# taz.de -- Enthüllungsblog „Football Leaks“: Legalisierung der Leibeigens… | |
> Jeder kennt Wikileaks. Aber was haben die Enthüllungen von „Football | |
> Leaks“ gebracht? Über die Machenschaften der Kapitalgeber von Doyen | |
> Sports. | |
Bild: Nicht bei jedem Kopfball eines Spielers von Twente Enschede (l.) verdient… | |
Die Profifußballszene zeichnet sich nicht gerade durch Bescheidenheit aus, | |
deswegen verwundert es kaum, wenn sich das Unternehmen Doyen Sports mit | |
Aplomb [1][im Internet vorstellt.] In großen bunten Lettern wird ein | |
Heilsversprechen verkündet: „We are Dreammakers.“ | |
Mit offensichtlich hypertrophem Selbstbewusstsein wird eine weitere | |
Firmenphilosophie präsentiert: „We are born winners.“ Und auch diese Phrase | |
darf nicht fehlen in Doyens Portfolio der Rodomontade: „We are paradigm | |
changers.“ Bei Doyen Sports, den geborenen Gewinnern, werden also Träume | |
wahr und alte Gewissheiten einfach umgestürzt. Fragt sich nur wie? Und für | |
wen? | |
Doyen Sports ist in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, weil ein paar | |
Hacker aus Portugal Julian Assange bewundern und ein sogenanntes | |
[2][Football Leaks] kreiert haben. Es kursieren Verträge von Fußballprofis | |
im Netz, zum Beispiel der Kontrakt von Toni Kroos, der pro Jahr knapp 11 | |
Millionen Euro beim FC Real Madrid verdient. | |
Das alles befriedigt die Neugier des gemeinen Fußballfans, der sich über | |
die horrenden Summen und diversen Klauseln zur Aufbesserung des ohnehin | |
schon fürstlichen Salärs erregen mag, aber ein Skandal lässt sich daraus | |
schwerlich ableiten. | |
## Einfluss auf die Transferpolitik von Klubs | |
Dokumente zum Treiben von Doyen Sports hatten da schon mehr Substanz, denn | |
das Unternehmen mit Hauptsitz in London und Malta sowie Dependancen in | |
Spanien, Brasilien und Portugal ist ein besonders gewiefter Clownfisch im | |
Reich der Prachtanemonen. Doyen Sports berät nicht nur Stars wie Neymar und | |
Xavi oder den Tennisveteranen Boris Becker, das Unternehmen verleiht auch | |
Geld an Fußballklubs, zum Beispiel an Twente Enschede aus Holland. | |
Das wird von Doyen Sports gern als menschenfreundliche Tat ausgelegt, denn | |
auf diese Weise hätten auch weniger betuchte Klubs in Europa die | |
Möglichkeit, mit den Großen mitzuhalten: „Wir möchten nicht in einer Welt | |
leben, wo nur reiche Klubs Trophäen gewinnen können“, verriet | |
Doyen-Vorstandsvorsitzender Nélio Lucas unlängst dem Independent. | |
Twente Enschede wurde ein Darlehen in Höhe von 5 Millionen Euro gewährt. | |
Doyen Sports erhielt im Gegenzug Anteile an den Transferrechten von sieben | |
Spielern. Die Idee dahinter: Steigt deren Marktwert und werden die Profis | |
künftig einmal verkauft, dann profitiert Doyen Sports anteilig. Das gilt | |
auch bei weiteren Transfers der Spieler. | |
Aber was passiert, wenn der Klub seine Spieler halten will? Im Fall von | |
Twente Enschede hatte Doyen Sports vorgesorgt. Der Investor sollte | |
entschädigt werden, falls der Verein ein Angebot für einen der Spieler | |
ablehnt. Damit war für den niederländischen Fußballverband klar, dass Doyen | |
Sports auf unlautere Weise Einfluss auf die Transferpolitik des Klubs | |
genommen hatte. | |
## Third Party Ownership | |
In der Fachsprache des Fußballs wird so etwas Third Party Ownership | |
genannt. Es ist eine moderne Form der Leibeigenschaft. Der Weltverband Fifa | |
hat das verboten. Twente Enschede wurde abgestraft, darf drei Jahre nicht | |
an Europapokalwettbewerben teilnehmen und musste obendrein 42.500 Euro | |
zahlen. Damit ist aber das gewinnbringende Geschäftsmodell von Doyen Sports | |
keineswegs tot. | |
Die direkte Form der Leibeigenschaft mag nicht zulässig sein, aber das | |
sogenannte Third Party Investment ist es schon. Benennt man also nicht | |
explizit bestimmte Spieler, sondern kauft anteilig Transferrechte am | |
gesamten Kader, dann ist das Investment offenbar okay. Dann erscheint Doyen | |
Sports nicht als Menschenhändler, sondern als Klubinvestor: eine | |
Investition in Beine, wie Fußballmanager in diesem Fall sagen. | |
Die Legalität dieses Modells hat der Sportgerichtshof CAS, der im | |
schweizerischen Lausanne tagt, in einem nur zum Teil veröffentlichten | |
Urteil im Dezember 2015 bestätigt. Gestritten hatten sich Doyen Sports und | |
Sporting Lissabon. Sporting wurde dazu verurteilt, Doyen Sports über 11,5 | |
Millionen Euro zu zahlen. Es geht also um Nuancen in der Beurteilung von | |
TPO (Third Party Ownership) und TPI (Third Party Investment). | |
Das CAS-Urteil nahmen die Verantwortlichen von Doyen Sports euphorisch auf. | |
Es habe die Integrität und Rechtsgültigkeit des Doyen’schen Modells der | |
Geldleihe bestätigt, ließ das Unternehmen wissen. Die Klubs hätten volle | |
Kontrolle über ihre Transferpolitik und Spieler das letzte Wort darüber, wo | |
sie spielen wollten. „Wir besitzen niemanden, die Idee, Investoren könnten | |
andere Menschen besitzen, ist aberwitzig, wir haben diese Idee seit | |
Hunderten von Jahren hinter uns gelassen“, sagte Nélio Lucas. Zulässig ist | |
das Modell aber wohl nur, weil Doyen Sports aus dem Fall Twente Enschede | |
gelernt hat. Jetzt werden die Spieler in den Verträgen nicht namentlich | |
benannt, und der Klub kann auf eine Ausstiegsklausel pochen, falls der Klub | |
ein Transferangebot ablehnt. | |
In der nächsten Zeit wird vor allem die IT-Abteilung von Doyen Sports viel | |
zu tun haben. Denn die Hacker von Football Leaks haben sich wohl ins | |
Computersystem von Doyen Sports geschlichen. Von Erpressung ist die Rede. | |
Es ist eine Geschichte aus dem wilden Reich des Profifußballs, in dem es so | |
unfassbar viel Geld zu verdienen gibt. | |
13 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.doyensports.com/ | |
[2] https://footballleaks2015.wordpress.com/ | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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