im öffentlichen Raum funktioniert der Nichtraucherschutz | |
ganz gut“, bilanzierte Jüngling. | |
Nicht aber auf dem Krankenhausgelände. Zur Aufgabe der Kliniken gehöre | |
neben der Versorgung akuter Krankheiten auch die Prävention, betonte | |
Sehouli. „Wir können aber nicht über Prävention reden und das Rauchen | |
ignorieren.“ Genervt berichtete der Arzt von Patienten, die aggressiv | |
reagierten, wenn man sie auf die Raucherpavillons hinweise. In den USA | |
dürfe nur im Abstand von 100 Metern zum Krankenhaus geraucht werden, so | |
Sehouli. „Wir diskutieren inzwischen auch über eine Bannmeile für Raucher.�… | |
Die Charité habe auf ihrem Klinikgelände das Hausrecht und könnte Verstöße | |
gegen ein Rauchverbot schon jetzt ahnden, sagte Johannes Spatz vom Forum | |
Rauchfrei am Nachmittag. „Falsche Rücksichtnahme“ auf PatientInnen und | |
MitarbeiterInnen sei der Grund, dass die Klinik das nicht durchsetze. Spatz | |
forderte – ähnlich wie Sehouli – eine Ausweitung des gesetzlichen | |
Rauchverbots auf die Gelände der Kliniken. | |
Von der Charitéleitung war am Montagnachmittag keine Stellungnahme zu | |
erhalten. Eine Sprecherin des Vivantes-Konzerns reagierte zurückhaltend auf | |
die Forderungen. Gerade bei Suchterkrankungen sei es mit Verboten oft nicht | |
getan, sagte sie. „Es ist viel besser, Unterstützung auf dem Weg zum | |
Nichtraucher anzubieten.“ | |
Um tief durchzuatmen, ist es für Nichtraucher auch andernorts noch zu früh, | |
wie im Gesundheitsausschuss deutlich wurde. Jedes vierte Kind wachse in | |
Berlin in einem Haushalt auf, wo mindestens eine Person rauche, berichtete | |
Kerstin Jüngling. „Vielen sind die Gefahren des Passivrauchens noch zu | |
wenig bekannt“, so die Sozialpädagogin. Das sieht Spatz genauso – und | |
fordert ein Rauchverbot im Auto, wenn Kinder und Jugendliche mitfahren. | |
Auch wer tanzen gehen will, sollte Rauch nach wie vor gut vertragen. Ein | |
Großteil der Clubbetreiber halte sich nicht an das Gesetz, monierte Spatz. | |
Von 100 Diskotheken hätten sich bei einer Untersuchung nur acht als | |
rauchfrei erwiesen. Für Spatz ist klar: „Das Nichtraucherschutzgesetz | |
gehört auf den Prüfstand.“ | |
22 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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