# taz.de -- Kurdenstaat im Nordirak: Kurdenführer fordert Referendum | |
> Bislang sind die irakischen Kurdengebiete autonom. Jetzt will ihr | |
> Präsident die Bevölkerung zur vollständigen Unabhängigkeit befragen. | |
Bild: Massud Barsani möchte einen unabhängigen Kurdenstaat haben. | |
ERBIL afp | Der irakische Kurdenführer Massud Barsani hat ein Referendum | |
über einen kurdischen Staat im Nordirak angekündigt. „Die Zeit ist gekommen | |
und die Bedingungen sind gegeben, um die Menschen per Referendum über ihre | |
Zukunft entscheiden zu lassen“, erklärte Barsanis Büro am Mittwoch. Die | |
Abstimmung würde aber „nicht zwangsläufig sofort zur Ausrufung eines Staats | |
führen“. | |
Es gehe vielmehr darum, „den Willen und die Meinung der Menschen in | |
Kurdistan bezüglich ihrer Zukunft in Erfahrung zu bringen“, hieß es in der | |
Mitteilung. Barsani, der bereits in der Vergangenheit ein Referendum | |
gefordert hatte, machte keine Angaben darüber, wann die Abstimmung | |
stattfinden soll. | |
Barsani steht seit zehn Jahren an der Spitze der Region, die sich | |
weitgehend unabhängig von der Zentralregierung in Bagdad selbst verwaltet | |
und mit den Peschmerga eine eigene schlagkräftige Miliz hat. Im August lief | |
das Mandat des 69-Jährigen ab, er will aber gegen Widerstände weiter im Amt | |
bleiben und führt seine Rolle im Kampf gegen die Dschihadistenorganisation | |
Islamischer Staat (IS) als Argument für eine längere Amtszeit ins Feld. | |
Barsani gilt als einer der wichtigsten Verbündeten des Westens im Kampf | |
gegen den IS. Deutschland unterstützt die Kurden im Nordirak mit Waffen, | |
Material und Ausbildung im Kampf gegen die Dschihadisten. In dem Gebiet | |
sind auch 95 deutsche Soldaten mit Ausbildungsauftrag im Einsatz. Italien | |
kündigte am Mittwoch an, 130 Soldaten nach Erbil zu schicken, die vor allem | |
für die Rettung von verletzten Soldaten der Anti-IS-Koalition eingesetzt | |
werden sollen. | |
## Streiks bei Regierungsbehörden | |
Die Hürden für eine Abspaltung der seit 1991 autonomen Kurdenregion sind | |
hoch. Die Zentralregierung in Bagdad lehnt ein Referendum ab. Zudem sind | |
die Gebietsansprüche der Kurden umstritten. Offiziell besteht ihre autonome | |
Region aus drei Provinzen, aber die kurdischen Einheiten rückten während | |
ihres Kampfs gegen den IS in vier weitere Provinzen vor, die sie nun | |
teilweise kontrollieren – zum Ärger der irakischen Regierung, die vor allem | |
die Hoheit über die ölreiche Provinz Kirkuk nicht aufgeben will. | |
Auch aus wirtschaftlicher Sicht könnte eine Unabhängigkeit für die Kurden | |
schwierig werden. Die niedrigen Ölpreise machen ihnen ebenso wie Bagdad zu | |
schaffen, doch im Gegensatz zur Zentralregierung haben sie nur | |
eingeschränkten Zugang zu den Kreditmärkten. In einigen kurdischen | |
Regierungsbehörden wurde seit Monaten kein Gehalt ausgezahlt, was bereits | |
zu Streiks führte. | |
Barsani unterhält enge Beziehungen zur türkischen Regierung, die ein | |
wichtiger Handelspartner der kurdischen Führung in Erbil ist. Zum Ärger | |
Bagdads exportiert die autonome Region eigenmächtig Öl in die Türkei. | |
Ankara führt aber gleichzeitig eine Militäroffensive gegen die | |
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die in der Türkei wegen ihres langjährigen | |
bewaffneten Kampfes gegen türkische Sicherheitskräfte für ein autonomes | |
Kurdistan als „Terrororganisation“ eingestuft wird. | |
3 Feb 2016 | |
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