| # taz.de -- Abfallwirtschaft in Deutschland: Stoppschild im Bundesrat | |
| > Die Länderkammer fordert die Bundesregierung auf, die Abfallentsorgung in | |
| > Deutschland endlich gründlich zu reformieren. | |
| Bild: Wenn der Fuchs kommt, fliegt der Abfall übers Feld. Gelbe Säcke in Bran… | |
| Berlin taz | Eine Art Stoppschild hat der Bundesrat am heutigen Freitag für | |
| das Bundesumweltministerium aufgestellt. Die Länderkammer hat den Antrag | |
| von fünf Ländern für ein neues Wertstoffgesetz angenommen und fordert darin | |
| ein „ökologisches, bürgernahes und effizientes“ Gesetz. Für die | |
| Bundesregierung ist die Forderung ein Signal dafür, dass sie ihren eigenen | |
| Arbeitsentwurf für ein Wertstoffgesetz im Bundesrat bei derzeitigen | |
| Mehrheitsverhältnissen nicht durchbekommen wird. | |
| Ein Wertstoffgesetz steht seit 2009 in bislang jedem Koalitionsvertrag und | |
| soll die in die Jahre gekommene Verpackungsverordnung - die uns den gelben | |
| Sack und die gelbe Tonne beschert hat - ablösen. Bislang ist es aber an den | |
| widerstreitenden Interessen der öffentlichen und privaten | |
| Entsorgungswirtschaft sowie an dem ausgesprochen komplexen und | |
| reformrestistenten System gescheitert, mit dem in Deutschland Verpackungen | |
| entsorgt werden. | |
| Verpackungen aus Kunststoff oder Metall landen bislang in der gelben Tonne, | |
| nicht aber Spielzeuge, Bratpfannen oder Schuhe aus gleichem Material. Diese | |
| „stoffgleichen Nichtverpackungen“ müssen bisher überwiegend im Restmüll | |
| entsorgt werden und werden verbrannt. | |
| Laut dem Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU) haben zahlreiche | |
| Landkreise und Städte zwar inzwischen schon Projekte gestartet, in denen | |
| Wertstoffe gemeinsam erfasst werden - rund 12 Millionen Einwohner verfügen | |
| bereits über ein solches Angebot. Doch ein Gesetz für alle fehlt. Das | |
| Bundesumweltministerium geht davon aus, dass in einer Wertstofftonne pro | |
| Einwohner um die fünf Kilogramm Sekundärrohstoffe aus Kunststoff oder | |
| Metall zusätzlich eingesammelt werden können. | |
| Doch wer darf sammeln, sortieren und verwerten - und damit am lukrativen | |
| Geschäft mit dem Abfall verdienen? Der Vorschlag aus Baden-Württemberg | |
| versucht einen Kompromiss: Die Gemeinden sollen zuständig sein, die | |
| Wertstoffe einzusammeln, die beiden anderen Leistungen würden von einer | |
| „zentralen Stelle“ ausgeschrieben. „Wir lassen die Kommunen mit ihrer | |
| bürgernahen Vor-Ort-Präsenz die Sammlung organisieren und überlassen es dem | |
| Wettbewerb, wer die Wertstoffe sortiert und verwertet“, erklärte der grüne | |
| Umweltminister Franz Untersteller aus Baden-Württemberg. | |
| ## Duales System ist zu teuer | |
| Mit der zentralen Stelle entstünde zwar eine neue Behörde mit neuen Kosten, | |
| doch die elf Dualen Systeme, die bislang für die Entsorgung des | |
| Verpackungsmülls zuständig seien, kosteten jährlich über 100 Millionen Euro | |
| – „das bekommen wir besser und günstiger hin“, so Untersteller. Die Dual… | |
| Systeme würden damit überflüssig. | |
| Untersteller will vor allem erreichen, dass mehr Kunststoff und Metall als | |
| bisher stofflich verwertet - also hochwertig recycelt, wird. Bislang sieht | |
| der Gesetzgeber eine werkstoffliche Verwertungsquote von 36 Prozent auf | |
| alle lizenzierten Kunststoffverpackungen im Jahr vor; sie wurden etwa vom | |
| Handel oder von Herstellern bei den Dualen Systemen angemeldet. | |
| Im vergangenen Jahr waren das 1,2 Millionen Tonnen. Recycelt werden musste | |
| also die Menge von rund 432.000 Tonnen. Tatsächlich eingesammelt wurden | |
