# taz.de -- Delmenhorster „Todespfleger“: Weitere Mordopfer gefunden | |
> Niels H.wurde wegen dreifachen Mordes verurteilt – dabei hat der | |
> Krankenpfleger mindestens 21 Menschen getötet. Und die Ermittlungen | |
> laufen weiter. | |
Bild: Auf der Suche nach weiteren Opfern: Exhumierung auf Delmenhorster Friedho… | |
HANNOVER taz | Gegraben haben sie auf den Friedhöfen Heiligenrode, Brinkum, | |
Alt-Stuhr und Moordeich in der Gemeine Stuhr im Kreis Diepholz. Leichen | |
exhumiert wurden auch in Bookholzberg, einem Ortsteil von Ganderkesee bei | |
Bremen. Insgesamt 63 ehemalige Patienten des Klinikums Delmenhorst hat die | |
Sonderkommission (Soko) „Kardio“ untersuchen lassen. Bei 21 von ihnen war | |
der medizinische Wirkstoff Ajmalin noch immer nachweisbar. Damit ist klar: | |
Auch sie sind Opfer des vor einem Jahr wegen dreifachen Mordes und | |
zweifachen Mordversuches zu lebenslanger Haft verurteilten Krankenpflegers | |
Niels H. | |
Der heute 39-Jährige hatte in dem Prozess gestanden, zwischen 2003 und 2005 | |
rund 90 Kranken des Klinikums eine Überdosis des Herzmittels Gilurytmal | |
gespritzt zu haben, dass Ajmalin enthält und zu tödlichen | |
Herzrhythmusstörungen führen kann. Motiv war offenbar Geltungssucht: Niels | |
H., der bei seinen Taten den Alarm zur Überwachung der Patienten | |
ausschaltete und ein Gegenmittel für Gilurytmal in der Tasche hatte, wollte | |
mit vorgeblich guten Kenntnissen im Bereich der Reanimation glänzen. „Er | |
war ein begeisterter Retter“, sagte ein früherer Oberarzt des Klinikums vor | |
Gericht. | |
Gemordet haben will der Pfleger nur auf der Intensivstation in Delmenhorst. | |
Zwar liefen bereits 2005 Ermittlungen wegen versuchten Totschlags gegen ihn | |
– von Juli bis September saß er sogar im Gefängnis. Trotzdem konnte H. | |
seinen Beruf danach noch vier weitere Jahre ausüben – und hatte so die | |
Chance zu weiteren Morden. Der Krankenpfleger arbeitete in einem Altenheim | |
in Wilhelmshaven. Ehrenamtlich half er immer wieder im Rettungsdienst aus, | |
fuhr also in Krankenwagen mit. | |
„Insgesamt untersuchen wir über 200 Verdachtsfälle“, bestätigte eine | |
Sprecherin der Soko der taz. Auch das Klinikum Oldenburg, wo H. vor seiner | |
Delmenhorster Zeit arbeitete, steht heute im Visier der Polizei. Anhand von | |
Krankenakten identifizierte ein Gutachter zwölf verdächtige Todesfälle. Ein | |
Ende der Untersuchung ist nicht in Sicht. „Es handelt sich um ein laufendes | |
Ermittlungsverfahren“, so die Soko-Sprecherin. „Das gesamte Leben von Herrn | |
H. wird umfänglich untersucht.“ | |
Zuvor aber waren die Strafverfolgungsbehörden lange untätig geblieben. Die | |
Rechtsanwältin Gaby Lübben, die rund 40 Angehörige der Opfer von Niels H. | |
vertritt, dachte laut darüber nach, ob zögerlich ermittelt wurde – um | |
„Schadenersatzansprüche vom Klinikum Delmenhorst abzuwenden“. Schließlich | |
sei schon 2005 nachweisbar gewesen, dass sich die Todesfälle auf der | |
dortigen Intensivstation während der Dienstzeit von Niels H. verdoppelt | |
hatten. | |
„Menschlich nicht nachvollziehen“ kann Lübben deshalb, dass das | |
Oberlandesgericht Oldenburg nicht wegen Verschleppung der Ermittlungen | |
gegen einen ehemals zuständigen Oberstaatsanwalt vorgehen will. „Es bleibt | |
ein Geschmäckle“, sagt die Anwältin: Der Jurist ist mittlerweile Richter am | |
Landgericht – in Oldenburg. | |
23 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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