# taz.de -- Betrug im italienischen Fußball: Auf zur letzten Wette | |
> In Cremona beginnt der bislang größte Prozess um Sportbetrug – mit Fans | |
> als Nebenklägern. In einer Hauptrolle: Nationaltrainer Antonio Conte. | |
Bild: Muss sich ebenfalls vor Gericht verantworten: Italiens Nationaltrainer An… | |
CREMONA taz | Eine große Ermittlung gebiert einen großen Prozess. Vier | |
verschiedene Ermittlungsstränge hat die Operation „Last Bet“ mittlerweile, | |
die seit November 2010 von der Staatsanwaltschaft Cremona vorangetrieben | |
wird. | |
Für Dutzende Spiele der ersten beiden italienischen Fußballligen fanden die | |
Ermittler Beweise für Manipulationen. 44 Spieler, Exspieler, Trainer und | |
Funktionäre wurden von der Sportjustiz gesperrt. Manche von ihnen | |
lebenslang, manche – wie etwa Nationalcoach Antonio Conte – nur wenige | |
Monate. Ihm wurde vorgeworfen, von Absprachen seiner Spieler beim AC Siena | |
gewusst, dies aber weder gemeldet zu haben noch dagegen eingeschritten zu | |
sein. | |
Conte findet sich nun gemeinsam mit 114 anderen Angeklagten im Strafprozess | |
von Cremona wieder. Ihm drohen maximal zwei Jahre Strafe wegen einfachem | |
Sportbetrug. Conte hat dabei Glück. Denn der Prozess wird nach einem alten | |
Strafrechtsparagrafen durchgeführt; ein neuer sieht sogar Haft bis zu neun | |
Jahren vor. | |
Die Strafverschärfung ist eine direkte Folge der Ermittlungen der | |
Staatsanwaltschaft Cremona: Die Dimension des Betrugsrings, der von | |
Spielern in italienischen, Schweizer, ungarischen und finnischen Ligen über | |
Mittelsmänner vom Balkan sowie einzelne Exponenten der organisierten | |
Kriminalität in Italien bis hin zum Herz der Organisation in Singapur | |
reichte, bewog das italienische Parlament zu der Gesetzesänderung. | |
Angewendet wird sie freilich erst auf zukünftige Fälle. | |
## „Marke Juventus geschädigt“ | |
Um den aktuellen Prozess überhaupt durchführen zu können, hat die | |
Staatsanwaltschaft Cremona aufgerüstet. Gleich drei Verhandlungssäle wurden | |
hergerichtet und neu miteinander verkabelt. „Alle Säle sind per | |
Videokonferenz miteinander verbunden. Akten haben wir keine mehr. Nicht | |
einmal einen USB-Stick brauchen wir, weil wir in Echtzeit auf den | |
Datenbestand zugreifen können“, sagte einer der insgesamt etwa 150 | |
Verteidiger, die bei diesem Prozess tätig sind. | |
Dazu kommen die Vertreter von ebenfalls mehr als 100 Nebenklägern – der | |
Prozess in Cremona ist ein regelrechter Juristenkongress. Unter den | |
Nebenklägern sind Klubs, die sich geschädigt fühlen, Verbände und Ligen | |
sowie Verbraucherschutzorganisationen und sogar einige Fanclubs. | |
Giacinto Epifani vertritt drei Fanklubs des FC Juventus aus Apulien. | |
„Unsere Klienten fühlen sich dadurch geschädigt, dass in der | |
Berichterstattung über den Wettskandal immer vom Juventus-Trainer Antonio | |
Conte geschrieben wurde. Dabei betraf sein Fall seine Zeit beim AC Siena. | |
Durch diese Verbindung wurde die Marke Juventus geschädigt“, sagt Epifani | |
der taz. | |
Gegen Conte, den eigentlichen Verursacher der weiß-schwarzen | |
Nestbeschmutzung, gehen die zornigen Juve-Fans irritierenderweise nicht | |
vor. „Wir wenden uns gegen die Angeklagten, denen organisierter Spielbetrug | |
vorgeworfen wird“, erklärt Epifani. Das ist das schwerere Vergehen, das | |
schon jetzt mit bis zu zehn Jahren Haft geahndet werden kann – und das | |
Conte nicht vorgeworfen wird. | |
## Schon 2008 von Absprachen gewusst | |
Auch wenn das Aussparen Contes aus der Nebenklage merkwürdig wirkt, erst | |
recht, wenn man ein gerade erschienenes E-Book eines Sky-Journalisten zu | |
Rate zieht, laut dem Conte schon 2008 als Bari-Coach von Spielabsprachen | |
gewusst haben soll, so muss man Epifani doch bemerkenswertes Engagement | |
zugutehalten. | |
Er handelte schon für Fans des AS Bari als Nebenkläger im Prozess gegen den | |
apulischen Verein Schadenersatz aus. „Diese Spieler würden es sich dreimal | |
überlegen, Spiele zu verschieben, wenn sie damit rechnen müssten, die | |
Besucher eines ganzen Stadions entschädigen zu müssen“, argumentiert er. | |
Das hat etwas für sich. | |
Um ernst genommen zu werden, müssten Nebenkläger aber auch konsequent | |
agieren. Der Fußballverband FIGC etwa schrieb sich für 112 der 115 | |
Angeklagten als Nebenkläger ein. Nur Conte, dessen aktuellen Assistenten | |
Angelo Alessio und den Coach vom Erstligisten Udinese sparte der Verband | |
aus. | |
Die Kritik am merkwürdigen Verhalten des Verbandes und an dem mit Makeln | |
behafteten Trainer werden die italienische Begleitmusik zur | |
Europameisterschaft in Frankreich im Sommer. Nächster Prozesstag ist der 7. | |
März. Bis zum 21. April sind derzeit Termine vergeben. | |
20 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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