| aber 2,4 Millionen Tonnen - weil nicht alle Verpackungen angemeldet werden, | |
| oder weil Verbraucher auch Spielzeug etc. in die gelben Säcke werfen. Doch | |
| die vorgeschriebene Menge von 432.000 Tonnen bleibt - und damit sinkt die | |
| tatsächliche Recyclingquote auf nur noch 18 Prozent, rechnet das | |
| Umweltministerium vor. | |
| ## Kommunen: Wir wollen keine Verstaatlichung | |
| Die kommunalen Verbände sind mit dem Vorstoß des Bundesrates naturgemäß | |
| zufrieden . Er biete eine gute „Kompromisslinie“, sagt Torsten Mertins vom | |
| Deutschen Landkreistag. Man wolle für alle Tonnen zuständig sein, | |
| schließlich wende sich der Bürger schon jetzt an die Abfallbetriebe vor | |
| Ort, etwa wenn die Abholung der Säcke nicht funktioniere. Die Verwertung | |
| könne gerne die Privatwirtschaft übernehmen. „Wir wollen nichts | |
| verstaatlichen“, so Mertins. | |
| Äußerst unzufrieden ist die private Entsorgungswirtschaft mit dem Antrag | |
| der Länder. Eine Verstaatlichung „gefährde Deutschlands weltweit anerkannte | |
| Vorreiterrolle beim Recycling und der Kreislaufführung von Rohstoffen“, | |
| kommentierte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen | |
| Entsorgungswirtschaft, Peter Kurth. | |
| „Wir sind bisher bei den Bundesländern nicht auf Verständnis dafür | |
| gestoßen, dass eine Verdrängung privater Fachbetriebe zugunsten kommunaler | |
| Betriebe keine gute Lösung für das Recycling, für die Wirtschaft und für | |
| die Bürgerinnen und Bürger darstellt,“ kommentierte | |
| bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock die Entscheidung des Bundesrates. Es | |
| sei ja nachvollziehbar, so der bvse, dass die Aufgabenerledigung der Dualen | |
| Systeme für Skepsis gesorgt hat. In der Konsequenz nun aber die privaten | |
| Entsorgungsunternehmen aus einem wichtigen Teilmarkt faktisch | |
| auszuschließen, könne nicht der Weisheit letzter Schluss sein, so Rehbock. | |
| ## Im BMUB ist man enttäuscht | |
| Das Bundesumweltministerium wird sich nun in den nächsten Wochen mit dem | |
| Entschließungsantrag des Bundesrates befassen. Ministerin Barbara Hendricks | |
| (SPD) hatte im Herbst einen eigenen Arbeitsentwurf für ein Wertstoffgesetz | |
| vorgelegt. Darin sind nicht nur höhere Recyclingquoten vorgeschrieben – 72 | |
| statt 36 Prozent des Abfalls müssten stofflich verwertet werden. Zudem wird | |
| das Prinzip der Produktverantwortung – wer eine Verpackung in Umlauf | |
| bringt, ist auch für ihre Entsorgung zuständig – auch auf andere | |
| Kunststoffe und Metalle ausgeweitet. | |
| „Es ist schade, dass es in der Debatte jetzt nur noch darum geht, wer die | |
| Wertstoffe einsammeln und verwerten darf. Das ist ein Streit zwischen | |
| Lobbyisten“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Für die Verbraucher ist | |
| das eine irrelevante Frage. Aber für die Umwelt wäre es schlecht, wenn | |
| daran das Vorhaben scheitert. | |
| Der Bundesrat kann die Regierung zwar zu nichts verpflichten; er | |
| signalisiert ihr nur, dass sie keine Mehrheit hat. Allerdings finden in den | |
| nächsten Monaten in einigen wichtigen, grün mitregierten Bundesländern | |
| Landtagswahlen statt - etwa in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz. | |
| Weil sich die Mehrheitsverhältnisse in den nächsten Monaten also ändern | |
| können, bleibt der Machtkampf um die Wertstofferfassung also offen. | |
| 29 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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| aber nicht? Bisher lautete die Antwort: Wegen der Verpackungsverordnung. | |
| Das soll anders werden. |